Politik
IG Baarlament: Vorhaben auf Eis gelegt

Baar will weiter im Gemeindesaal entscheiden

Die Gemeindeversammlung als solches ist nicht unumstritten. Gerade bei grösseren Gemeinden stellt sich die Frage, ob das Modell nicht bald überholt ist. (Im Bild: Gemeindeversammlung Neuheim) (Bild: wia)

25'000 Einwohner, aber kein Parlament: In Baar gibts noch immer die schlecht besuchte Gemeindeversammlung. Daran konnte auch die IG Baarlament nichts ändern. Aufgegeben haben die nicht mehr so «jungen Wilden» dennoch nicht.

Mit ihrer Idee haben sie vor fünf Jahren den einen oder anderen veränderungsscheuen Baarer genervt: Die sechs Engagierten, welche die IG Baarlament ins Leben riefen.

Die IG sorgte sich um die hiesige Politik, respektive darum, wie im fast 25'000-Seelen-«Dorf» Entscheide gefällt wurden. Denn anders als die meisten anderen gleich grossen Städte gibt es in Baar noch eine Gemeindeversammlung, die über Gemeindeanliegen befindet. Bloss nehmen dort in der Regel nur gerade 1,5 Prozent der Bevölkerung teil.

Abstimmung übers neue Pfadiheim? Plötzlich sitzen da 100 Leute mehr

«Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage, ob die Beschlüsse der Gemeindeversammlung in Baar ausreichend demokratisch legitimiert sind», hiess es damals seitens der IG. Denn wird an einer Gemeindeversammlung über neue Fussballgarderoben für den FC Baar oder über ein neues Pfadiheim abgestimmt, sitzen in den Rängen plötzlich eine Menge Gesichter, die sich sonst zu diesen Anlässen kaum je blicken lassen.

Meist läuft es bei Gemeindeversammlungen so: Tangiert ein Geschäft das Interesse einer Gruppe – wie hier diejenigen der Feuerwehr – werden die Mitglieder aktiv mobilisiert, am Anlass teilzunehmen. (Bild: wia)

Die IG hegte deshalb folgenden Wunsch: Die Schaffung eines Einwohner- respektive eines Grossen Gemeinderats, wie es ihn in Zug bereits schon seit 60 Jahren gibt. Die «Baarlamentarier» reichten 2018 eine entsprechende Interpellation beim Baarer Gemeinderat ein und stiessen auf wenig Begeisterung.

Er argumentierte mitunter damit, dass mit einem Parlament jährliche Kosten im Millionenbereich entstünden. Der Gemeinderat sprach in der Gemeindeversammlungsvorlage von 6 Millionen Franken. Er berief sich dabei auf «nicht überprüfbare Aussagen von Finanzverantwortlichen anderer Gemeinden mit einem Parlament».

Zari Dzaferi – damals noch nicht Gemeinderat – kritisierte im Rahmen ebendieser Gemeindeversammlung, dass der GGR in Zug gerade mal 325'000 Franken pro Jahr koste, der Kantonsrat 770'000 Franken (zentralplus berichtete).

Die Interpellantinnen fühlten sich durch die Antwort nicht besonders ernstgenommen. Sie sprachen von einer einseitigen Darstellung bei der Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen sowie von undurchsichtigen Spekulationen über die indirekten Kosten eines solchen Parlaments. Die IG beschloss daher, am Ball zu bleiben.

Ziel war eine Urnenabstimmung

Seit 2018 wurde der Gemeinderat zweimal neu gewählt. Und die Gemeinde Baar ist weiter gewachsen. Die Idee der IG Baarlament jedoch scheint eingeschlafen zu sein. Wir fragen bei Samuel Imfeld, einem der Initianten, nach den Gründen: «Tatsächlich haben wir nach der Antwort des Gemeinderats auf die Interpellation Pläne geschmiedet, wie es weitergehen könnte.» Und weiter: «Es ist naheliegend, dass das Anliegen bei der Gemeindeversammlung nicht gut angekommen wäre. Die Versammlung will sich ja nicht selber abschaffen.» Auch um den Diskurs grösser anzulegen, sei es eher Ziel der IG gewesen, eine Urnenabstimmung zu erreichen.

«Ich persönlich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Parlament der richtige Schritt wäre.»

Samuel Imfeld, IG Baarlament

«Dazu kam es jedoch nie. Corona kam dazwischen, ausserdem zerstreuten sich die Mitglieder der IG in dieser Zeit aus beruflichen und privaten Gründen in alle Himmelsrichtungen», sagt Imfeld. Auch er lebt mittlerweile in Bern.

«Ich persönlich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Parlament der richtige Schritt wäre. Auch wenn man sieht, dass das Wachstum der Gemeinde weiter voranschreitet», so der gebürtige Baarer. Imfeld abschliessend: «Zwar ist das Thema derzeit auf Eis gelegt, doch würde ich es noch nicht ganz abschreiben.»

Das Gemeindeparlament ist nicht ganz aus dem Fokus verschwunden

Isabel Liniger sitzt seit mittlerweile über vier Jahren für die SP im Kantonsrat, ist also noch mittendrin in der Lokalpolitik. Sie erklärt auf Anfrage: «Meine Haltung zum Thema hat sich nicht geändert. Tatsächlich bin ich seither noch mehr bestärkt darin, dass das Parlament in der Gemeinde Baar die Zukunft sein wird.» Natürlich könne mittels direktdemokratischer Instrumente weiterhin ein unmittelbarer Einfluss der Baarer Stimmbevölkerung sichergestellt werden.

Sie ergänzt: «Das Thema eines Gemeindeparlaments wird sicher wieder aufgenommen, da haben auch bereits Gespräche stattgefunden. Es ist aber klar, dass es sich um einen Prozess handelt und die Sache deshalb Zeit braucht», so Liniger.

Exekutive plant, sich mit der Frage auseinanderzusetzen

Wie sieht es in der Baarer Exekutive aus? Ist das Gemeindeparlament dort auf der Liste der zu behandelnden Themen? Auf Anfrage sagt Gemeindepräsident Walter Lipp: «Die Frage, ob Baar ein Parlament einführen soll, war seit der Interpellation der IG Baarlament kein offiziell traktandiertes Thema mehr. Der Gemeinderat hat sich aber immer wieder informell über die Einführung eines Parlaments ausgetauscht. Er wird sich auch in dieser Legislatur mit der Frage auseinandersetzen.»

Auf die Frage nach den Kosten eines solchen Parlaments angesprochen, sagt der Gemeindepräsident: «Die Einführung eines Parlaments führt zu einem Verwaltungsausbau. Ein Parlament tagt öfter als eine Gemeindeversammlung. Es kommt zu weit mehr politischen Vorstössen, die behandelt werden müssen. Das führt unweigerlich zu einem höheren personellen Aufwand.» Dies war in den 2018 von Dzaferi genannten Kosten für den GGR- und den Kantonsratsbetrieb nicht eingerechnet.

Auch in anderen Schweizer Gemeinden ist die Systemumstellung aktuell

Die Diskussion um ein Gemeindeparlament findet aktuell in mehreren Schweizer Gemeinden statt. In Rapperswil-Jona, der grössten Schweizer Gemeinde ohne Stadtparlament, wird am kommenden Sonntag über ein Parlament abgestimmt. Der Stadtpräsident, der noch vor acht Jahren gegen das Anliegen war, ist heute dafür. In der Luzerner Gemeinde Sursee wurde kürzlich eine Initiative für ein Stadtparlament lanciert. Dieses wird von SVP, FDP, Grünen sowie GLP unterstützt (zentralplus berichtete).

Klar ist: Die Gemeinde Baar wächst unablässig. Im März dieses Jahres hat die Ortschaft die 25'000er-Marke geknackt (zentralplus berichtete). Mittelfristig sollen im Unterfeld sowie bei der Spinnerei Hunderte von Wohnungen entstehen, 30'000 Personen könnten bis 2040 in der Gemeinde leben. Es dürfte also immer schwieriger zu legitimieren sein, warum ein mittelgrosser Saal voller Leute über die gesamte Bevölkerung entscheiden soll.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Samuel Imfeld
  • Schriftlicher Austausch mit Isabel Liniger
  • Schriftliche Anfrage bei Walter Lipp
  • Bericht SRF
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