Reaktionen zur Theaterabstimmung

«Alle lagen falsch» – und was man sonst zu hören kriegt

Enttäuschte Gesichter: Anja Meyer, Stiftungsratspräsidentin des Luzerner Theaters, Ina Karr, Intendantin, und Beat Züsli, Stadtpräsident. (Bild: kok)

Das neue Theaterprojekt ist vom Tisch. Während die einen feiern, stehen andere vor der Frage, wie es nun weitergeht – denn für das bestehende Haus sieht die Zukunft düster aus.

Es war ein heftiger Abstimmungskampf, der ein abruptes Ende nahm: Am Sonntag hat das Stadtluzerner Stimmvolk den Projektierungskredit von 13,8 Millionen Franken für ein neues Luzerner Theater versenkt. Der Entscheid fiel sehr deutlich aus: 42 Prozent stimmten dafür, 58 Prozent dagegen (zentralplus berichtete).

In der Box auf dem Theaterplatz dürfte der kaltgestellte Champagner unangetastet bleiben. Mit einem so deutlichen Nein hatten wohl viele nicht gerechnet. Einige Anwesende sind den Tränen nahe. Anja Meyer, Präsidentin Stiftung Luzerner Theater, und Ina Karr, Intendantin des Luzerner Theaters, steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

Anja Meyer (links), Ina Karr und Beat Züsli sprechen über das klare Nein der Bevölkerung. (Bild: kok)

«Existenz absolut gefährdet»

Ist die Existenz des Luzerner Theaters gefährdet? Anja Meyer findet klare Worte: «Absolut. In diesem Haus werden wir es von der Grösse her nicht schaffen, ein Musiktheater zu halten.» Die Sparte Oper stehe auf dem Spiel, weil der Orchestergraben wegen neuer Normen für Brandschutz und Fluchtwege verkleinert werden müsse. Sie sei besorgt, dass die rund 400 Mitarbeitenden keine Perspektive mehr in Luzern haben und gehen würden.

Damit die nächsten drei bis fünf Jahre weiter gespielt werden könne, müsse das Stadtparlament nun die fünf Millionen Franken für dringende Reparaturen sprechen. «Und dann braucht es wirklich einen anderen Plan. Denn die Luzerner und Luzernerinnen haben entschieden: Sie wollen dieses Theater an diesem Standort nicht. Sie wollen nicht Theaterstadt sein, das Theater hat diese Bedeutung bei der Bevölkerung verloren.»

«Wie es weitergeht, ist völlig unklar.»

Ina Karr, Intendantin Luzerner Theater

Intendantin Ina Karr ergänzt: «Wie es weitergeht, ist völlig unklar. Die Zukunft des Luzerner Theaters ist stark gefährdet.» Jetzt gehe es darum, umgehend Massnahmen zu ergreifen, wie man das «alte» Theater über die nächsten Jahre bringen könne.

Prognosen mag sie keine geben, ob das Luzerner Theater verkleinert werden muss. «Dieses Haus zu sanieren, würde auch sehr viel kosten. Kommt hinzu: Es würde weniger Möglichkeiten bieten als vorher, das halte ich nicht für wirklich sinnvoll.» Gemäss Stadtpräsident Beat Züsli würde eine Komplettsanierung des Theaters mit bis zu 80 Millionen Franken zu Buche schlagen.

Bei den Gegnern wird kräftig gefeiert – und gerüffelt

Im Bourbaki stossen am Sonntagnachmittag rund 15 Mitglieder des Nein-Komitees auf ihren Erfolg an.

André Meyer, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Luzern, ist vor Ort. Er war einer der gewichtigen Stimmen des Nein-Komitees, hat aber mit so einem wuchtigen Nein nicht gerechnet. «Was mich beschäftigt: Alle Parteien haben geschlossen Ja gesagt. Alle lagen falsch – und die nennen sich Volksvertreter. Da stimmt etwas in unserer Demokratie nicht mehr.»

Freudestrahlend: André Meyer, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Luzern. (Bild: kok)

Er führt das Nein auf seine bisherigen Argumente zurück: Das Ja-Komitee habe stark emotional agiert, «vielleicht zu stark». Dann die Grösse des Projekts, «es passt einfach nicht hinein». Hinzu komme, dass beim alten Luzerner Theater drei Seiten abgebrochen worden wären.

Das Nein-Komitee weibelte stets mit den Worten, Luzern habe «etwas Besseres» verdient. Was das wäre, will zentralplus von Meyer wissen. «Das Bessere ist die Bescheidenheit», so Meyer. «Man plant eigentlich zuerst den Inhalt und nicht die Hülle.» Das sei nicht der Fall gewesen.

«Was wir gesagt haben, das stimmt alles. Das sind sachliche Argumente.»

André Meyer vom Nein-Komitee

Er verlangt nun von der Stadt, über die Bücher zu gehen. «Entweder buchstabiert man das ganze Konzept zurück. Oder wenn das Theater so gross werden soll, dann ist der Ort falsch. Dann muss man an einen neuen Standort gehen.» Es gebe «zahlreiche Standorte», im Tribschenquartier die Ufschötti, das Inseliquai oder der Bootsliegeplatz.

Gegner widersprechen Kritik an ihrer Kampagne

Den Vorwurf, seine Kampagne sei polemisch oder inhaltlich fragwürdig gewesen, weist Meyer entschieden zurück. So schlug das Nein-Komitee damit um sich, das neue Luzerner Theater koste 200 Millionen Franken und mehr. Die offiziellen Schätzungen lagen jedoch deutlich tiefer – was von den Gegnern nicht immer transparent gemacht wurde (zentralplus berichtete).

«Dagegen wehre ich mich. Was wir gesagt haben, das stimmt alles. Das sind sachliche Argumente. Man müsste mir sagen, was daran polemisch hätte sein sollen», sagt Meyer dazu. Und er wirft den Ball zurück: Viel mehr hätte sich das Ja-Komitee polemisch verhalten.

Der jetzige Standort scheint für ihn – mit einem neuen Konzept – nicht ganz vom Tisch zu sein. «Wenn es nur darum ginge, die prekären Räumlichkeiten zu sanieren, dann genügt ein kleiner Anbau, der vermutlich auf diesen Platz geht.» Entscheidend sei aber auch, das Konzept inhaltlich zu hinterfragen.

Kein Nein fürs Theater, aber …

Ernüchtert zeigen sich die Stadtluzerner Grünen: «Das Nein der Bevölkerung interpretieren wir nicht als Nein zum Theater, sondern als eine Summe vieler Kritikpunkte.» Sie betonen die Bedeutung Luzerns als Kulturstadt und fordern eine Analyse der Wünsche der Bevölkerung. Eine Absage an Kulturinvestitionen sei der Entscheid nicht.

Auch die Mitte sieht im Nein keinen grundsätzlichen Widerstand gegen ein neues Theater. Sie verweist auf die veraltete Infrastruktur, die modernen Sicherheits- und Arbeitsstandards nicht mehr genügt. Deswegen würde sie sich weiterhin für ein neues Luzerner Theater einsetzen.

«Schade; sehr, sehr schade» – Mitte-Ständerätin Andrea Gmür äussert sich auf X:

SP fordert neue Kulturdebatte nach Abstimmung zum Luzerner Theater

Die SP zeigt sich enttäuscht, hatte aber bereits im Vorfeld Kritik geäussert. «Für die SP war klar, dass das jetzige Projekt noch nicht vollumfänglich überzeugt», hält sie fest. Trotzdem hatte auch sie sich für den Projektierungskredit ausgesprochen.

Kritikpunkte der Gegner waren unter anderem das ambitionierte Betriebskonzept und hohe Mietpreise für Dritte. Die SP erkennt diese Kritikpunkte an und sieht das Abstimmungsresultat als Auftrag für eine breite Debatte über die Kulturpolitik in Luzern. Mit einer soeben eingereichten Motion fordert sie die «partizipative Aushandlung eines neuen Kulturkompromisses», alle relevanten Kulturakteure sollten involviert werden.

Harte Worte findet Peter With. Er politisierte 2011 bis 2019 im Stadtparlament für die SVP. Der heutige Präsident des KMU- und Gewerbeverbands des Kantons Luzern kritisiert, dass das «Gespür für das Volk völlig verloren gegangen» sei.

«Peinlich», sagt die Juso

Die Juso hatte als einzige Partei die Nein-Parole beschlossen (zentralplus berichtete). Als «peinlich» stempelt sie nun das Resultat für Stadt und Theater ab. «Anstatt kulturell nicht wegdenkbare Institutionen zum Hafen der Elitären zu kreieren, sollte sich die Stadt besser darauf konzentrieren, ein zukunftsorientiertes Theater zu entwickeln, welches sich nicht nur mit Gebäudefragen auseinandersetzt und sich an Touristinnen richtet.»

Die Jungsozialisten fordern eine basisdemokratische Neuausrichtung mit flachen Hierarchien, niedrigeren Preisen für die alternative Kulturszene und offenen Auftrittsmöglichkeiten.

Kein offenes Luzerner Theater?

Das Luzerner Kunst- und Architekturmagazin «Lila Strauss» bläst ins gleiche Horn wie die Juso. Die Redaktion hat bereits im Vorfeld einen offenen Brief gegen das neue Luzerner Theater veröffentlicht.

Das Ja-Komitee und das Projektierungsteam hätten es verpasst, ein «offenes Haus» in einen öffentlichen Kulturbau zu verwandeln. Nun stünden Stadt und Theater vor der Chance, ein neues Luzerner Theater zu gestalten, das «innovativ, nachhaltig und tatsächlich niederschwellig» in der Luzerner Bevölkerung verankert werden könne.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Stadt Luzern
  • Medienmitteilung von SP, Grüne, Mitte und Juso
  • Medienmitteilung von «Lila Strauss» und Komitee «Theater-Neubau Nein»
  • Persönliche Gespräche mit Anja Meyer, Präsidentin Stiftung Luzerner Theater, und Ina Karr, Intendantin Luzerner Theater
  • Persönliches Gespräch mit André Meyer, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Luzern
  • Website des neuen Luzerner Theaters
  • zentralplus-Medienarchiv zum neuen Luzerner Theater Abstimmung
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