10 Tipps: So kommt die Bevölkerung wieder in die Turnhalle
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Gemeindeversammlungen kämpfen mit mangelndem Interesse der Bevölkerung. Der Kanton Luzern stellt nun eine Liste mit hilfreichen Tipps für mehr Partizipation zur Verfügung. zentralplus findet: Das geht besser. Eine Glosse.
Schuldig: Die Autorin dieses Artikels war – mit Ausnahme von Besuchen von Berufes wegen – noch nie an einer Gemeindeversammlung. Und das, obwohl sie doch einige Jahre als mündige Stimmbürgerin in einer Gemeinde gewohnt hat, die dies noch praktiziert. Politisch interessiert wäre sie auch.
Damit steht sie aber nicht allein da: Die Gemeindeversammlung, diese Urform der Demokratie, verkommt im Kanton Luzern zum Auslaufmodell (zentralplus berichtete). Die Abstimmungen locken jeweils kaum zweihundert Nasen in die umfunktionierte Turnhalle, ein Bruchteil der Stimmbevölkerung entscheidet für alle. Kein Wunder, schaffen gerade grössere Gemeinden die Versammlung zugunsten eines Parlaments ab – mit Ausnahme von Sursee (zentralplus berichtete).
Wegen dieser Entwicklung besorgt, hat Armin Hartmann (SVP), damals noch als Kantonsrat (heute ist er Regierungsrat) in einer Motion Lösungen gefordert, um die Gemeindeversammlung wieder repräsentativer für den Volkswillen zu machen. Zweieinhalb Jahre später präsentiert die Regierung ihre Lösung: Eine Liste mit Tipps, um die Versammlungen wieder attraktiver zu machen.
Darunter hat es einige bemerkenswerte Ideen: Beispielsweise sollen die Gemeinden vorher – auch online! – über die Versammlung informieren. Ah ja? Was für eine revolutionäre Idee! Oder ein «Ambiente schaffen», in dem Wortmeldungen willkommen sind. Auf das wären wir nie gekommen. Die Regierung bezeichnet die Liste denn auch als «Diskussionsbasis», anhand der weitere Ideen entstehen können.
zentralplus nimmt den Kanton beim Wort – und präsentiert eine Liste mit zehn (nicht ganz ernst gemeinten) Tipps, wie die Stimmbevölkerung garantiert an jede Gemeindeversammlung kommt.
1. Zu Taylor Swift abgehen und die Stimmbänder bei Voten aufwärmen
Was Zürich dieser Tage eindrücklich zeigt: Stars locken Personen an. En masse. Zehntausende Fans aus aller Welt pilgerten in die Stadt, um Popikone Taylor Swift live zu sehen (zentralplus berichtete). Den gleichen Effekt würde ein exklusives Konzert wahrscheinlich in der gemeindlichen Turnhalle haben, wenn Swift zu Ende ein paar Lieder zum Besten geben würde. Zumal sie gemäss Gerüchten derzeit in einem Hotel in Luzern weilt und somit bereits etwas lokalen Bezug hat (zentralplus berichtete). Bei leidenschaftlichen Voten können die Bürger bereits ihre Stimmbänder aufwärmen, um danach bei Hits wie «Shake It Off» oder «Blank Space» mitzuträllern.
Wenn das Budget der Gemeinde nicht ganz für einen Megastar wie Taylor Swift reicht, tun es sicher auch Schweizer Musikgrössen. Beispielsweise lockte Weggis mit ESC-Star Nemo weitaus mehr Besucherinnen an sein Rosenfest als sonst (zentralplus berichtete).
2. Das Glück herausfordern
Im Ansatz schlägt der Kanton diesen Punkt bereits selbst vor: Warum die Stimmbürgerinnen nicht mit Verlosungen an die Versammlung locken? Nebst dem guten Gefühl, die eigenen Rechte wahrzunehmen, gehen sie allenfalls noch mit einer guten Flasche Wein oder mit einem Gutschein nach Hause. Um den Bezug zur direkten Demokratie herzustellen, schlägt zentralplus folgenden Hauptpreis vor: Wer gewinnt, darf einen Beschluss fassen, der die Gemeinde maximal 5000 Franken kosten darf. Beispielsweise für öffentliche Pingpongtische, einen Minipark oder eine Veloladestation.
3. Teilnahme muss sich lohnen – wortwörtlich
Wie wärs mit einer Sammelaktion? Bei jeder Gemeindeversammlung können Stimmbürger Punkte sammeln. Die Anzahl Punkte steigt, je mehr man sich beteiligt. So gäbe es für die blosse Anwesenheit 5 Punkte, für einen sinnvollen Beitrag bei Varia 20 Punkte und fürs Argumentieren während den Traktanden 30 Punkte. Diese können sie anschliessend bei der Gemeinde für verschiedene Belohnung eintauschen: einen Gutschein für den lokalen Weinladen oder ein Gratiseintritt in die Badi etc.
Wem das zu kompliziert ist, der kann auch auf eine einfache Stempelkarte setzen. Der zentralplus-Vorschlag: Für jede fünfte Gemeindeversammlung gibts 500 Franken Rabatt auf die Steuerrechnung. Schliesslich darf der Gemeinde die direkte Demokratie etwas wert sein.
4. Was für ein Theater
Was der Kanton ebenfalls in seinen Hinweisen zugibt: Meistens sind die Reden oder Vorstellungen der Unterlagen zum Gähnen. Um die Präsentation der Vorlagen etwas aufzupeppen, könnte die Gemeinde mit dem lokalen Theaterverein zusammenspannen und diese als kleines Theater inszenieren. Mit tollen wiederkehrenden Rollen wie dem Bösewicht «Stefan Steuerfuss» oder der «überarbeiteten Gemeindemitarbeiterin Ursula». Immerhin gilt das Amateurtheater in der Zentralschweiz als immaterielles Kulturerbe.
Nicht nur das Vorstellen der Vorlage, auch die anschliessenden Debatten könnten Gemeinden etwas aufpeppen. Statt monoton von einem Blatt abzulesen, könnten die Pro- und Kontraseiten sich in einem Rap-Battle bekämpfen. Gewinner ist, wer den lauteren Applaus kassiert.
5. Olé, olé, olé!
Was die Fussballeuropameisterschaft derzeit wieder eindrücklich zeigt: Kaum etwas verbindet Menschen verschiedenen Alters, politischer Einstellung und Lebensrealitäten mehr, als gemeinsam auf einer Grossleinwand anderen beim Sport zuzuschauen (zentralplus berichtete). Spielt also an der Gemeindeversammlung der FC Luzern oder die Schweizer Nati, ist ein Public Viewing fast schon Pflicht – sonst taucht eh niemand auf. Und spielen nicht gerade Fussballer, gäbe es genügend andere Sportarten oder Anlässe wie die Olympischen Spiele, die sich ebenfalls für eine Grossleinwand anbieten würden.
Ist die eigene Gemeinde weniger sportbegeistert, muss der Gemeinderat nicht gleich verzagen. Der Erfolg von Openair-Kinos im Sommer zeigt, dass auch normale Spielfilme viel Publikum ziehen.
6. Spieltrieb wecken
Alternativ lässt sich das Unterhaltungsprogramm auch etwas geselliger und interaktiver gestalten. Die Gemeinde könnte es der Kultsendung «Donnschtig-Jass» gleichtun und die Gemeindeversammlung im Anschluss in eine grosse Jassrunde verwandeln. Mit dem Nebeneffekt, dass die Gemeinde die Qual der Wahl hat, wenn das SRF die besten Jasser aus der Gemeinde sucht.
7. Abstimmen interaktiver gestalten
Und, wenn wir schon bei Kultsendungen sind: Auch das Abstimmen könnten die Gemeinden aufpeppen. Um die Sitzleder etwas abzuschütteln, könnten die Stimmbürgerinnen ihre Stimme analog zu der Kinder-Quizshow «1, 2 oder 3» abgeben. Vorn bei der Turnhalle gibt es leuchtende Monitoren und projizierte Flächen mit «Ja», «Nein» oder «Enthaltung». Die Stimmbürger stehen dann auf die ihrer Meinung entsprechende Fläche. Damit schlägt die Gemeinde zwei Fliegen mit einer Klappe: Gesundheits- und Demokratieförderung in einem!
8. Liebe (und Politik?) geht durch den Magen
Okay, das wird die letzte Sendung, versprochen: «al dente». Wenn Liebe durch den Magen geht, warum nicht auch Politik? Während der Gemeindeversammlung kochen die Gemeinderäte ihre Lieblingsrezepte für die Gemeinde. Zwischen den Traktanden können sie sich abwechseln und so jeweils verschiedene Gänge zubereiten, fast wie früher im Hauswirtschaftsunterricht. Demokratie und live zubereitetes Gratis-Znacht, wie in einem schicken Restaurant. Volk, was willst du mehr?
9. Flauschige Unterstützung organisieren
Was lieben Leute nebst Filmen, Fussball und feinem Znacht? Tiere. Denn, seien wir ehrlich: Mit einem Hund zu Füssen oder einer Katze auf dem Schoss liesse sich die Beratung über das neue Abwasserreglement sicher zigmal besser ertragen. Zumal der Erfolg von Katzencafés in Japan für sich spricht. Für die Gemeindeversammlung könnten die Gemeindemitarbeiter ihre Haustiere mitbringen. Oder die Stimmbürgerinnen sollen ihre pelzigen Freunde gleich selbst mitbringen und die Mehrzweckhalle in einen kleinen Streichelzoo verwandeln.
10. Hilft alles nichts: Pflicht einführen
Helfen all diese tollen Tipps nichts, kann die Gemeinde notfalls die Gemeindeversammlung immer noch zur Pflicht erklären. Schliesslich haben die Stimmbürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die Idee ist nicht neu: Frustriert von der tiefen Stimmbeteiligung der Luzernerinnen, hat beispielsweise der Hochdorfer SVP-Kantonsrat Mario Bucher die Einführung einer Wahlpflicht wie in Schaffhausen vorgeschlagen (zentralplus berichtete).
Umgemünzt auf die Gemeindeversammlung könnte das bedeuten: Wer nicht an die Versammlung kommt, muss eine gute Begründung angeben. Ist diese nicht gut genug – nein, der FCL-Match zählt nicht, da die Gemeinde nach Punkt 5 ja nun ein Public Viewing anbietet –, setzt es eine Strafe ab. Beispielsweise für jedes Fehlen 100 Franken auf die Steuerrechnung drauf. So käme garantiert jeder an die Versammlung.
- Beitrag im Gemeindenewsletter des Kantons Luzern
- Liste mit Tipps des Kantons Luzern
- Motion von Armin Hartmann (SVP)
- Liste des immateriellen Kulturerbes der Schweiz
- Medienarchiv zentralplus