Luzerner Kantonsrat verlangt Gegenvorschlag

Anti-Stau-Initiative: Wer hat Angst vor dem Volk?

Wie lässt sich das Stau-Problem lösen? Das ist in Luzern umstritten. (Bild: bic)

Die Luzerner Regierung muss nochmals über die Bücher: Der Kantonsrat verlangt einen Gegenvorschlag zur Anti-Stau-Initiative. Nicht, weil sie das Anliegen der Jungen SVP unterstützt – sondern aus Angst, die Bevölkerung könnte an der Urne zustimmen.

Wer steht schon gerne im Stau? – Niemand. Und genau diese simple Erkenntnis beunruhigt die Luzerner Politik.

Grund ist die Anti-Stau-Initiative der Jungen SVP, die am Montag im Kantonsrat diskutiert wurde. Sie nimmt ein emotionales Anliegen auf und reagiert mit einer verblüffend einfachen Forderung darauf: Wo sich der Verkehr staut, sollen neue Strassen her.

Für die Regierung ist klar: Das widerspricht der Verkehrsplanung und ist nicht zielführend. Deshalb lehnt sie die Initiative klar ab (zentralplus berichtete).

Anti-Stau-Initiative: Alles spricht für ein Nein, doch …

Inhaltlich teilten die meisten Fraktionen diese Einschätzung. Die Anti-Stau-Initiative sei «praktisch nicht umsetzbar» (FDP), «unnötig und falsch» (SP), «einseitig» (GLP) und «absurd» (Grüne/Junge Grüne). Nicht nur aufgrund der Klimaziele, sondern auch aus ganz praktischen Gründen lehnten bis auf die SVP alle Fraktionen die Initiative ab. «Damit der Verkehr auch in Zukunft nicht zum Erliegen kommt, müssen wir flächeneffiziente Verkehrsmittel priorisieren – das ist nicht Politik, sondern reine Physik», sagte Daniel Gasser (Die Mitte) stellvertretend für die Mehrheit.

«Es entsteht für viele der Eindruck, dass Autofahrer einfach nur vergrault werden sollen.»

Sabine Wermelinger, FDP-Kantonsrätin

Eigentlich würde also alles für ein Nein sprechen. Doch da kommt die eingangs erwähnte Sorge ins Spiel. Besonders bei den bürgerlichen Fraktionen war die Angst vor dem Volksverdikt spürbar. «Wir sehen den Unmut von Teilen der Bevölkerung und damit die Gefahr, dass die Initiative an der Urne eine Mehrheit finden könnte», sagte Gasser.

Der mediale Fokus auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs könne «frustrieren», ergänzte Sabine Wermelinger (FDP) und verwies auf die Diskussionen um Tempo-30 und Parkplatz-Abbau in der Stadt. «Es entsteht für viele der Eindruck, dass Autofahrer trotz ihrer Investitionen in klimafreundliche Fahrzeuge einfach nur vergrault werden sollen.» Ein Volks-Ja zur Initiative hätte aber negative Folgen und würde neue Probleme schaffen.

Mehrheit des Kantonsrats verlangt einen Gegenvorschlag

Gerade deshalb sah es Judith Schmutz von den Grünen/Jungen Grünen als Aufgabe der Parteien, in einer Volksabstimmung die Gegen-Argumente an die Bevölkerung zu bringen. Ihre Parteikollegin Korintha Bärtsch warf der FDP und der Mitte vor, ihren Wählerinnen nicht reinen Wein einschenken zu wollen. «Wir müssen das Kind endlich beim Namen nennen», verlangte sie. Der Autoverkehr sei heute zu dominant. «So wie bisher kann es nicht weitergehen.»

«Ein nichtssagender Gegenvorschlag macht die Luzerner Politik lächerlich».

András Özvegyi, GLP-Kantonsrat

Die Linken mitsamt den Grünliberalen sahen folglich keine Notwendigkeit für einen Kompromiss. «Ein nichtssagender Gegenvorschlag macht die Luzerner Politik lächerlich», sagte András Özvegyi (GLP). Auch Regierungsrat Reto Wyss, der stellvertretend für den erkrankten Mobilitätsdirektor Fabian Peter Stellung nahm (zentralplus berichtete), plädierte für einen Verzicht auf einen Gegenvorschlag.

Vergeblich: Mit 73 zu 41 Stimmen wies die bürgerliche Mehrheit aus SVP, FDP und Die Mitte den Vorschlag der Regierung zurück. Diese muss nun einen Gegenvorschlag erarbeiten. Wie er inhaltlich aussieht, ist indes nicht im Detail klar. Im Rahmen der Kantonsratsdebatte wurde lediglich erwähnt, dass er festschreiben solle, dass der Autoverkehr nicht benachteiligt und die einzelnen Verkehrsträger nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Die Grünen/Jungen Grünen protiestieren in Sursee gegen die Anti-Stau-Initiative.
Die Fraktion der Grünen/Jungen Grünen protestierte in Sursee gegen die Anti-Stau-Initiative. (Bild: zvg)
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Thomas Aeberhard
    Thomas Aeberhard, 06.12.2021, 22:14 Uhr

    Man hat also Angst, dass die Mehrheit des Volkes diese Initiative annehmen könnte, weil die Autofahrer in Luzern offenbar benachteiligt und gegängelt werden. Etwas gegen den Missstand unternehmen will die Politik aber nicht, sondern die Mehrheit mit taktischen Massnahmen ausmanövrieren. Wie verkommen unsere «Volksvertreter» doch sind. Und dann wundert man sich, wieso sich so viele von der Politik abwenden?

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  • Profilfoto von Enrico Ercolani FDP Einwohnerrat Kriens
    Enrico Ercolani FDP Einwohnerrat Kriens, 06.12.2021, 14:11 Uhr

    Der einfachste und wirkungsvollste Gegenvorschlag wäre, die Spange Nord, oder die früher geplante und leider abgelehnte Nordtangente und das Parkhaus Musegg zu bauen. Zehntausende von Autos müssten damit nicht mehr durch die Stadt fahren und das Car Parkplatzproblem wäre auch gelöst. Profiteure wären der öffentliche Verkehr, die Velofahrer und Fussgänger. So einfach ist das, aber Denken und Weitsicht wären dazu erforderlich!

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    • Profilfoto von Libero
      Libero, 07.12.2021, 14:41 Uhr

      Spange Nord +
      Parkhaus Musegg – Zufahrt
      wie weit denken Sie,
      sind diese nicht mitten im
      Wohngebiet der Stadt Luzern?

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 06.12.2021, 12:22 Uhr

    Ich bin dafür,das die linken nur noch mit dem ÖV fahren dürfen.
    Dann wäre das Verkehrschaos gelöst.

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    • Profilfoto von Franziska
      Franziska, 06.12.2021, 17:38 Uhr

      Wer sagt, dass die Mehrheit dies nicht bereits so macht?

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