Umfrage bei Unternehmen

«1:12»: Zentralschweizer Wirtschaft fürchtet sich vor Initiative

Die Kampagne der Befürworter (links) ist schwer verständlich. Diejenige der Gegner «Eigengoal verhindern, Nein zu 1:12» zu simpel – Schwarz signalisiert Gefahr. (Bild: PD)

Im Herbst entscheidet die Schweiz über die Volksinitiative «1:12 für gerechte Löhne». Auch in der Zentralschweiz wären verschiedene Unternehmen von einer Annahme betroffen, wie unsere Umfrage bei 30 Firmen zeigt. Über die Folgen möchten aber die wenigsten sprechen. Dabei liesse sich die Initiative einfach umgehen, wie ein Vertreter einer der betroffenen Firmen verrät.

zentral+ fragte rund 30 Grossunternehmen aus Luzern und Zug/Baar an, ob sie betroffen wären von einer Annahme und was sie in diesem Fall ändern müssten. Aber auch, ob sie sich in irgendeiner Form politisch engagieren, und ob sie ihren Mitarbeitern eine Abstimmungsempfehlung abgeben. Glencore-Chef Ivan Glasenberg drohte im Mai mit Verlegung des Firmensitzes ins Ausland, wenn die Initiative angenommen werde. Zu Äusserungen wie Glasenberg liess sich in unserer Umfrage niemand von den befragten Firmen hinreissen. Die meisten Unternehmen wollen gar keine Stellung nehmen. Offenbar ein zu heisses Eisen.

Keine Aussage zu CEO-Lohn

Der Luzerner Uhrenriese Bucherer AG – Jahresumsatz eine Milliarde Franken – schreibt: «Wir danken für Ihre Anfrage, zu der wir nicht Stellung nehmen möchten, weil wir uns zu politischen Themen generell nicht äussern.» – Die 1200 Angestellten des Konzerns mit über 40 Geschäften dürfen offenbar nicht erfahren, was Bucherer-CEO Guido Zumbühl für einen Zahltag hat.

Die meisten Rohstoff-, Mineralöl- und Bauriesen aus Luzern, Zug und Baar antworteten überhaupt nicht. Oder sie schreiben wie die im Mineralölhandel tätige Trafigura aus Luzern (120 Milliarden Dollar Umsatz) und die Firma Transocean aus Zug (8,73 Milliarden Dollar Umsatz), dass sie die Sache nicht kommentieren wollen.

Anpassung der Strukturen zur Umgehung

Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten liefert der Pressesprecher der Allreal Holding AG in Baar, Matthias Meier. «Es ist nicht unsere Art, als Unternehmen mit Medien zu kommunizieren und Prognosen abzugeben», sagt der Sprecher der Immobilienfirma. Er fügt hinzu: «Ja, wir wären betroffen von einem Ja zur Initiative.» Es sei jedoch ein Leichtes, die Holdingstrukturen so zu verändern, dass man nicht mehr betroffen sei.

Bei börsenkotierten Unternehmungen sind die Entschädigungen der Geschäftsleitungsmitglieder in den publizierten Geschäftsberichten im Internet zu finden. Betroffen wären danach zum Beispiel der im Sektor Bauchemie/Industriewerkstoffe tätige Sika-Konzern aus Baar. Sika-CEO Jan Jenisch verdiente laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Franken. Sein Vorgänger Ernst Bärtschi kam bis Ende 2011 sogar auf 3,2 Millionen. Bärtschis Abschied wurde «vergoldet» mit weiteren 3,9 Mio. Franken extra. Dennoch – oder gerade deswegen – will sich auch Sika nicht äussern zu den Konsequenzen der Initiative.

Minimallöhne werden nicht publiziert

Andere Firmen sind kommunikativer. Betroffen von einem Ja wären zum Beispiel Emmi, Ruag und die Luzerner Kantonalbank. Laut Sibylle Umiker von Emmi entspricht das Verhältnis der CEO-Entschädigung zum Mindestlohn für ungelernte Mitarbeiter, die frisch aus der Lehre kommen, bei Emmi momentan 1:16 (61’000 Franken zu 1,34 Millionen Franken).

Konrad Peter, bis Ende 2012 CEO der Ruag Holding, verdiente im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht 754 000 Franken. Die Relation zum geringsten Lohn lässt sich aber nicht errechnen. Der Grund: «Den Mindestlohn publizieren wir nicht im Geschäftsbericht», teilt Pressesprecher Jiri Paukert mit. «Da es unsere Politik ist, alle Stakeholder gleich zu behandeln – inklusive Aktionären und Mitarbeitenden, möchten wir diesen Grundsatz nicht durchbrechen.»

Luzerner Kantonalbank betroffen

Transparent informiert die Luzerner Kantonalbank. Laut dem stellvertretenden Direktor Daniel von Arx betrug die CEO-Entschädigung 870 083 Franken, der Lehrabgänger der Luzerner Kantonalbank verdient 55 000 Franken im Jahr. Das Verhältnis ist also momentan 1:15. Die LUKB lehnt die Initiative aus anderen Gründen ab. «Die Qualität des Wirtschaftsstandorts Schweiz ist zu einem wesentlichen Teil auf die ausgezeichneten Rahmenbedingungen für einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt zurückzuführen», sagt von Arx. Zu diesen Trümpfen zählen unter anderem die liberale und flexible Ausgestaltung des Arbeitsmarktes. Der LUKB-Vizedirektor: «Eine Annahme der 1:12-Initiative würde genau diese Erfolgsfaktoren massiv gefährden und in der Umsetzung eine ausufernde Bürokratie nach sich ziehen.»

Nicht betroffen von einem Ja zur Initiative wäre die Suva (Umsatz 4,2 Milliarden Franken). Das Verhältnis des höchsten zum kleinsten Lohn beträgt dort gemäss Bernadette Thalmann bei Anrechnung der Arbeitgeberanteile 1:11,9 (602’000 zu 50’316), ohne diese Lohnkomponenten sind es 1:9,7.

Lohngefüge kaum bekannt

Zahlen zur Anzahl der betroffenen Unternehmen zu erhalten ist schwierig.  Auch die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz aus Luzern kann keine Angaben machen. IHZ-Direktor Felix Howald: «Ich kann nicht beurteilen, wie viele Firmen betroffen wären, da ich deren Lohngefüge nicht kenne.»

Eine Zahl gibt es dennoch, auf welche sich die Gegner in ihrer Kampage die nächsten Monate stützen werden. Laut einer Sonderauswertung der AHV-Statistik, welche das Bundesamt für Sozialversicherung für die «NZZ» erstellte, haben in der Schweiz rund 12’000 Angestellte ein Jahreseinkommen von über 500’000 Franken. Ihre AHV-pflichtige Lohnsumme ist insgesamt 11,3 Milliarden Franken. Wenn ein Lohndeckel von 500’000 Franken eingeführt würde, fielen laut der Berechnung 5,4 Milliarden Franken weg und würden in den Sozialwerken fehlen.

Wegzug kein Thema

Das Thema bewege viele der 700 IHZ-Mitglieder, sagt IHZ-Direktor Felix Howald. Die meisten seien persönlich geführte kleine und mittlere Unternehmen mit 50 Mitarbeitern aufwärts, erklärt er. «Viele Mitglieder haben uns aufgefordert, aktiv zu werden gegen die Initiative.» Gewisse Patrons sind laut Howald auch bereit, sich als Wirtschaftsvertreter politisch aus dem Fenster zu lehnen und ihre Mitarbeiter aufzuklären.

Felix Howald räumt zwar ein, dass Lohnexzesse nicht akzeptabel sind und in die Schranken gewiesen werden müssten. «Das heisst aber nicht, dass Löhne und Lohnunterschiede staatlich geregelt werden müssen und genau das will die 1:12-Initiative.» Er rechnet damit, dass die Initiative am 24. November knapp abgelehnt wird.  

Gibt es Firmen, welche bei einem Ja drohen weg zu ziehen? «Nein, unter unseren Mitgliedern habe ich nichts gehört», sagt Howald. Für Zug kann er nicht sprechen, da Zug als einziger Zentralschweizer Kanton nicht Mitglied bei der IHZ ist, sondern der Zürcher Handelskammer angeschlossen ist.

David Roth: Wenige Unternehmen betroffen

Während die Industrie- und Handelskammer also klar gegen die Initiative Stellung bezieht, glaubt der Luzerner David Roth, Präsident der Juso Schweiz, dass die meisten IHZ-Mitglieder gar keinen Grund haben, dagegen zu sein. «99,7 Prozent der Unternehmen in der Schweiz sind nicht betroffen von unserer Initiative», sagt Roth, «in der Zentralschweiz ist der Prozentsatz wahrscheinlich noch höher.»

Der Juso-Präsident fügt hinzu, dass er aus gewissen Luzerner KMUs wie aus der Bevölkerung positives Feedback auf «1:12» erhalte. Roth: «Die KMU-Vertreter halten sich aber bedeckt, weil sie um Aufträge fürchten, wenn sie sich in der Öffentlichkeit äussern.» Dass viele der befragten Gross-Firmen nicht auf die Anfrage von zentral+ antworteten, wundert Roth nicht. «Diesen Unternehmen ist sehr wohl bewusst, dass die Löhne Ihres Managements unanständig hoch sind.»

Befragte Luzerner Unternehmen
Keine Antwort: Krono Holding, Schätzle Holding, Schurter, Schmolz & Bickenbach, Pistor

Wollten nicht Stellung nehmen: Trafigura (Rohstoffhandel), Bucherer, Heineken, Ruag
Antwort, von Annahme betroffen: Centralschweizerische Kraftwerke AG («höchstens marginal»), Luzerner Kantonalbank
Antwort, nicht betroffen: Losinger Bau, EWL, Schild

Befragte Zuger Unternehmen
Keine Antwort: Zuger Kantonalbank, Kolmar Group, Metall AG, PSP Swiss Property AG, Bossard Holding, IC Industries Zug, Glencore, Xtrata, Mövenpick Holding, Trumpf Maschinen, C&A Mode
.
Wollten nicht Stellung nehmen: Transocean/Deepwater, Sika, Allreal Holding
Antwort, nicht betroffen: Biopetrol Industries, Johnson & Johnson

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


2 Kommentare
  • Profilfoto von P.M
    P.M, 29.08.2013, 08:55 Uhr

    Die Juso ist wirklich die falsche Partei, um bei Wirtschaftsthemen mitzureden. Ich erkläre den Jusos ja auch nicht wie man auf dem Schlagzeug trommelt, oder wie man schöne Bilder malt.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von David Roth
    David Roth, 27.08.2013, 16:43 Uhr

    Eine Umgehung via Holdingstruktur schliesst die Initiative klar aus. Da hat sich Ihr Autor etwas einfach über den Tisch ziehen lassen.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon