Politik
Je nach Nationalität wird es massiv teurer

Abzocke Autoversicherung: Wer in Luzern am meisten bezahlt

Wenn es zum Unfall kommt, hat jeder gern den Schutz einer Vollkaskoversicherung. Doch für manche kostet die das Doppelte - trotz lupenreiner Akte. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Ausländerinnen zahlen bei der Autoversicherung häufig doppelt hohe Prämien. Das ist Diskriminierung, meint der Luzerner Kantonsrat Hasan Candan. Und was sagt die Regierung?

«Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebens­form, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.»

So steht es in Artikel 8 der Schweizerischen Bundesverfassung. Doch was ist, wenn Versicherungen zu wissen meinen, dass bestimmte Personengruppen statistisch höhere Kosten verursachen? Dürfen sie die erwarteten Kosten durch höhere Prämien in Rechnung stellen?

Dieser Grundsatzfrage geht der Luzerner SP-Kantonsrat Hasan Candan nach. Mit einer Motion Anfang des Jahres forderte er von der Regierung, die diskriminierenden Praktiken bei den Autoversicherungen abzuschaffen (zentralplus berichtete). Jetzt hat der Regierungsrat geantwortet – und die Verantwortung von sich gewiesen.

Herkunft bestimmt über Prämienhöhe

Laut einer Umfrage von «Comparis.ch» verwenden elf der zwölf grössten Autoversicherer des Landes «Herkunft» als Kriterium. Mit kostspieligen Konsequenzen für Menschen ohne Schweizer Pass. Durchschnittlich 60 Prozent mehr müssen Staatsangehörige aus dem Balkan und der Türkei für eine Vollkaskoversicherung zahlen.

Die Grafik des Online-Vergleichsdienstes Comparis zeigt es eindrücklich. (Bild: Screenshot)

Und das, ohne je einen Unfall gebaut zu haben, sondern einfach aufgrund des Herkunftslands im Pass. Wer bei der Helvetia anfragt und als Nationalität «Türkei» angibt, bekommt nicht einmal ein Angebot, berichtete «Blick» mit Verweis auf die Studie.

Bei der Umfrage von «Comparis.ch» galt «Generalis» als einziger Anbieter, der Nationalität nicht als Kriterium in der Risikoprüfung verwendet. Das hat sich inzwischen geändert, wie die Versicherung auf Anfrage von zentralplus bestätigt.

«Menschen werden in Sippenhaft genommen, das ist ja wie im Mittelalter.»

Hasan Candan, Kantonsrat Luzern (SP)

Ein «nicht-diskriminierendes System» muss möglich sein, meint Hasan Candan. In einer Motion Anfang des Jahres forderte der Luzerner SP-Kantonsrat, «die diskriminierende Differenzierung der Autoversicherungsprämien aufgrund der Herkunft zu unterbinden».

Die Regierung sieht sich nicht verantwortlich

Die Antwort des Regierungsrats ist ernüchternd. Das Thema sei verschiedentlich in Bern behandelt worden, so etwa in den Jahren 2007, 2011 und 2012. Jedes Mal aufgrund von Vorstössen der Linken. Der Bundesrat hätte in allen Fällen das Begehren abgelehnt.

Unterschiedlich hohe Prämien seien erlaubt, sofern «sie statistisch belegt und sachlogisch begründet sind», schreibt die Luzerner Regierung weiter. Eine «Differenzierung von Prämientarifen» sei daher keinesfalls gleichzusetzen mit einer Diskriminierung.

Darüber hinaus sei die Verfolgung von diskriminierenden Tarifen Aufgabe der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Eine Unterbindung solcher Praktiken läge somit nicht «in der Kompetenz der Kantone».

Scheinkausalitäten und Diskriminierungsschutz

Hasan Candan lässt die Aussage, der Kanton sei dafür nicht verantwortlich, nicht gelten. «Schutz vor Diskriminierung steht in der Verfassung. Ich bin mir sicher, dass die Regierung vorschreiben kann, welche Kriterien erlaubt sind und welche nicht.» Was bei der Autoversicherung für Ausländer passiere, sei «augenscheinlich» eine Diskriminierung.

«Ich werde mich mit einem Juristen zusammensetzen und prüfen, wie gross der Handlungsspielraum der Regierung wirklich ist.»

Hasan Candan

Die jetzige Praxis gehe vollkommen am Zeitgeist von Inklusion und Gleichberechtigung vorbei, sagt Candan. «Menschen werden in Sippenhaft genommen. Das ist ja wie im Mittelalter.» Auch die Antworten des Bundesrats seien aus der Zeit gefallen. Tatsächlich sind die von der Luzerner Regierung angeführten Begründungen aus Bern über zehn Jahre alt.

hasan candan politik sp kantonsrat kanton luzern
Hasan Candan hat kein Verständnis für diskriminierende Praktiken bei den Versicherungen. (Bild: bic)

Der SP-Politiker warnt zudem vor Scheinkausalität. Es könne sein, dass junge Menschen statistisch häufiger Unfälle bauen. Wenn Albaner in der Schweiz durchschnittlich jünger sind als Schweizerinnen, liegt der Schluss nahe, Albaner würden mehr Unfälle verursachen. Das sei aber nicht korrekt. Bei der Statistik komme es immer darauf an, «welche Kohorten verglichen werden».

Die Absage der Regierung lässt er nicht auf sich sitzen. «Ich werde mich mit einem Juristen zusammensetzen und prüfen, wie gross der Handlungsspielraum der Regierung wirklich ist.» Doch zuerst kommt das Geschäft Anfang 2023 in den Kantonsrat.

Verwendete Quellen
  • Motion von Hasan Candan
  • Telefonat mit Hasan Candan
  • Antwort des Regierungsrats
  • Fedlex Bundesverfassung
  • Artikel im «Blick»
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.


Politik
Apple Store IconGoogle Play Store Icon