Demnächst kommt in Cham der Kredit für das autoarme Zentrum Cham vors Volk. Ein ehemaliger Chamer Verkehrspolitiker sieht Falschinformationen in den Abstimmungsunterlagen.
Knapp 24 Millionen Franken – über diesen Kredit stimmen am 24. November die Chamer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ab. Die Gemeinde will damit das Zentrum aufwerten und autoarm gestalten. Es ist eine Begleitmassnahme zu der kantonalen Umfahrungsstrasse Cham–Hünenberg, die derzeit gebaut wird (zentralplus berichtete).
Vor Kurzem flatterten die Abstimmungsunterlagen in die Briefkästen. Auch in jenen von Alt-Kantonsrat Rainer Suter von der SVP. Er glaubt, dass die Gemeinde einen Fehler gemacht hat. Konkret geht es um die jährlichen Nachfolgekosten nach dem Umbau des Zentrums. In den Unterlagen steht dort: «Betriebskosten: 0 Franken» und «voraussichtlich gleichbleibender Aufwand im Unterhalt».
«Nicht nachvollziehbar und einfach nur falsch»
«Das kann nicht stimmen», sagt Suter am Telefon gegenüber zentralplus. Die Gemeinde übernehme alle Strassenabschnitte innerhalb des Perimeters des autoarmen Zentrums vom Kanton. Damit ist sie künftig für den Unterhalt zuständig. Das würde steigende Kosten bedingen, findet Suter. «Reinigung, Schneeräumung, allgemeine Unterhaltsarbeiten», listet er auf. Zudem würden zusätzlich 50 Bäume gepflanzt, welche gepflegt werden müssten. «Wie man hier die Aussage ‹voraussichtlich gleichbleibender Aufwand› machen kann, ist nicht nachvollziehbar und einfach nur falsch», so Suter.
Der ehemalige SVP-Kantonsrat weiss, wovon er spricht. Er war jahrelang Mitglied der Chamer Verkehrskommission und hat das Projekt «Autoarmes Zentrum» von Anfang an begleitet. Geht es ihm nun darum, das Projekt zu verhindern? Mitnichten. «Etwas machen muss man. Es ist nicht das Gelbe vom Ei. Den Verkehr auf die Umfahrungsstrasse zu bringen, ist sinnvoll. Leider verschwanden nach meiner Zeit in der Verkehrskommission die Busbuchten, und die Strassenbreite wurde verkleinert, was sich beim Mischverkehr sehr negativ äussert.» So hätte er in der Kommission dem Projekt zwar nie zugestimmt, er sei aber ebenfalls der Meinung, dass es Veränderungen brauche.
Mehr Raum für Fussgänger und mehr Grün
Das Projekt sieht Tempo 30 sowie ein Durchfahrtsverbot vor, falls die Aufenthaltsdauer im Zentrum 10 Minuten unterschreitet. Heisst: Automobilisten, die das Zentrum durchqueren, ohne dort länger als 10 Minuten zu verweilen, werden gebüsst. Das Verkehrsregime ist bereits gesetzt. Parallel dazu soll das Zentrum aufgewertet werden, etwa mit mehr Grünflächen.
Die Gemeinde will, dass viele Anspruchsgruppen durch die Umgestaltung einen Nutzen erhalten. So etwa sollen Fussgängerinnen deutlich mehr Raum bekommen als bisher. Im Zuge dessen wird die Fahrbahnbreite reduziert. Dies wird optisch untermalt durch breite Betonbänder beidseitig der Fahrbahn. Daneben sollen sich Grünflächen, Bäume und entsiegelte Parkplätze abwechseln. Hier wird das Prinzip einer Schwammstadt – eine Bauweise, bei der die Böden Regenwasser aufnehmen, speichern und an Pflanzen abgeben – für ein optimiertes Stadtklima sorgen. Gemäss Vorlage soll es künftig gleich viele Parkplätze geben wie heute. Daneben sind zusätzliche Veloabstellplätze geplant. Um diese Umgestaltung geht es nun auch bei der Abstimmung (zentralplus berichtete).
Gemeinde dementiert und erklärt
Dass der Gemeinde in den Unterlagen dazu ein Fehler unterlaufen sei, verneint Marcel Iten, Chamer Bereichsleiter Verkehr und Tiefbau. Dass die künftigen Betriebskosten für die Strasse im Kredit, der zur Abstimmung kommt, mit 0 Franken veranschlagt sind, erklärt er auf Anfrage damit, dass diese Kosten schlicht nichts mit der Gestaltung des Zentrums zu tun haben.
Voraussichtlich werde die Gemeinde Cham die Strasse, die durch die Gemeinde führt, 2027 – zeitgleich mit der Inbetriebnahme der Umfahrungsstrasse Cham–Hünenberg – vom Kanton übernehmen. «Die Übernahme dieser Strassen erfolgt unabhängig vom gemeindlichen Gestaltungsprojekt und hat einzig mit dem kantonalen Projekt der Umfahrungsstrasse zu tun», schreibt Iten. Heisst: Die Gemeinde übernimmt die Strasse, auch wenn der Planungskredit für die Zentrumsgestaltung an der Urne scheitert.
Die Kosten seien daher in der Unterhaltsplanung der Gemeinde berücksichtigt. «Im Gestaltungsprojekt, für welches der Kredit nun geholt wird, ergeben sich somit keine zusätzlichen Kosten», so Iten.
Er betont weiter, dass sich mit der Einführung des Schwammstadtprinzips, wie es im Chamer Zentrum geplant ist, Verbesserungen im Unterhalt ergeben würden. So reduziere sich der Aufwand beim Tränken der geplanten Bepflanzung, und das Kanalsystem werde entlastet. Dies senke die Kosten für den Unterhalt.
Alt-Kantonsrat bleibt überzeugt: Kosten steigen
Suter ist dennoch skeptisch. «Der Unterhalt der Bäume zumindest wird ganz sicher für zusätzliche Kosten sorgen», glaubt er. Dass der Unterhalt der Strasse alleine nicht zwingend im Planungskredit enthalten sein muss, könne er einigermassen nachvollziehen. «Betriebskosten gleich 0 stimmt aber ganz sicher nicht.»
An der Ausgangslage dürfte dies wenig ändern. Die Gemeinde Cham sieht keinen Anlass, die Abstimmungsunterlagen anzupassen. Was das Stimmvolk dann zum neuen Dorfzentrum sagt, zeigt sich am 24. November.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.