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Die SVP-Fraktion des Zuger Kantonsrats will den Sozialhilfegeldern für vorläufig aufgenommene Ausländer an den Kragen. Sie fordert in einer Motion eine «erhebliche Reduktion». Die Idee kommt nicht überall gut an.
Der Kanton Zug soll weniger attraktiv werden. Zumindest für gewisse Personen. Das will die SVP-Fraktion des Kantonsrats. Der Partei ein Dorn im Auge sind die sogenannt vorläufig aufgenommenen Ausländer (Ausweis F).
Darunter versteht der Bund Personen, die aus der Schweiz weggewiesen wurden, die die Rückreise jedoch nicht antreten können. Dies, weil beispielsweise eine Wegweisung ein Verstoss gegen das Völkerrecht bedeuten würde oder weil sie aufgrund der konkreten Gefährdung der Person unzumutbar ist.
Insbesondere Personen aus Krisengebieten betroffen
«Wir beobachten, dass vor allem Personen aus Krisen- oder Kriegsgebieten eine vorläufige Aufnahme erhalten», äussert sich Jacqueline Furrer, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Direktion des Innern, auf Anfrage. Und weiter: «In der Regel verbleibt diese Personengruppe dauerhaft. Daher ist sie auch in der Integrationsagenda Schweiz einbezogen.»
Das passt der Zuger SVP nicht. Insbesondere stösst sie sich daran, dass vorläufig Aufgenommene von der Asylsozialhilfe unterstützt werden, obwohl sie das Land – wenn das zumutbar wäre – verlassen müssten. Dies im Gegensatz zu Personen mit einem faktisch negativem Asylentscheid, welche auf die Nothilfe gesetzt würden. Die SVP-Fraktion findet dies «mehr als fragwürdig» und ist überzeugt, dass diese Handhabung falsche Anreize setze.
Aus diesem Grund fordert die SVP-Fraktion, dass die Gelder im Vergleich zu den heutigen Leistungen «erheblich zu reduzieren» seien. Was das konkret heisst, lässt die Partei bewusst offen.
Hostettler fordert, dass die Schweiz für Asylbewerber unattraktiver wird
Mit der soeben eingereichten Motion fordert die Partei insbesondere den amtierenden Direktor des Innern, Andreas Hostettler (FDP), auf, den eigenen Worten Taten folgen zu lassen. Denn unlängst äusserte sich dieser in der «Zuger Zeitung» wie folgt: «Der Bund muss dafür sorgen, dass die Bedingungen in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern weniger attraktiv werden. Dabei sollte der Hebel bei Sozialleistungen angesetzt werden. Vor allem sollten Menschen ohne Fluchtgrund konsequent zurückgewiesen werden.»
Ein Blick in die Zahlen des Kantons lohnt sich. Ende September 2024 hielten sich im Kanton Zug 478 Personen mit einer vorläufigen Aufnahme auf. Die Zahl ist in den letzten fünf Jahren stabil geblieben.
470 Franken erhalten alleinstehende vorläufig Aufgenommene heute
Lebt eine vorläufig aufgenommene Person in Zug allein in einem Haushalt, erhält sie 470 Franken monatlich für die Deckung ihres Grundbedarfs. Eine vierköpfige Familie erhält 1489 Franken. «Mit dem Grundbedarf sind nebst den Kosten für Nahrungsmittel, Getränke, Bekleidung, Schuhe, Haushaltsführung sowie Hygieneartikel auch alle privaten Auslagen zu decken», schreibt die Direktion des Innern.
Zum Vergleich: Die Ansätze für die regulären Sozialhilfebeiträge gemäss Schweizerischer Konferenz für Sozialhilfe liegen deutlich höher. Eine Sozialhilfebezügerin, die allein lebt, erhält im kommenden Jahr monatlich 1061 Franken. Ein 4-Personen-Haushalt bekommt 2271 Franken.
Caritas glaubt an Integration statt Abstrafung
Davon, die Beträge für vorläufig aufgenommene Ausländer zu kürzen, hält Michael Egli nichts. Der Leiter Fachstelle Migrationspolitik bei der Caritas sagt auf Anfrage: «Vielmehr kritisieren wir, dass die Ansätze bereits heute viel zu tief sind.»
Egli weiter: «Viele dieser Menschen kommen aus Staaten wie Syrien oder Afghanistan, in denen sich die politische Situation nicht so bald ändern wird.» Mit anderen Worten: «Diese Leute brauchen längerfristig den Schutz der Schweiz. Es wäre ein Fehler, bei Menschen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit dauerhaft hier leben und arbeiten werden, nicht auf Integration zu setzen.»
Weiter gibt Egli zu bedenken, dass oft Kinder sind, die als vorläufig Aufgenommene von der Asylsozialhilfe leben müssen. «Für sie, die mit anderen Kindern zur Schule gehen und sich ständig vergleichen müssen, ist das besonders problematisch. Beträge unterhalb des Existenzminimums verhindern es den Kindern an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Es fehlt das Geld für die Badi, oder aber um das kaputte Velo flicken zu lassen.»
Weiter mahnt er, dass das Risiko, sich zu verschulden, steige, wenn das ganze Geld für die Grundbedürfnisse gebraucht werde und nichts übrig bleibe für unerwartete Rechnungen. «Das wiederum führt zu Langzeitkonsequenzen.»
SVP will ein Zeichen setzen
Der Zuger SVP-Kantonsrat Michael Riboni hält dagegen: «Gerade Leute aus Afghanistan wissen, dass sie nicht mehr zurückgeschafft werden können, wenn sie erst mal in der Schweiz sind.» Er glaubt, dass tiefere Sozialhilfegelder dazu führen könnten, dass letztlich weniger Personen, die nicht akut bedroht seien, in die Schweiz und damit auch nach Zug kämen.
Er gibt weiter zu bedenken, dass es nicht primär Familien seien, die aus Afghanistan emigrieren, sondern meist junge Männer. «Das führt oft zu Problemen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie teils extreme religiöse Haltungen vertreten.»
Riboni weiter: «Mit unserer Motion möchten wir ein Zeichen setzen. Es reicht nicht, die Lösung des Problems mit den vorläufig Aufgenommenen Bern zu überlassen. Denn auch hier gibt es Probleme in diesem Bereich.» Und abschliessend: «Wenn Andreas Hostettler schon ankündigt, dass Zug für Menschen ohne Fluchtgrund weniger attraktiv werden soll, dann erwarten wir auch, dass etwas passiert. Schliesslich ist er am Schalthebel.»
Es ist nicht das erste Mal, dass Die SVP im Kanton Zug die Sozialhilfeleistungen von vorläufig Aufgenommenen angreift. 2017 forderte die Partei, dass Asylsuchenden, Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung und vorläufig Aufgenommenen nur noch Nothilfe ausgezahlt wird (zentralplus berichtete). Soweit ist es bis heute nicht gekommen.
- Motion der SVP
- Definition des Bundes zu vorläufig Aufgenommenen
- Mündlicher Austausch mit Michael Egli
- Mündlicher Austausch mit Michael Riboni
- Schriftlicher Austausch mit der Direktion des Innern
- Artikel «Zuger Zeitung» zur Asylsituation