Trotz AKW-Beteiligungen für die Energiewende

Atomkraft ade – Luzerner und Zuger Stromfirmen auf Kuschelkurs

Die Stadtluzerner haben den Ausstieg aus der Kernenergie schon beschlossen. Das EWL ist deswegen auch für das neue Energiegesetz.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Vor einem halben Jahr haben sie noch massiv gegen die Atomausstiegsinitiative geweibelt. Bei der Abstimmung zum Energiegesetz sind die Stromfirmen nun plötzlich für den Ausstieg aus der Kernenergie oder bleiben auffällig stumm. Wo bleibt da plötzlich die AKW-Begeisterung? zentralplus hat sich im Raum Luzern und Zug umgehört.

Man kann das Leben auch leicht nehmen, und sich um die Frage foutieren, ob die Energiesicherheit in der Schweiz mit dem neuen Energiegesetz und dem langsamen Ausstieg aus der Kernenergie gewährleistet ist – selbst als Energieversorger. Wie zum Beispiel das West Steinhausen, eine Art gallisches Dorf der Energieunternehmen (siehe Kasten). Der kleine Gemeindebetrieb besteht seit über 100 Jahren und weigert sich hartnäckig, sich einem Grossen der Branche anzuschliessen – und will auch zur bevorstehenden Abstimmung nicht Stellung nehmen.

Der Betriebsleiter verweist auf die Exekutive der 10’000-Seelen-Gemeinde und Gemeindepräsidentin Barbara Hofstetter (CVP) meint: «Wir haben uns übers Energiegesetz nicht beraten – das tun wir bei eidgenössischen Abstimmungen nie.» Man nehme Stellung bei kantonalen Vernehmlassungen, alles Weitere würde die zeitlichen Ressourcen des Gemeinderats sprengen.

Stadtluzerner wollen keine Atomkraft

Fast genauso einfach ist es in der Stadt Luzern. 2011 hat die Stadt Luzern den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Der Wille der Bevölkerung ist dem städtischen Energieversorger Befehl. Deswegen hat man sich inhaltlich bereits auf die Energiewende ausgerichtet. Energieeffizienz und erneuerbare Energien werden hoch gewichtet – und CEO Stephan Marty spricht sich für ein Ja zum neuen Energiegesetz aus: «Die Energiestrategie 2050 gibt dem EWL in einem schwierigen Marktumfeld Stabilität und Sicherheit für zukünftige Investitionen», sagt er.

Etwas vertrackter ist die Situation bei der WWZ AG, der Energieversorgerin im Kanton Zug und in Hochdorf. Sie ist vor allem ein Energiehandelsunternehmen – die eigene Produktion beschränkt sich auf Kleinkraftwerke. Aber sie hat doch auch Verbindungen zur Kernenergie – hält als Finanzanlage etwa ein Aktienpaket an der Alpiq Holding – die wiederum an den beiden grössten Schweizer Atommeilern Gösgen und Leibstadt beteiligt ist. Ausserdem hatte Alpiq noch 2008 im Kanton Solothurn ein Baugesuch für ein neues AKW deponiert.

WWZ ist pragmatisch

In der Vergangenheit hat man bei der WWZ immer wieder auch den Wert der Kernenergie für die Schweizer Energieversorgung beschworen. Immerhin stammen gut 40 Prozent des Schweizer Stroms aus Nuklearanlagen.

«Der Bau neuer Kernkraftwerke macht wirtschaftlich keinen Sinn und hat auch beim Volk keine Chance.»

Andreas Widmer, WWZ AG, Zug

Doch diese Haltung hat sich in den letzten Jahren völlig verändert. CEO Andreas Widmer sagt: «Ich befürworte die Vorlage, die den Atomausstieg zum Ziel hat, obwohl ich an der zunehmenden Regulierung keine Freude habe.» Der Bau neuer Kernkraftwerke mache wirtschaftlich keinen Sinn und habe auch beim Volk keine Chance.

CKW hält sich zurück

Die grösste Energieversorgerin der Zentralschweiz, die CKW-Gruppe, hält sich zurück. Dies, obwohl man sich im vergangenen Oktober noch mächtig ins Zeug gelegt hatte, um die Atomausstiegsinitiative der Grünen zu bodigen. CEO Felix Graf beschwor damals öffentlich die gefährdete Versorgungssicherheit der Schweiz und beklagte die fehlende Rentabilität der Stromerzeugung aus Wasserkraft.

Doris Leuthard im Gespräch mit CKW-Chef Felix Graf.

Bundesrätin Doris Leuthard und CKW-Chef Felix Graf: Im letzten Herbst kämpften sie gemeinsam gegen die Atomausstiegsinitiative, jetzt hält sich Graf zurück.

(Bild: jal)

Jetzt nicht mehr. Die CKW halte sich in dieser Frage bewusst zurück, verlautet aus der Unternehmenskommunikation. Die Energiestrategie 2050 bringe sowohl Vor- wie auch Nachteile. Man orientiere sich am Volksentscheid und werde ihn mittragen.

Das Atomgeschäft der Centralschweizerischen Kraftwerke

Die CKW ist mit 11,4 Prozent des Aktenkapitals am Kernkraftwerk Leibstadt und mit 6,5 Prozent am KKW Gösgen beteiligt. Ausserdem hält man Beteiligungen an Handelsfirmen, die mit französischem Atomstrom geschäften, und hat für alle Fälle auch schon in den Ersatz der altersschwachen AKW Mühleberg und Beznau investiert. Ein finanzielles Interesse an der Kernkraft wäre also vorhanden.

Genauso wie bei der Axpo Holding, welche 81 Prozent der Aktien an der CKW hält. Der Konzern gehört den Nordostschweizer Kantonen sowie Zürich, Aargau und Zug und steckt von allen Schweizer Energieunternehmen am stärksten in der Atomkraft. Eine Axpo-Tochter besitzt 100 Prozent des Uralt-Meilers Beznaus, und zusammen mit dem CKW-Paket kontrolliert die Axpo Holding das AKW Leibstadt und hält einen Drittel an Gösgen. Auch die Axpo hält sich aus dem Abstimmungskampf raus, obwohl sie noch vor einem halben Jahr mit milliardenschwerem Schadenersatz gedroht hatte, sollte die Schweiz schnell aus der Kernenergie aussteigen.

Kanton Luzern sagt Ja zur Energiewende

Nun hat die Axpo das Problem, dass ihre Eigentümer – die Kantone – sich mehrheitlich hinter die Energiewende stellen. Das ist auch bei der Tochter CKW so. Knapp 10 Prozent der Anteile gehören dem Kanton Luzern – die restlichen 9 Prozent sind im Streubesitz. «Der Kanton Luzern unterstützt die Energiestrategie 2050 klar», sagt Mirja Weber, Sprecherin im Departement von Energiedirektor Robert Küng (FDP). Sie stelle die Weichen für eine zukunftsfähige schweizerische Energiepolitik.

«Im Energiegesetz gibt es viele, die profitieren. Die Elektrizitätswerke zählen dazu.»

Franz Grüter, Nationalrat SVP

Doch erklärt dies wirklich, warum die Stromwirtschaft in Sachen Atomausstieg auf Kuschelkurs ist? Klar ist Atomstrom bei den niedrigen Energiepreisen im Moment nicht konkurrenzfähig, aber auch Strom aus Wasserkraft ist teuer. Franz Grüter, Luzerner SVP-Nationalrat und «vehementer Gegner» des Energiegesetzes, meint: «Im Energiegesetz gibt es viele, die profitieren. Die Elektrizitätswerke zählen dazu.» Die Frage sei, wer dies bezahle.

Neue Entschädigung für Stromproduzenten

Grüter weist darauf hin, dass Energieversorger für Strom, der aus Wasserkraft produziert wurde, 1 Rappen pro Kilowattstunde Entschädigung erhalten. So würden sie aus dem «Subventionsmoloch», wie er die geplanten Lenkungsabgaben nennt, ihren Vorteil ziehen. Gerade für die CKW, die in den Kantonen Uri und Schwyz stark in der Wasserkraft engagiert ist, ist dies ein schönes Zückerchen.

Ausserdem sollen künftig in den Haushalten zwingend intelligente Zähler, sogenannte Smartmeter, eingebaut werden. Das verschafft den Elektrizitätswerken neue Möglichkeiten. Sie können den Energieverbrauch in den Haushaltungen detailliert messen, auswerten und die Preismodelle darauf anpassen.

Kraftwerk in Bürglen, Uri. Das Elektrizitätswerk Altdorf ist eine 100-prozentige CKW-Tochter und erzeugt viel Strom aus Wasserkraft.

Kraftwerk in Bürglen, Uri. Das Elektrizitätswerk Altdorf ist eine 100-prozentige CKW-Tochter und erzeugt viel Strom aus Wasserkraft.

(Bild: Emmanuel Ammon)

Wer liefert in den Kantonen Zug und Luzern den Strom?

Mit Abstand der grösste Energieversorger in der Zentralschweiz ist die CKW. Die Centralschweizerischen Kraftwerke versorgt in den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri rund 200’000 Endkunden. Im Kanton Luzern beliefert sie die meisten Gemeinden mit Strom. Das zur CKW-Gruppe gehörende Elektrizitätswerk Schwyz ist dabei für die Rigi-Sonnenseite (Greppen, Weggis, Vitznau) zuständig.

Nummer zwei ist die WWZ  (früher: Wasserwerke Zug), die im grössten Teil des Kantons Zug und in Hochdorf für helle Stuben sorgt. Der Stadtluzerner Energieversorger EWL liefert Strom in Luzern, Teilen von Kriens und Schwarzenberg. Dann gibt es noch eine Handvoll unhabhängige Kleinversorger: Im Kanton Zug (Steinhausen, Hünenberg, Allenwinden), sowie im Amt Willisau (Hergiswil, Luthern, Ufhusen). Es handelt sich dabei um Genossenschaften oder Gemeindebetriebe. In Malters stellt zudem eine private Elektrizitätsfirma die Stromversorgung sicher.

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