Luzerner CVP-Nationalrätin und der Helvetia-Mann

Andrea Gmür und die Rentenreform – was lief am Familientisch?

Das Ehepaar Gmür (links) mit den Söhnen Valentin und Tobias bei der Feier anlässlich des erfolgreichen Nationalratswahlkampfes 2015.

 

(Bild: Cedric Zellweger)

Andrea Gmür sitzt für die CVP im Nationalrat – ihr Ehemann Philipp Gmür ist CEO bei der Helvetia Versicherung. Gemeinsam kämpfen die beiden für die AHV-Reform. Das finanzielle Engagement des Versicherers wirft jedoch Fragen auf. Genauso wie Andrea Gmürs Äusserungen auf Twitter, die eine regelrechte Schlammschlacht ausgelöst haben.

Die CVP Schweiz bastelt an der Ja-Kampagne zur AHV-Reform. Am 24. September findet die Volksabstimmung statt. Bis dahin werden die Komitees Tausende von Plakatwänden pflastern und Zeitungen mit Inseraten eindecken. Das alles benötigt Geld – die CVP gehe von vier bis fünf Millionen Franken für ihre bürgerliche Ja-Kampagne aus, berichtete der «Blick». Kampagnenleiterin Laura Curau relativierte diese Zahl in der «Luzerner Zeitung» auf unter eine halbe Million Franken.

Einen Beitrag an die Kampagne leistet die Helvetia Versicherung. «Unsere Unterstützung des bürgerlichen Wirtschaftskomitees ist auf einen fünfstelligen Betrag beschränkt», sagt CEO Philipp Gmür. Der Schweizer Versicherungsverband hat keine Parole zur Altersreform gefasst, das Engagement der Helvetia überrascht. Doch es gibt eine offensichtliche Verbindung: Helvetia-CEO Philipp Gmür ist mit der Luzerner CVP-Nationalrätin Andrea Gmür verheiratet. Sie ist eine glühende Befürworterin der Reform. Hat man im Hause Gmür am Familientisch einen Masterplan für eine erfolgreiche Volksabstimmung geschmiedet?

Firma kennt Richtlinien für politisches Engagement

«Selbstverständlich haben wir über unsere Positionen diskutiert», sagt Andrea Gmür. «Mein Mann ist unabhängig von mir zum Schluss gekommen, Ja zu sagen zur Reform.» Politik sei bei ihnen häufig Thema, dabei sei man keineswegs immer gleicher Meinung. Im vorliegenden Geschäft ist dies allerdings der Fall. «Wir sind beide der Meinung, dass die Vorlage ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltig gesicherten Schweizer Altersvorsorge ist», erklärt Philipp Gmür seine befürwortende Haltung.

«Mit der Befürwortung der Reform wollen wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.»

Philipp Gmür, Helvetia-CEO

Und: Hat Frau Gmür bei Herrn Gmür um finanzielle Unterstützung gebeten? «Gar nicht», sagt Philipp Gmür. Der Helvetia-CEO wird deutlich: «Dieser Verdacht ist absurd: Die Haltung von Helvetia zur Reform Altersvorsorge 2020 basiert auf einer fundierten internen Beurteilung dieser Reform und ihrer Auswirkungen. Ich vertrete die Interessen unseres Unternehmens, unserer Mitarbeitenden, Kunden und Aktionäre.» Bei der Helvetia gebe es Regeln für das Unterstützen von politischen Parteien und politischem Engagement. Mögliche Unterstützung habe gemäss anerkannten internationalen Standards und Empfehlungen zu erfolgen.

Helvetia fasst Parole – im Gegensatz zum Branchenverband

Dann folgen Sätze, die das Herz jedes Befürworters höherschlagen lassen: «Der gefundene Kompromiss darf nicht scheitern, da das Reformpaket für Helvetia, ihre Kunden und Aktionäre zu wichtig ist», sagt Philipp Gmür. Die Vorlage stabilisiere das Rentensystem mittelfristig finanziell. Dies werde vor allem den Versicherten zugute kommen. «Mit der Befürwortung der Reform wollen wir uns zudem unserer gesellschaftlichen Verantwortung stellen und der Schweiz die Aussicht auf einen dringend nötigen Reformschritt für das bewährte Drei-Säulen-System erhalten.»

Der Schweizerische Versicherungsverband SVV anerkennt positive Aspekte der Reform, sieht aber auch massive Schwierigkeiten. «Ein Teil der Reform läuft den Interessen von rund 160’000 KMU mit mehr als 1 Million Versicherten entgegen und trägt auch nicht zum Ziel der Vorlage, der Stabilisierung des Rentensystems unter Beibehaltung des Leistungsniveaus, bei», heisst es in einer Mitteilung.

Die Helvetia sieht es bekanntlich anders, auch wenn man die Bedenken des Verbandes teilt. Doch wie die Versicherung erklärt, sei man inhaltlich von der Reform überzeugt – und nicht nur wegen der CVP-Ehefrau ihres Chefs. Nochmals Philipp Gmür: «Unsere Position ist aus intensiven Abklärungen und Diskussionen mit den verschiedenen involvierten Gremien und Experten in unserem Unternehmen hervorgegangen.»

Am Stubentisch im Hause Gmür wird die AHV-Reform wohl dennoch Thema bleiben. Obwohl Philipp Gmür sagt: «Wir haben Gott sei Dank noch anderen Gesprächsstoff.»

Gmür setzt sich auf Twitter in die Nesseln

CVP-Nationalrätin Andrea Gmür ist auf Twitter aktiv. Dabei bringt sie in 140 Zeichen oftmals pointiert ihre Meinungen zum Ausdruck. Mit bissigen Statements tritt sie ab und zu jemandem auf den Schlips. Nicht immer beweist sie das nötige Feingefühl, wie damals, als sie ein seltsames Rechtsverständnis im Fall Malters an den Tag legte und damit eine intensive Debatte lostrat (zentralplus berichtete). Nun folgt ein nächster Schlagabtausch.

Die Zuger Jungfreisinnige Jill Nussbaumer bekämpft die AHV-Reform. Ebenso ihre Grossmutter, wie die 86-jährige Rentnerin in einem kurzen Video erklärt.


 

Andrea Gmür hat für die Argumente nicht viel übrig und entgegnet giftig:


 

Dies wiederum brachte Jill Nussbaumer auf die Palme:


 

Gmürs Tweet sei «unsäglich», echauffiert sich die Jungfreisinnige im «Blick». Mangels sachlicher Argumente für die AV2020 zweifle Gmür die Mündigkeit ihre Grossmutter an. Eine Nationalrätin, die Rentner als arm und getäuscht bezeichne, verliere als Volksvertreterin jegliche Glaubwürdigkeit, kritisiert sie. Gerade in generationenübergreifenden Themen wie der Altersvorsorge sei es fatal, die Anliegen demografischer Gruppen zu ignorieren und sie als naiv und uninformiert abzutun. «Frau Gmür fehlt jeglicher Respekt gegenüber meiner Grossmutter und ihrer Lebenserfahrung», so die Jungpolitikerin. Andere Kommentare stiessen ins selbe Horn.

Andrea Gmür gibt auf Nachfrage von zentralplus zu, den Tweet wohl etwas salopp formuliert zu haben. «Es liegt mir fern, eine alte Dame zu beleidigen», so die Nationalrätin. Dass sie nun auf Twitter so ins Kreuzfeuer der Kritik geraten sei, überrascht sie. Und Gmür holt zum Gegenschlag aus: «Die nicht endende Empörung empfinde ich inzwischen als ein bisschen heuchlerisch.»

Denn gemäss Gmür sei die Reform keine Zechprellerei auf Kosten der Jungen. «Der Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge wird gesenkt. Davon profitieren die Jungen. Ein Nein würde bedeuten, dass sie weiterhin während Jahren die bestehenden Renten der Pensionskassen massiv mitfinanzieren», erklärt sie. Auf der Argumentationsebene wird die Diskussion bestimmt weitergehen. Nicht nur auf Twitter.

 

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon