Luzerner Jungparteien sehen kaum Handlungsbedarf

Ausgerechnet die Jungen bremsen beim E-Voting

Gehört das Auszählen der Stimmen bald der Vergangenheit an? Die Luzerner Jungparteien sehen diesbezüglich jedenfalls keine Eile.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Bund und Kantone wollen beim E-Voting vorwärtsmachen. Doch ausgerechnet bei den Luzerner Jungparteien scheint das Feuer für das Abstimmen im Internet (noch) nicht entfacht zu sein, wie eine Umfrage zeigt.

Das Thema E-Voting hat den Charakter eines schlafenden Riesen. Bund und Kantone arbeiten bereits seit 2004 intensiv an der flächendeckenden Einführung der elektronischen Stimmabgabe, aber das Thema war bisher im öffentlichen Diskurs kaum präsent.

Nun macht es den Anschein, als würde der Riese langsam aber sicher erwachen. Eine grosse Debatte steht wohl kurz bevor. Denn bisher haben 14 Kantone die Technologie getestet und elektronische Abstimmungen durchgeführt. Der Bund hat die Testphase abgeschlossen und macht sich an die Ausarbeitung der notwendigen gesetzlichen Grundlage für die flächendeckende Einführung.

Es formiert sich Widerstand

In der vordersten Reihe der Gegner des E-Votings steht der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter. Der IT-Unternehmer aus Eich hat im September im Nationalrat eine parlamentarische Initiative eingereicht, die ein Moratorium für die Einführung von E-Voting verlangt – so lange, bis sämtliche Risiken beseitigt sind und die Technologie einwandfrei funktioniert.

Anfang November hat Grüter seine Sicht der Dinge in Luzern in einem öffentlichen Referat dargelegt. Nun springt die Junge CVP der Stadt auf den Zug auf und will in Luzern die Diskussion lancieren (siehe Box).

«Ich sehe beim E-Voting keine grossen Vorteile gegenüber der Briefwahl.»

Lukas Schumacher, Vizepräsident Juso Luzern

Dass gerade eine Jungpartei die Initiative ergreift, hat Symbolcharakter. Die Jungen werden diejenigen sein, die in ferner Zukunft vom E-Voting Gebrauch machen werden.

Podium zu E-Voting

Die Junge CVP der Stadt Luzern führt am Donnerstag, 30. November, ein Podium zum Thema «E-Voting, chömmer das ändlech ha?» durch. Die Diskussionsrunde ist öffentlich und findet ab 19.30 Uhr im Herrenkeller an der Pfistergasse 24/26 in Luzern statt. Anschliessend lädt die Partei zum Apéro ein.

Es diskutieren:

- Franz Grüter (Nationalrat SVP Luzern)

- Roger Mattmann (Informationssicherheitsbeauftragter/CISO)

- Kathrin Graber (Leiterin Abteilung Gemeinden Kanton Luzern)

- Renato Gunc (Präsident Verein eGov-Schweiz)

«Wir denken, dass man so durchaus mehr Junge Leute zum Abstimmen bewegen kann. Insgesamt erhoffen wir uns sicher eine höhere Stimmbeteiligung», sagt Karin Stadelmann, Präsidentin der JCVP Stadt Luzern. Aber auch Leute im fortgeschrittenen Alter würden E-Voting begrüssen. Das höre sie in ihrem Umfeld immer wieder.

Vorteile wiegen Gefahren (noch) nicht auf

Doch die Luzerner Jungparteien sind alles andere als euphorisch. «Ich habe mit Informatikern innerhalb der Partei gesprochen», sagt Lukas Schumacher, Vizepräsident der Juso. «Die potenziellen Probleme scheinen heute noch nicht vollständig gelöst.» Denn die Sicherheitsstandards müssten eigentlich so hoch sein wie beim E-Banking.

Schumacher glaubt beim E-Voting generell nicht an einen Quantensprung. «Ich sehe beim Online-Abstimmen keine grossen Vorteile gegenüber der Briefwahl», sagt er. Auch werde die Stimmbeteiligung wohl nicht höher sein als jetzt.

«Der Aufwand des Abstimmens ist verglichen mit dem Studieren der Unterlagen sehr gering», führt er aus. Online-Wahlhilfen wie «smart vote» brächten daher einen viel grösseren Nutzen.

Zentrale Server sind problematisch

Auch Ramon Bisang, Präsident der Jungfreisinnigen, sieht die Probleme ähnlich gelagert. Ihm ist die Zentralisierung der Server beim Bund ein Dorn im Auge. So könnten Manipulationen in grossem Stil vorgenommen werden, moniert er.

«Der Wahlkampf in den USA hat viele wachgerüttelt.»

Ramon Bisang, Präsident Jungfreisinnige Kanton Luzern

«Wenn die Stimmcouverts in einer Gemeinde geklaut würden, hätte dies kaum einen Einfluss auf das nationale oder kantonale Gesamtergebnis. Was ein Angriff auf einen zentralen Server auslösen könnte, will man sich indes nicht vorstellen», so Bisang.

«Natürlich ist es toll, wenn wir einen zusätzlichen Stimmkanal hätten. Solange die Sicherheit beim E-Voting aber noch nicht gewährleistet ist, reicht die Briefwahl völlig aus», sagt Ramon Bisang. Da die Leute heute aber sehr mobil sind und der Faktor Zeit immer wichtiger wird, sei die Einführung des E-Votings sicher sinnvoll.

«Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, wenn Hinz und Kunz über E-Voting diskutieren.»

Jona Studhalter, Co-Präsident Junge Grüne Luzern

Das zeitliche Argument lässt Ramon Bisang indes nur bedingt gelten. «Die Leute haben mindestens drei Wochen Zeit, um das Couvert einzuwerfen», sagt er. Zu sagen, man hätte keine Zeit gehabt, sei eine schlechte Ausrede. Dass das elektronische Abstimmen mehr Leute an die Urne locken kann, unterschreibt er zwar, auch wenn die Stimmbeteiligung wohl nur leicht steigen würde.

Nichts überstürzen

Auch Karin Stadelmann, Präsidentin der städtischen JCVP, ist überzeugt, dass der Faktor Zeit für die Teilnahme an Abstimmungen heute sehr wichtig ist. «Die Hürde für die Teilnahme würde tiefer», sagt sie. Auch würde das Abstimmen allenfalls verständlicher und die Leute würden weniger Fehler begehen.

Durch neueste Innovationen könnte man mittelfristig aber wohl einige Schwierigkeiten und Gefahren beheben, ist sie überzeugt. Auch sei die E-Voting-Technologie bisher in 14 Kantonen getestet worden, weshalb man durchaus zuversichtlich sein könne. Überstürzen dürfe man allerdings sicher nichts.

Sehen keinen raschen Bedarf für das E-Voting: Jona Studhalter (Co-Präsident Junge Grüne Luzern, links) und Ramon Bisang (Jungfreisinnige Luzern).

Sehen keinen raschen Bedarf für das E-Voting: Jona Studhalter (Co-Präsident Junge Grüne Luzern, links) und Ramon Bisang (Jungfreisinnige Luzern).

(Bild: Junge Grüne Luzern, Präsident Jungfreisinnige Luzern)

Zudem würden einige Leute heute nicht mehr verstehen, wieso es zum Beispiel «smart vote», aber keinen elektronischen Stimmkanal gibt. «Wieso nicht gleich alles am PC machen?», fragt Stadelmann. Denn wenn alles digitalisiert wird, müsse man folgerichtig auch über E-Voting diskutieren.

Unnötige Diskussion

Jona Studhalter, Präsident der jungen Grünen, findet die Diskussion über E-Voting allerdings sogar gänzlich überflüssig. «Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, wenn Hinz und Kunz über E-Voting diskutieren», sagt er. Denn über die technischen Aspekte wisse letztlich ausser den Experten sowieso niemand wirklich Bescheid. Auf das bevorstehende politische Hick-Hack, wie er es nennt, könne er denn auch gut und gerne verzichten.

Wie bei allen administrativen Abläufen müssten letztlich die Leute entscheiden, die sich mit der Materie auskennen. «Wenn es sicher ist, soll es kommen. Wenn nicht, lassen wir es halt sein», so Studhalter lapidar. Auch wenn es natürlich zeitgemäss wäre und Vorteile bieten würde. 

«Die Einführung der Briefwahl hat die Stimmbeteiligung auch nicht erhöht.»

Christian Huber, Präsident Junge SVP Luzern

Wichtiger sei es, dass man zuerst über das Ausländerstimmrecht und das Stimmrechtsalter 0 diskutiere. «Wer mehr Menschen in die demokratischen Entscheidungsprozesse miteinbeziehen will, der soll entsprechende Massnahmen ergreifen und nicht an neuen Stimmkanälen rumtüfteln», lässt er sich zitieren.

Gefahr kommt von innen

Deutlich äussert sich auch Christian Huber, Präsident der Jungen SVP. «E-Voting braucht es nicht. Die Stimmbeteiligung wird dadurch nicht steigen», ist er überzeugt. Man hätte sich bei der Einführung der Briefwahl das Gleiche erhofft, eingetreten sei es aber nie wirklich.

«Die Diskussion muss sich nicht um das Ob, sondern um das Wie drehen.»

Karin Stadelmann, Präsidentin JCVP Stadt Luzern

Besonders stört er sich daran, dass versucht werde, die Internetabstimmung quasi durch die Hintertür einzuführen. «Ich finde dieses Vorgehen aus demokratiepolitischer Sicht problematisch», so Huber. Das Volk werde wohl kaum in die Diskussion miteinbezogen, moniert er. Eine Volksabstimmung erachtet Huber indes als zwingend.

Auch Christian Huber findet das Abstimmen im Internet nicht einfacher als auf dem Papier. Weiter schätzt er das E-Voting als gefährlich ein, da die Gefahr hauptsächlich von innen komme. «Edward Snowden war auch ein Insider», sagt er. Jemand von ausserhalb der NSA hätte wohl kaum im selben Stil Enthüllungen machen können. Der Zugriff von aussen auf die Server sei wahrscheinlich nicht so einfach.

«Jeder Mensch ist wohl ab einer gewissen Summe käuflich», ist er überzeugt. Wer internen Zugang zu den Servern hat, könnte folglich entsprechend Schaden anrichten, erklärt er seine Bedenken. Denn eine gegenseitige Kontrolle wie im Urnenbüro gebe es nicht mehr.

Einführung eine Frage der Zeit

Ausser bei der JCVP will man bei den Jungparteien bisher kaum bis keine Forderungen von Wählern, Mitgliedern oder anderen Personen bezüglich der Einführung des E-Voting gehört haben. Das Online-Abstimmen scheint bei den Jungen also bislang keine Priorität zu haben. Innerhalb der SVP sind es gemäss Christian Huber eher die Älteren als die Jungen, die E-Voting begrüssen würden. Ob sich das in naher Zukunft ändern wird?

Einig sind sich die Jungparteien jedenfalls in einem Punkt: dass E-Voting in 20 Jahren wohl ein etablierter Kanal zur Stimmabgabe sein wird. Die JCVP und die Jungfreisinnigen gehen sogar davon aus, dass die Mehrheit der Leute online abstimmen werde.

Sind sich nicht ganz einig, wie wichtig E-Voting in Zukunft sein wird: Lukas Schumacher (Vizepräsident Juso, links) und Karin Stadelmann (Präsidentin JCVP Stadt Luzern).

Sind sich nicht ganz einig, wie wichtig E-Voting in Zukunft sein wird: Lukas Schumacher (Vizepräsident Juso, links) und Karin Stadelmann (Präsidentin JCVP Stadt Luzern).

(Bild: SP Luzern, JCVP Luzern)

«Die Diskussion muss sich nicht um das Ob, sondern um das Wie drehen», sagt folglich JCVP-Präsidentin Karin Stadelmann. Sie würde es jedenfalls begrüssen, wenn in 20 Jahren hauptsächlich im Internet abgestimmt würde.

Ganz so weit auf die Äste will sich Juso-Vize Schumacher nicht herauslassen. «Ich denke nicht, dass mehr als die Hälfte der Leute gleich zu Beginn auf E-Voting umsteigt», blickt er voraus.

Auch wenn die Jungparteien das Potenzial und die Vorteile des Online-Abstimmens erkennen, macht es nicht den Anschein, dass sie dies möglichst schnell etabliert sehen wollen. Man werde in nächster Zeit wohl kaum Druck auf die Politik ausüben, um E-Voting möglichst rasch einzuführen, sagen sie unisono.

Es gelte auf jeden Fall «safety first», sagen die angefragten Jungparteien.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Libero
    Libero, 01.12.2017, 12:25 Uhr

    Erfreulich und mutig sind die öffentlich geäusserten Bedenken von Jungen Politikern, die vom IT-Geschäft etwas verstehen. In der Stadt Luzern noch ein Bruchteil eines Promilles ihre Stimme an der Urne ab. Von den über 50’000 Berechtigten erfüllen jeweils 20-30 Tausend ihre Bürgerpflicht in der Stadt brieflich. Dank der brieflichen Stimmabgabe und optimaler Organisation konnte der Personalaufwand massiv reduzieren werden. Die grösste Arbeit sind die Kontrollen und das Anonymisieren und später in einem zweiten Schritt das Auspacken der abgegebenen Stimmkuverts.
    Jetzt kann man sich fragen, warum die Schweiz eigentlich E-Voting braucht? Es gibt keine Anzeichen, dass das heutige System nicht funktioniert. Auch die Befürworter geben zu, dass damit keine höheren Stimmbeteiligungen zu erwarten sind. Bund und Kantone haben eher bescheidene Ziele mit dem E-Voting: eine Investition für die Stimmberechtigten; keine ungültigen Stimmern mehr; Ergebnisse werden früher bekannt; Behinderte und Auslandschweizer sind nicht mehr benachteiligt. Das sind Probleme, die sich zum grossen Teil organisatorisch lösen lassen.
    Bei den leeren Kasse des Kantons Luzern wäre der Verzicht auf E-Voting ein echter Gewinn. Bekanntlich stehen mit der Einführung von E-Voting neuen Kantone vor einem Scherbenhaufen, weil vom Bund die Zulassung verweigert wurde.
    Auch heute gibt es Unregelmässigkeiten und Pannen. Das System mit den Auszählbüros in den Gemeinden ist eindeutig weniger anfällig als ein zentrales Onlin-Monster. Nur noch wenige Experten hätten den Einblick und die Verantwortung in das Ergebnis. Lohnt sich dieser riesige finanzielle Aufwand für eine Prestige-E-Urne? Warum wird das unnötig das Risiko mit dem Vertrauen in die demokratischen Abläufe eingegangen? Mit E-Voting schaffen wir ohne Not eine „Drei Klassengesellschaft“, die keinem etwas bringt ausser enormen Kosten, unberechenbare Risiken und allenfalls Vertrauensverlust.

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