Mutig bis fragwürdig: Glencore-Chefin polarisiert

«Auf jeden Fall wird die Nationalfeier in Baar interessant und spannend»

Sehr stilvoll: Das Schweizer Kreuz aus roten und weissen Rosen bei der 1.-August-Feier in Baar 2017.

(Bild: zvg)

Dass Baar als 1.-August-Rednerin die Personalleiterin von Glencore aufgeboten hat, überrascht. Die Wahl gefällt nicht allen, wie eine Umfrage von zentralplus unter Baarer Politikern zeigt. Andere wiederum finden den Entscheid mutig und richtig.

«Dass eine Vertreterin einer privaten Firma am 1. August als Rednerin auftreten darf, finde ich gar nicht gut», sagt Anna Lustenberger.

Die 64-jährige Grün-Alternative aus Baar, die knapp 15 Jahre Kantonsrätin war und sich auch in der katholischen Kirche engagiert, stellt die Nomination der Glencore-Personalleiterin infrage. Nicht nur, weil dadurch indirekt für eine Firma Werbung gemacht werde. Sondern, weil es sich auch nicht um eine Schweizer Firma handle.

«Hinzu kommt, dass es sich im Fall von Glencore nach wie vor um eine zweifelhafte Firma dreht, die versucht, ihren Namen schönzureden», so Lustenberger. Die Anstrengungen von Glencore, sich als soziale Firma zu präsentieren, indem sie sich in der Dritten Welt für die Bewohner der Länder einsetze, in denen sie Rohstoffe schürfe, seien nicht zu übersehen. «Dabei macht das Glencore nur auf Druck von aussen. Letzten Endes sind das nur Almosen.»

«Andreas Hotz hat ja als Gemeindepräsident nichts zu verlieren – es ist seine letzte Amtszeit.»

Anna Lustenberger, ehemalige ALG-Kantonsrätin

Das Argument von Gemeindepräsident Andreas Hotz, dass es bei der Rede der Glencore-Personalleiterin gar nicht um die Firma selbst gehe – sondern darum, dass sich die Personalleiterin des Konzerns für die Lehrlingsausbildung starkmache –, findet Lustenberger ebenfalls fragwürdig (zentralplus berichtete).

«Wenn dieses Thema angesprochen werden soll, hätte man ja auch eine neutrale Person vom Kanton Zug dazu einladen können oder jemanden von der Berufsberatung. Aber Andreas Hotz hat ja als Gemeindepräsident nichts zu verlieren – es ist seine letzte Amtszeit.»

«Mutiger Schritt der Gemeinde»

Am 1. August feiert die Schweiz sich selbst. Isst und trinkt zusammen. Singt die Nationalhymne und hört sich Reden an – die auch durchaus kritisch sein dürfen. Die an den Gemeinsinn appellieren. Passt es da, im ansonsten so aufs dörfliche Image bedachten Baar eine Vertreterin des internationalen Rohstoffgiganten Glencore als Rednerin zu bestimmen?

«Ich würde es mir nie anmassen, einen linken, provokanten Politiker als 1.-August-Redner infrage zu stellen.»

Heini Schmid, Präsident der CVP Baar

Heini Schmid, Präsident der CVP Baar, hat gar keine Probleme damit. Im Gegenteil. Er findet es sogar einen «mutigen Schritt» der Gemeinde Baar, jemanden zu engagieren vom Glencore-Konzern, der in der öffentlichen politischen Diskussion stehe und über den kontrovers gesprochen werde. «Ich würde es mir handkehrum nie anmassen, einen linken, provokanten Politiker als 1.-August-Redner infrage zu stellen.» Die Frage ist, wann der letzte linke, provokante Redner je in Baar aufgetreten ist.

Die Sache mit dem C im Parteinamen

Hat Heini Schmid, der als Präsident der CVP Baar auch das christliche C im Namen seiner Partei mitträgt, keine ethischen Skrupel gegenüber Praktiken internationaler Rohstoffhändler?

«Nein, ich habe keine Skrupel. Es ist ja an den Ländern, wo die Rohstoffe geschürft werden, darauf zu achten, dass verantwortlich gehandelt wird und die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden», ist der Baarer Rechtsanwalt überzeugt. Die Aufgabe der Schweiz sei es, darauf zu achten, dass einheimische Firmen sich korrekt an die Gesetze halten würden. Und wie steht’s da mit Glencore? Verhält sich diese Firma korrekt? Schmid: «Das kann ich schlichtweg nicht beurteilen.»

«Letztendlich ist die Auswahl des Redners aber Sache des Gemeinderats. Wer weiss, vielleicht kann ich beim nächsten Mal mitentscheiden.»

Zari Dzaferi, SP-Gemeinderatskandidat, Baar

Überraschenderweise findet auch die Baarer SP nichts Verwerfliches daran, dass eine Glencore-Vertreterin am 1. August als Rednerin auftritt.

 

Letztes Jahr war Charly Keiser von der «Zuger Zeitung» der 1. August-Redner in Baar.

Letztes Jahr war Charly Keiser von der «Zuger Zeitung» der 1.-August-Redner in Baar.

(Bild: zvg)

«Ich finde es wichtig, dass die 1.-August-Reden breit gefächert sind. So entsteht auch Abwechslung und dies macht solche Feierlichkeiten attraktiv. Dass in diesem Jahr eine Person aus der Wirtschaft spricht, ist an und für sich nicht verkehrt», sagt SP-Gemeinderatskandidat Zari Dzaferi.

«Charmeoffensive» von Glencore

Man hätte aus seiner Sicht allerdings auch eine Firma berücksichtigen können, die nicht eine derart breite «Charmeoffensive» starten musste, um ihr Image in der Gesellschaft zu verbessern – sondern ein positives Image aufgrund ihres wirtschaftlichen Handelns hat. Dzaferi: «Beispielsweise ein Zuger Unternehmen, das nach höchsten ethischen und moralischen Grundsätzen wirtschaftet – einerseits für die eigenen Angestellten und andererseits für die Gesellschaft.»

Letztendlich sei die Auswahl der Rednerin oder des Redners für den 1. August aber Sache des Gemeinderats. Dzaferi: «Wer weiss, vielleicht kann ich beim nächsten Mal mitentscheiden.»

«Für einen Grossteil der Bevölkerung ist Glencore immer noch eine Unbekannte in der Gemeinde Baar.»

Michael Arnold, FDP Baar

Michael Arnold von der Baarer FDP findet die Glencore-Rednerin grundsätzlich eine gute Idee. Nicht zuletzt, um den Rohstoffkonzern mit Sitz im Baarer Ortsteil Inwil besser kennenzulernen. «Denn für einen Grossteil der Bevölkerung ist Glencore ja immer noch eine Unbekannte in der Gemeinde Baar.»

Arnold: Glencore unterstützt vermehrt Anlässe und Vereine

Frau Schwindt werde sicher eine interessante Rede halten und damit einen weiteren Anbindungspunkt für die Bevölkerung zu Glencore schaffen. Glencore hat dies laut Arnold übrigens in den letzten Jahren vermehrt gemacht und sei als Unterstützerin verschiedener Anlässe und Vereine aufgetreten.

Zudem seien Frau Schwindt und die Glencore «politisch sehr neutral und zurückhaltend unterwegs» und würden mit keiner Partei assoziiert. Arnold: «Dies ist nicht bei jeder Person oder jeder Unternehmung so. Umso wichtiger ist es, dass sich die Gemeinde in einem Wahljahr politisch neutral verhält und keine Plattformen bietet für politische Parteien an solchen Anlässen.»

Und was ist mit der Praxis und dem umstrittenen Image von Glencore als Rohstoffhändler? Arnold: «Vielleicht ist es eben genau darum statthaft, dass man eine Vertreterin dieser Unternehmung zu Wort kommen lässt und ihr die Plattform bietet, sich der Bevölkerung zu zeigen. Auf jeden Fall wird die 1.-August-Feier in Baar interessant und spannend werden.»

Vielleicht sogar so spannend, dass irgendwelche Autonomen nach Baar anreisen und demonstrieren? Man will es nicht hoffen.

«Jegliche Vorverurteilung von Gerda Schwindt als Gastrednerin, nur weil diese bei Glencore arbeitet, liegt der SVP Baar fern.»

Michael Riboni, SVP Baar

Einfach zur Kenntnis nimmt Michael Riboni, Mediensprecher der Baarer SVP, die Nomination für die Rednerin zum 1. August der Gemeinde Baar.

«Jegliche Vorverurteilung von Gerda Schwindt als Gastrednerin, nur weil diese bei Glencore arbeitet, liegt der SVP Baar fern.» Die Meinungsfreiheit sei einer der wichtigsten Grundpfeiler der Eidgenossenschaft. Riboni ist auch überzeugt, dass es an einer 1.-August-Feier Platz für Redner jeglicher politischer Couleur und Wirtschaftszweige haben soll. «Der Vorstand der SVP Baar freut sich auf eine gelungene Feier, bei hoffentlich prächtigem Baarer Festwetter

«Die Gemeinde Baar hat Frau Gerda Schwindt direkt angefragt»

Wie ist die Nomination der Glencore-Personalleiterin Gerda Schwindt als 1.-August-Rednerin für die Gemeinde Baar eigentlich zustande gekommen? zentralplus fragte nach bei Glencore-Mediensprecherin Sarah Antenore.

«Die Gemeinde Baar ist auf uns zugekommen beziehungsweise hat unsere Personalleiterin Gerda Schwindt direkt angefragt», sagt Antenore. Frau Schwindt habe sich darüber sehr gefreut und gerne zugesagt.

Apropos. Was in der Rede der Personalleiterin dann gesagt wird, steht noch nicht fest. «Der Inhalt der Rede ist noch in Arbeit», so Antenore.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 07.07.2018, 14:55 Uhr

    «Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben.» (Karl Marx). Dieser Weisheit folgend habe ich mich in meinem erwachsenen Leben den 1. August-Feiern stets ferngehalten und stattdessen Veranstaltungen im Geiste des Internationalismus besucht.

    Deshalb habe ich nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Kadermitglied der Glencore die Ansprache zum 1. August hält. Ich würde sogar vorschlagen, dass jedes Jahr ein Vertreter eines globalen Konzerns die Ansprache zum Nationalfeiertag hält. Dies würde die Machtverhältnisse in der Manteldemokratie Schweiz besser zum Ausdruck bringen als irgendein devoter Politkaspar.

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