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Kosten oft mehr als sie bringen: Privatermittler im Einsatz gegen Sozialhilfebezüger.
(Bild: Adobe Stock)Die eidgenössische Abstimmung über Versicherungsdetektive hat ein Nachspiel: Im Kanton Zug soll das Gesetz über Sozialhilfe angepasst werden, damit Detektive im Geheimen legal gegen Sozialhilfebezüger ermitteln dürfen. Doch warum sollen Detektive nicht auch bei Verdacht auf Steuerbetrug ermitteln?
Eins vorweg: Sozialdetektive waren schon früher im Kanton Zug in verschiedenen Gemeinden im Einsatz. Schon vor der Volksabstimmung über die Überwachung von Detektiven, welche die Zuger Stimmberechtigten im vergangenen November mit 74,6 Prozent Ja-Stimmen guthiessen.
60’000 Franken hatte die Stadt Zug vor einigen Jahren dafür jährlich investiert, die anberaumten Observationen verliefen aber alle im Sand.
Der Sozialdienst der Stadt Zug hat mit der Firma SoWatch eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Auch verdeckte Ermittlungen bei Anhaltspunkten für einen möglichen Sozialhilfemissbrauch sind darin enthalten. Angeheuert wurden Detektive in Einzelfällen von der Gemeinde Baar.
Versicherungsspione auf Bundesebene erlaubt
Nur war der Einsatz der Schlafzimmerspione sistiert worden, weil nach einem Befund des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) 2017 das Bundesgericht urteilte, dass für verdeckte Observationen die Gesetzesgrundlage fehlt.
Der Bund hat mittlerweile seinen Teil des Sozialversicherungsrechts angepasst – worüber kürzlich an der Urne abgestimmt worden ist. Nun ist auch der Kanton an der Reihe: Die CVP hatte bereits Ende 2017 in einer Motion angeregt, das kantonale Sozialhilfegesetz anzupassen – welches für die Gemeinden ausschlaggebend ist.
Eine ausgemachte Sache
Diese gelangt nun am Donnerstag ins Kantonsparlament. Der Zuger Regierungsrat ist dafür, die Motion für erheblich zu erklären. Und weil der Vorstoss von der grössten Partei, der CVP kommt, die SVP für vieles ist, was den Sozialhilfebezug erschwert, und auch die FDP für die Erheblicherklärung eintritt, wird die Regierung einen deutlichen Auftrag erhalten, eine Anpassung des Gesetzes auszuarbeiten.
Dennoch wird es zu Auseinandersetzungen kommen. Aus drei Gründen: Erstens wegen der Opposition im Kantonsparlament, welche in dieser Frage zwar klein ist, aber gute Argumente hat.
«Rechtsstaatlich problematisch»
Anastas Odermatt, Fraktionschef der ALG, sagt, man sei aus rechtsstaatlichen Gründen dagegen. Es sei laut Vorlage nicht vorgesehen, dass die Bewilligung zur Überwachung von einem Gericht kommt, sondern von der Exekutive. «Ein solch schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre muss für uns aber auch durch die judikative Gewalt legitimiert sein», meint Odermatt. «Alles andere ist rechtsstaatlich problematisch.»
«Wir sind entschieden gegen einen Überwachungsstaat wie er im Moment installiert wird.»
Anastas Odermatt, ALG-Fraktionschef
Ausserdem sei man aus moralischen Gründen dagegen: Man habe sich auch schon für das Referendum gegen das nationale Sozialhilfegesetz engagiert. «Wir sind entschieden gegen einen Überwachungsstaat wie er im Moment installiert wird», so Odermatt. Für die «erwiesenermassen wenigen Fälle, in denen nicht gerechtfertigt Sozialhilfe bezogen wird», sei der mögliche Eingriff in die Privatsphäre schlicht zu stark.
Auch die SP wird sich gegen Sozialdetektive aussprechen. Im Gegensatz zur Mutterpartei war sie schon bei der nationalen Abstimmung gegen Versicherungsspione gewesen und hatte dafür auch Unterschriften gesammelt.
Detektive auch gegen Steuerbetrüger?
Der zweite Grund, warum die Vorlage zu reden gibt: wegen dem Dilemma der freisinnig Gesinnten. Denn die geheime Überwachung von Privaten durch staatlich Bevollmächtigte ist eigentlich zutiefst antiliberal. Selbst wenn die FDP oder die Grünliberalen für eine Gesetzesänderung eintreten, haben sie immer ein Rechtfertigungsproblem. Rein ideologisch und philosophisch ist es kaum zu begründen.
«Das Interesse der gesamten Bevölkerung muss höher gewichtet werden als das des Einzelnen.»
Karen Umbach, FDP-Fraktionschefin
Was etwa wollen sie SP-Präsidentin Barbara Gysel entgegnen? Die hat im Zusammenhang mit den Sozialdetektiven kritisiert, wie bei Bedürftigen und bei Betuchten mit ungleichen Ellen gemessen werde. Wenn die Überwachung gesetzlich schon definiert würde, dann müsste dieses Ungleichgewicht aufgehoben werden, indem nicht nur das Sozialhilfegesetz, sondern bei Verdacht auf Steuerbetrug wohl auch das Steuergesetz überarbeitet würde. GPS-Ortung und Drohnen könnten dann auch gegen mutmassliche Steuerbetrüger eingesetzt werden.
Kurz und bündig
Die Kantonalzuger FDP löst das Problem, indem sie sich sehr, sehr kurz fasst. «Wir sind überzeugt, dass das Interesse der gesamten Bevölkerung höher gewichtet werden muss als das des Einzelnen», sagt Karen Umbach, Fraktionsvorsitzende der Freisinnigen. Die Schaffung einer rechtsstaatlich korrekten gesetzlichen Grundlage, um Missbrauch der Sozialhilfe zu verhindern, sei unabdingbar und die FDP einstimmig dafür.
Auch die Grünliberalen sind in der Klemme – immerhin war ihre Jungpartei auf nationaler Ebene noch gegen die Versicherungsspione. Ausserdem bilden sie bekanntlich mit den Christdemokraten, welche den Vorstoss lanciert haben, eine Fraktionsgemeinschaft.
«Eine Grundsatzfrage»
GLP-Kantonsrat Daniel Stadlin indes findet es jedoch keineswegs antiliberal, für Sozialdetektive zu sein. «Es ist eine Grundsatzfrage», sagt er. Bereits das Schweizer Volk habe sich ja bei den Sozialversicherungen für Sozialdetektive ausgesprochen. Um Missbrauch auch in der Sozialhilfe verhindern zu können, sei eine «ergänzende Gesetzesanpassung sinnvoll», glaubt er.
Sonst gehe dies zu Lasten der Allgemeinheit, so Stadlin. Beziehe jemand Geld, das ihm nicht zustehe, müssten andere dafür aufkommen. Das sei zutiefst unsozial. Er sieht aber auch ein Problem bei Leuten, die nicht bezahlen, was sie sollten. Detektive bei Verdacht auf Steuerbetrug einzusetzen, sei für ihn persönlich ebenso denkbar.
Einmütig gemässigt
Doch zurück zu den Sozialdetektiven im Bereich der Sozialhilfe. Dort liegt der Teufel im Detail und dies wird der dritte Grund sein, warum die Vorlage zu diskutieren gibt.
Unter den Befürwortern der Sozialdetektive besteht theoretisch Einmütigkeit, was die Umsetzung der Idee betrifft. Der Regierungsrat findet, es solle «mit Augenmass vorgegangen werden». Die rechtsstaatlichen Prinzipien seien einzuhalten, es gelte die Zuständigkeit für den Observationsentscheid verfahrenstechnisch und rechtsstaatlich korrekt zu regeln.
SVP für Verhältnismässigkeit
Keinesfalls will die Regierung Sozialhilfeempfänger «unter Generalverdacht» stellen. Und auch die CVP verwahrt sich dagegen. «Die Art und Weise der Observation soll zweckmässig und verhältnismässig sein, die Vorgaben des Datenschutzes müssen jederzeit eingehalten werden», verlautbart die Regierung.
Auch seitens der SVP, die sonst gerne für harte Lösungen eintritt, kommt dagegen kein Widerstand. «Das Verhaltnismässigkeitsprinzip einzuhalten, scheint mir vernünftig», sagt Manuel Brandenberg, der SVP-Fraktionssprecher. «Es ist ein Mittel, das sich in unserm Land bewährt hat.»
Möglich allerdings, dass die Diskussionen über Details erst später – und eventuell hauptsächlich hinter verschlossenen Türen der Kommissionen stattfinden.