Andrea Gmür: «Dieses Amt hat mich zu viel Zeit gekostet»
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Nach nur einem Jahr tritt die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür von ihrem Amt als Chefin der Mittefraktion zurück. Das liege nicht an der Kritik an ihrer Amtsführung oder an Parteichef Gerhard Pfister, sagt sie im Interview. Sondern an der enormen Belastung.
zentralplus: Andrea Gmür, nach nur einem Jahr werfen Sie den Bettel hin und treten überraschend von der Spitze der Fraktion zurück. Warum?
Andrea Gmür: Der Rücktritt mag überraschend kommen, ich habe aber schon länger darüber nachgedacht. Bereits mit der Bewerbung für das Amt hatte ich mich seinerzeit so schwergetan wie noch nie zuvor mit einem Entscheid. Dann kam die Covid-Pandemie, die alles intensiver machte. Ich fand schlicht nicht mehr genügend Zeit, um meine Arbeit als Luzerner Ständerätin nach meinen eigenen Ansprüchen erfüllen zu können und die Geschäfte in den Kommissionen seriös vorzubereiten. Zudem sehe ich es als Vorteil, wenn der Fraktionschef oder die Fraktionschefin im Nationalrat sitzt.
zentralplus: Schlägt jetzt die Stunde von Leo Müller, den Sie seinerzeit fraktionsintern ausgestochen hatten?
Gmür: Was meine Nachfolge betrifft, so bin ich völlig offen und werde mich nicht einmischen. Das wird die Fraktion entscheiden.
zentralplus: Ein Ständeratsmitglied an der Fraktionsspitze hätte es Ihrer Ansicht nach aber schwerer?
Gmür: Ich sage nicht, dass das keine Kollegin oder kein Kollege aus dem Ständerat sein könnte. Bei mir war alles neu: Ich war neu in den Ständerat gewählt worden, neu im Fraktionsvorstand und gleich als Präsidentin, der Vizefraktionschef war neu und es musste zudem eine neue Fraktionssekretärin gesucht werden. Inzwischen weiss ich, dass meine Eignungen und Neigungen an einem anderen Ort liegen. Ständerätin zu sein, ist für mich eine Herzensangelegenheit.
zentralplus: Wegen der Haltung der Mittefraktion zum Covid-Gesetz mussten Sie als Fraktionschefin harsche Kritik einstecken. Hat das auch mitgespielt?
Gmür: Nein, das war kein Grund. In meiner Funktion bin ich nun mal Kritik ausgesetzt, in der Politik ist das generell der Fall. Damit kann ich absolut umgehen, das habe ich in letzter Zeit zur Genüge bewiesen, wie zum Beispiel beim Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative. Es war wie gesagt so, dass ich sieben Tage in der Woche nur noch arbeitete – und meine eigenen Geschäfte kamen dennoch zu kurz.
«Wir wollten zu keinem Zeitpunkt den Bundesrat entmachten.»
zentralplus: Schon der CVP wurde immer ein zu breites Spektrum vorgeworfen, nun kam noch die BDP dazu. Ist die Mittefraktion so dispers, dass Sie kaum führbar ist?
Gmür: Es trifft zu, dass unsere Fraktion breit aufgestellt ist. Das macht die Führung anspruchsvoll – aber nicht unmöglich. Ich finde nach wie vor, dass wir eine tolle Fraktion haben.
zentralplus: Wegen des Hin und Her in der Fraktion bei der Frage, ob ein Zeitpunkt für den Ausstieg aus den Pandemiemassnahmen ins Covid-Gesetz geschrieben werden soll, könnte man auch zu einem anderen Schluss kommen.
Gmür: Da muss ich klar widersprechen. All unsere Mitglieder der Wirtschaftskommission unterstützten eine Erklärung, die zwar einen Strategiewechsel verlangte, aber nicht rechtlich verbindlich war. Am Anfang hatte zwar ein Teil unserer WAK-Mitglieder für den Antrag gestimmt, dass ein Datum ins Gesetz kommt. Das war aber ein Ausdruck der Unzufriedenheit, wie sich die Lage entwickelt hat. Die klare Mehrheit unserer Fraktion wollte nie eine gesetzliche Regelung, und ich habe das auch von Anfang an so kommuniziert.
«Ich bin jemand, der Nein sagt, wenn ich Nein meine – und dabei bleibt es dann.»
zentralplus: Anders als die FDP-Fraktion haben Sie Ihre Meinung also nicht geändert?
Gmür: Ich kann nur für unsere Fraktion sprechen. Was wir wollten, war ein Strategiewechsel des Bundesrats hin zu mehr Öffnungen und Perspektiven unter Berücksichtigung des Testens und Impfens. Wir forderten, dass die Fünf-Personen-Regeln abgeschafft wird und die Veranstalter von Grossanlässen im Sommer eine Perspektive bekommen. Aber wir wollten zu keinem Zeitpunkt den Bundesrat entmachten.
zentralplus: In Bundesbern heisst es, Sie hätten Mühe bekundet, mit Parteipräsident Gerhard Pfister zusammenzuarbeiten. War das mit ein Grund für Ihren Rücktritt?
Gmür: Ich staune immer wieder, was ich von Journalistinnen und Journalisten vernehme. Sicher ist: Ich bin jemand, der Nein sagt, wenn ich Nein meine – und dabei bleibt es dann. Bei Gerhard Pfister ist das auch so. Klar ging das nicht immer reibungslos. Aber umgekehrt haben wir uns gut ergänzt.
zentralplus: Unter dem Strich heisst das, Sie haben den Job als Fraktionspräsidentin unterschätzt?
Gmür: Mag sein, dass ich ihn zeitlich unterschätzt habe ...
zentralplus: Haben Sie für die Zukunft noch weitere Pläne, als sich voll dem Ständeratsmandat zu widmen?
Gmür: Ich bin durchaus bereit, mich weiterhin für die Partei oder die Fraktion oder auch andernorts zu engagieren. Aber dieses Amt hat mich zu viel Zeit gekostet. Ich möchte mich jetzt wirklich auf meine Aufgaben als Ständerätin des Kantons Luzern konzentrieren.