SP kämpft um den 2018 verlorenen Sitz

Barbara Gysel will das Zuger Stadtpräsidium zurückerobern

Barbara Gysel will im Herbst für die SP in den Zuger Stadtrat einziehen – und Stadtpräsidentin werden. (Bild: zvg)

Vor vier Jahren verlor die SP ihren Sitz im Zuger Stadtrat. Jetzt will Barbara Gysel die Sozialdemokraten zurück ins Präsidium befördern. Mit zentralplus sprach sie über den Zuger Pioniergeist, Leerkündigungen und weshalb sie dem Stadttunnel skeptisch gegenübersteht.

Ein Wahlkampf ohne Barbara Gysel ist in Zug kaum denkbar. Die langjährige Kantons- und Gemeinderätin kandidierte in der Vergangenheit immer wieder: 2015 und 2019 für den Ständerat, 2018 für den Regierungsrat. Und dieses Jahr schielt sie aufs Zuger Stadtpräsidium.

Den Wählerinnen eine «echte» Wahl ermöglichen, die politische Vielfalt abbilden, ein Zeichen gegen die «Politverdrossenheit im Land» setzen: Das Gewinnen stand für die 42-jährige Gysel in der Vergangenheit oft nicht im Vordergrund (zentralplus berichtete).

Welche Chancen sich die Kantonalparteipräsidentin dieses Jahr ausrechnet, verrät sie im Interview mit zentralplus. Barbara Gysel kämpft am 2. Oktober um das Zuger Stadtpräsidium, das nach Karl Kobelts (FDP) Rücktritt frei wird. Ihre Gegner: Stadträtin Eliane Birchmeier (FDP), Stadtrat Urs Raschle (Mitte) und Stadtrat André Wicki (SVP).

zentralplus: In der Vergangenheit waren Sie stets sehr realistisch, was Ihre Kandidaturen anbelangt. Welche Chancen rechnen Sie sich dieses Jahr für das Amt der Stadtpräsidentin aus?

Barbara Gysel: Zuerst muss ich in den Stadtrat gewählt werden. Ich bin weder pessimistisch noch naiv. Dass die Linke zum städtischen Selbstverständnis von Zug gehört, davon bin ich aber überzeugt. Es kann nicht sein, dass in einer dynamischen Stadt wie Zug die Linke nicht in der Exekutive vertreten ist. Viele Städte machen mit sozialdemokratischen Präsidien sehr gute Erfahrungen. Und den Wunsch nach Vielfalt an der Spitze vernehmen wir auch aus der Bevölkerung.

zentralplus: 2018 haben Sie für den Regierungsrat kandidiert, auch das Stadtpräsidium hatten Sie zuerst im Visier. Jetzt wollen Sie wieder Stadtpräsidentin werden. Was reizt Sie an der Exekutive?

Gysel: Das Führen und Gestalten, das ein Exekutivamt mit sich bringt. Ich bringe reichlich Führungserfahrung mit; bei der Bundesverwaltung, in der Privatwirtschaft, in Hilfswerken und Vereinen mitübernahm ich Verantwortung. Das Stadtpräsidium führt die Erfahrungen und Themen, die mich in den letzten Jahren begleitet haben, zusammen.

«Als Sachpolitikerin habe ich einen langen Atem.»

Barbara Gysel (SP), Zuger Stapi-Kandidatin

zentralplus: Auf Kantons- und auf Stadtebene sind Sie eine langjährige und versierte Parlamentarierin. Als Stadtpräsidentin müssen Sie hingegen repräsentieren und den Kopf hinhalten. Sind Sie dafür gemacht?

Gysel: Aber ja. Sie können nicht so lange Sozial- und Umweltpolitik machen, wenn Sie keine Ausdauer mitbringen und repräsentieren können. Als Sachpolitikerin habe ich einen langen Atem.

zentralplus: 2018 verlor die SP mit dem Rücktritt von Dolfi Müller ihren Sitz im Stadtrat und gleich auch das Präsidium. Wie hat sich das die letzten vier Jahre bemerkbar gemacht?

Gysel: Wenn ich ehrlich bin, war die Luft wohl ein bisschen raus. Ich will aber nicht verurteilen, ich will Verantwortung wahrnehmen. Es gab in der Vergangenheit aber bestimmt Geschäfte, die einen anderen Verlauf genommen hätten.

zentralplus: Zum Beispiel?

Gysel: Die Leerkündigungen der St.-Johannes-Strasse 23 durch die städtische Pensionskasse. Bei diesem Geschäft bin ich überzeugt, dass sich Dolfi Müller für eine andere Lösung ins Zeug gelegt hätte. Was nicht heisst, dass das Geschäft dann effektiv einen anderen Lauf genommen hätte.

«40'000 Menschen pendeln täglich nach Zug, 60 Prozent davon mit dem Auto. Das ist doch ein Problem!»

Barbara Gysel

zentralplus: Welche Themen würden Sie als Stadtpräsidentin als Erstes anpacken?

Gysel: Zug ist eine Kleinstadt, aber mit einem gewaltigen Wachstum. Darauf braucht es politische Antworten. Gerade eine dynamische Stadt wie Zug müsste in Sachen Nachhaltigkeit und Pioniergeist ein Zeichen setzen – zum Beispiel beim Verkehr und beim preisgünstigen Wohnraum.

zentralplus: Stichwort Verkehr: Ist der Stadttunnel eine zukunftsgerichtete Lösung?

Gysel: Es kommt darauf an. Der Tunnel ist eine vermeintlich einfache Lösung, verlagert den Verkehr aber einfach in andere Quartiere. Ich bin überzeugt, dass wir noch nicht alle Ideen durchdacht haben, um die Zuger Innenstadt zu beruhigen.

zentralplus: Welche Visionen haben Sie dafür?

Gysel: 40'000 Menschen pendeln täglich nach Zug, 60 Prozent davon mit dem Auto. Das ist doch ein Problem! Anstatt viel Geld in einen Tunnel zu investieren, der auf einem überholten Verkehrsprinzip beruht, sollten wir den Langsamverkehr und den ÖV fördern. Auch alternative Arbeitsmodelle wie Homeoffice tragen dazu bei, den Verkehr zu lenken und zu reduzieren.

«Bis ungefähr 30'000 Franken gebe ich für meine persönliche Wahlkampagne aus, je nach Spenden.»

Barbara Gysel

zentralplus: Wie wollen Sie preisgünstigen Wohnraum in der Stadt Zug fördern?

Gysel: Es braucht eine Palette an Massnahmen. Zwei konkrete Beispiele sind zwei Initiativprojekte: Die SP will in der Stadt mit einer Initiative bis 2040 2000 neue preisgünstige Wohnungen für den Zuger Mittelstand schaffen. Ihr Anteil würde sich damit von 14 auf 20 Prozent erhöhen. Auf Kantonsebene haben wir die Mehrwert-Initiative lanciert, die den Gemeinden bei Aufzonungen Millionen in die Kassen spült. Gelder, die wir unter anderem in bezahlbaren Wohnraum investieren müssten.

zentralplus: Welches Departement würde Ihnen neben dem Präsidium am besten gefallen?

Gysel: Die Finanzen natürlich (lacht). Als Vizepräsidentin der Geschäftsprüfungskommission im Grossen Gemeinderat wäre das naheliegend.

zentralplus: Apropos Finanzen: Wie viel geben Sie für Ihren Wahlkampf aus?

Gysel: Bis ungefähr 30'000 Franken für meine persönliche Wahlkampagne, je nach Spenden. Darin inbegriffen sind Spenden und eigene Mittel. Daneben gibt es auch die Kampagne der Partei. Ich kann auf die grosszügige Unterstützung von Freiwilligen zählen. So haben mein Vater und andere Helfer früher zum Beispiel stundenlang Brillentücher in Flyer gesteckt, anstatt es maschinell für 30'000 Franken zu tun.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Philip C. Brunner
    Philip C. Brunner, 03.08.2022, 12:31 Uhr

    Lieber Stubi
    Vorab stehe ich der Kandidatur von Barbara Gysel wirklich positiv gegenüber. Ich traue ihr zu eine überdurchschnittlich gute, (wenn auch linke) Stadträtin zu sein. Und zwar besser als gewisse amtierende Stadträte über deren Leistungen in den letzten 4 Jahren ich ernüchtert, ja ehrlich enttäuscht bin. Barbara könnte, Wahl vorausgesetzt im Stadtrat zu einer besseren Teambildung beitragen und dank ihrer breiten Vernetzung, Sachkenntnis und ihrem Pragmatismus viel zu einer guten Gesamtleistung des Stadtrates beitragen. Dass sie gleich Stadtpräsidentin wird glaube ich zwar noch nicht, das ist in Zug noch niemanden auf Anhieb gelungen.

    Und ja – SP-Stadtpräsident Dolfi Müller hat, auch wenn ich mich mit ihm jahrelang zu vielen Dingen gezofft habe, viele Dinge gut gemacht (Kauf L&G-Gebäude, Bossard-Arena, Stadttunnel (abgelehnt) usw.) auch wenn z.B im Kulturbereich sein Nachfolger später dann «die Stiefel» gewaltig herausgezogen hat. Nach 4 Jahren Amtszeit haben wir viel Papier, Strategien und ein umstrittenes Reglement, das noch in einer Spezialkommission des GGR diskutiert wird … das wäre Dolfi so nie passiert. Zudem war ich immer zusammen mit der ganzen Linke ganz entschieden für den Proporz und gegen den heute gültigen Majorz bei den Regierenden in Stadt und Kanton. Und nach 2014/2018 und 2022 ist auch klar, dass wir nicht wie versprochen («Köpfe statt Parteien») bessere Kandidaturen bekommen als früher, leider eher im Gegenteil. Das Niveau sinkt von Wahl zu Wahl. Dass es einem Stadtrat eine linke Vertretung braucht ist für mich selbstverständlich.

    Betreffend Stadttunnel sehe ich es genau wie Du: Wo sind die tollen Lösungen, welche uns damals von den Gegnern (oft aus CVP-Mitte) vorausgesagt wurden? Billiger wird es auch nicht. Vom Google-Auto wurde erzählt, dass dann den Stau vermeiden werde etc. Ja – und Du hast recht – der City-Tunnel ist nicht das Optimum – das wurde leider vom Volk versenkt und als Demokrat akzeptiere ich das auch. Jetzt müssen wir aus der entstandenen Situation das beste machen, ganz abgesehen, dass auch der öV von einer Entlastung mit Stadttunnel auch profitiert. Ueber die linke Parteipolitik im Wahljahr 2022 möchte ich mich nicht auslassen, ob man sich so einen Regierungsratssitz erkämpft bezweifle ich offen.

    Philip C. Brunner, Kantons-und Gemeiderat, SVP-Kandidat 2022

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  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 03.08.2022, 12:00 Uhr

    Für aufrechte Linke in der Stadt Zug ist es im Herbst eine unmögliche Situation. Die Opportunistin Gysel ist unwählbar und es gibt keine Auswahl, weil die ALG verzichtet und dann die CSP gezwungen hat, auf ein Kandidatur zu verzichten.
    Zitat Gysel: «Ich bin überzeugt, dass wir noch nicht alle Ideen durchdacht haben, um die Zuger Innenstadt zu beruhigen». Als die SP vor 7 Jahren aus wahltaktischem Opportunismus den Stadttunnel abgelehnt hat, tat sie das mit dem Slogan: «Wir haben die bessere Lösung». Sie haben 7 Jahre Zeit gehabt, das zu beweisen. Und? Einfach nur peinlich.
    Die Quittung dafür ist jetzt der sogenannte «Citytunnel», der keine Lösung ist, weil er im Gegensatz zum damaligen Stadfttunnel keine Anschlüsse hat und kein verkehrsfreies Stadtzentrum ermöglicht.
    Und was SP-Stadtpräsidien anbetrifft: Zürich macht grad gar keine gute Erfahrungen mit einer SP-Stadtpräsidentin.

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  • Profilfoto von Alois Iten
    Alois Iten, 02.08.2022, 22:40 Uhr

    Dann dürfen wir auch dieses Jahr wieder auf Brillentücher aus China hoffen? Oder ist es diemal ein Kugelschreiber? Links ja, aber nicht so.

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