Schreckensszenarien im Zuger Parlament

«Podium 41» hat einen Schutzengel

Das Podium 41 in Zug: Ein Restaurant ohne Konsumationszwang und ein Treffpunkt mit dem Fokus auf «randständige» Menschen. (Bild: mbe)

Das Stadtzuger Parlament findet, dass das «Podium 41» als sozialer Treffpunkt eine wichtige Funktion erfüllt und Randständige nicht aus dem Zentrum verbannt werden sollen. Der Rat genehmigte einen Betriebsbeitrag – trotz heftigem Protest der SVP, welche den Teufel an die Wand malte.

Der vom Stadtrat beantragte Betriebsbeitrag ans Podium 41 war das hitzigste Thema der auch temperaturmässig heissen, letzten Debatte vor der Sommerpause. Der Stadtrat beantragte einen Betriebsbeitrag von jährlich 335’000 Franken für die nächsten vier Jahre, 2016 bis 2019. Schon bei der Vorberatung ging das aber nicht glatt durch. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) wollte den Beitrag nur für zwei Jahre genehmigen.

SVP: Drogen, Urinieren, Gewalt, Littering

Doch auch von SVP-Seite wehte dem Podium 41 ein rauher Wind entgegen. Die Fraktion kritisierte, dass die geschilderten Probleme rund ums Podium genau jene Entwicklungen aufzeigen, welche die SVP schon seit Jahren kritisiere: Insbesondere der tolerierte Konsum von Haschisch und Marihuana, aber auch andere Probleme wie das Urinieren in der Öffentlichkeit, Gewalt und Littering, seien ihr ein Dorn im Auge. «Die SVP will solch ein Bild nicht an einem Ort, wo sich Familien und Kinder bewegen», sagte SVP-Gemeinderat Gregor R. Bruhin, der in der Militäruniform in den Rat kam.

Alternative Standorte und neues Konzept

Seine Partei beantragte, dass der Stadtrat dem Parlament alternative Standorte für die Randständigenarbeit unterbreiten und ein neues Konzept für das Podium 41 präsentieren sollte. Bruno Zimmermann, ebenfalls SVP, zeichnete blumig und beängstigend zugleich ein Horrorszenario vom Podium 41. Er wohne selber beim Schutzengel und habe mit seinem Sohn das Zentrum besichtigt. «Drogendealer verstecken die Drogen in umliegenden Gebäuden, Spielplätzen und in Blumenkästen», erzählte der SVP-Parlamentarier. Ein Treffpunkt wie dieser gehöre einfach nicht in eine Stadt. «Keine mir bekannte Stadt betreibt ein öffentliches Lokal, wo so offen Drogen konsumiert werden. Es wäre unverzeihbar, wenn sich ein Kind wegen ihrer Sorglosigkeit verletzen oder gar sterben würde», so Bruno Zimmermann.

Andere Parteien unterstützten Podium

Die anderen Parteien wollten jedoch nichts davon wissen. Die FDP gab sich liberal und sozial. Gemeinderat Simon Rohrer sprach sich für die Integration von Randständigen aus. Diese müssten auch ihren Platz in Zug haben. Der Kontakt mit «normalen Leuten» sei hilfreich, dass diese Menschen wieder Fuss fassen könnten. «Es braucht Begegnungszonen für alle», so Rohrer. Er wünsche sich aber, dass auch andere Personengruppen das Podium 41 besuchten könnten. Das würde mehr Einnahmen fürs Restaurant generieren.

«Das Podium 41 hat in unserer Stadt seine Berechtigung. Gäbe es diese Institution nicht, müsste man sie erfinden.»

Urs Bertschi, Zuger SP-Gemeinderat

Urs Bertschi (SP) warnte davor, den für die Stadt Zug «wichtigen Schmelztiegel» ohne Not auszuhebeln. «Das Podium 41 hat in unserer Stadt seine Berechtigung. Gäbe es diese Institution nicht, müsste man sie erfinden.» Das sei nicht als Plädoyer für harte Drogen zu verstehen. «Aber sie sind eine gesellschaftliche Realität.» Deshalb sollte man die Szene konzentrieren statt sie aus dem Zentrum zu verbannen. Bertschi meinte, er staune immer, dass junge Leute im Rat immer so knallharte Voten gegen Drogen hielten, wenn sie selber gerne ein Bier über den Durst tränken.

Othmar Keiser (CVP) beantragte schliesslich, die Diskussion sofort abzubrechen. «Es wird nichts mehr Neues gesagt.» Mit 27 zu neun Stimmen stimmte der Rat zu.

Urs Raschle: «Probleme am Montag»

Altstadt-Reglement verschoben

Das Altstadt-Reglement hätte am Dienstag eigentlich unter Dach und Fach gebracht werden sollen. Überraschend beantragte die FDP aber die Verschiebung der zweiten Lesung. GPK-Präsident Urs Bertschi (SP) sowie Kommissionsmitglieder protestierten erfolglos. Bertschi sprach von «Heckenschützen», die bestimmt nicht in der Altstadt wohnten. Die FDP begründete den Wunsch damit, dass die Unterlagen zu spät verschickt worden seien und wurde von der SVP unterstützt. Dem widersprach die Stadtverwaltung. Der GGR stimmte der Verschiebung der zweiten Lesung schliesslich zu, die nun nach den Sommerferien stattfinden wird.

Der zuständige Stadtrat Urs Raschle (CVP) sprach von einer Erfolgsgeschichte des Podiums 41, das 1990 unter dem Namen «Chaotikum» begonnen habe. Raschle bezeichnete das Wort «rechtsfreier Raum» als masslos übertrieben. Das sei absolut nicht der Fall. «Ich war mit der Polizei unterwegs, es wurde nicht gekifft. Die Polizei hat mir versichert, dass Kiffende eine Busse bezahlen müssen.« Der Stadtrat nehme den Ball aber auf, die Hausordnung genauer unter die Lupe zu nehmen.

Urs Raschle räumte ein, es trieben sich tatsächlich manchmal eigenartige Gestalten beim Zentrum herum, und es werde gedealt. Das sei meistens an Montagen der Fall, wenn das Zentrum geschlossen sei. «Eine gewisse Problematik am Montag besteht.» Raschle erklärte ausserdem, es seien nicht unbedingt Stadtzuger, die das Podium 41 besuchten, sondern auch Randständige aus anderen Gemeinden. Er sei im Gespräch mit diesen Gemeinden.

Zur Lage im Zentrum meinte der Zuger Sozialvorstand, die Lage des Podiums im Zentrum sei wichtig «für eine gewisse Sozialkontrolle». Deshalb beantragte der Stadtrat die Ablehnung des SVP-Antrags. «Sollte es aber tatsächlich einmal einen besseren Standort geben sind wir offen dafür.» Wenn man dem Antrag der SVP zustimmen würde, käme die Diskussion um einen neuen Standort des Podium 41, und diese werde nicht einfach werden. Raschle tönte an, dass wohl niemand das Zentrum in seiner Region haben will.

Nein zu Änderungsantragen, Ja zum Stadtrats-Antrag

Der Rat lehnte schliesslich alle Anträge ab. Er sagte Nein zum Antrag der Geschäftsprüfungskommission (GPK), den Betriebsbeitrag auf zwei Jahre (2016/17) zu beschränken. Der Vorstoss der SVP, alternative Standorte zu suchen, erlitt mit 15 Ja- zu 20 Nein-Stimmen ebenfalls Schiffbruch. Chancenlos war auch der Vorstoss der ALG/CSP-Fraktion in die andere Richtung, den Betrieb auf sieben Tage auszudehnen und den Betriebsbeitrag um 50’000 Franken zu erhöhen.

Schliesslich stimmte er dem Antrag des Stadtrats zu und bewilligte den Betriebsbeitrag. Philipp C. Brunner (SVP) erklärte in emotionaler Weise seine «grosse Enttäuschung» über die Entscheide des Rats. Sein Parteikollege Jürg Messmer beantragte das Behördenreferendum. Ablehnung mit 14 zu 11 Stimmen.

 

Proteste gegen Poststellenschliessungen

Ein Thema, das viele Zuger beschäftigt, sind die geplanten Post-Schliessungen. An der Sitzung des Grossen Gemeinderats kam es ebenfalls zur Sprache. Die parteilose Susanne Giger reichte eine Motion ein, der Stadtrat solle sich gegen die Schliessung der Hauptpost einsetzen. Der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller erklärte, der Stadtrat setze sich mit vollen Kräften ein. Das Anliegen sei jedoch nicht motionsfähig, denn der Stadtrat könne gar nicht handeln. «Wir haben ein Mitsprache- aber kein Mitwirkungsrecht, und ebenfalls kein Vetorecht.» Der Rat stimmte der Umwandlung des Vorstosses in ein Postulat zu.

Der Stadtrat beantwortete ausserdem das Postulat von Manfred Pircher (SVP) zur Schliessung der Post Oberwil. Stadtpräsident Dolfi Müller schilderte die Gespräche mit der Postführung. Diese seien zunehmend unfreundlicher geworden, als der Stadtrat signalisiert habe, dass er nicht einverstanden sei mit weiteren Postschliessungen. 2011 sei nur die Rede gewesen vom Aus der Post beim Bahnhof. «Vier Jahre später kommuniziert die Post, dass auch die Hauptpost, die Post Baarerstrasse und die Post Oberwil schliesst.» Der Stadtrat habe sich daraufhin geweigert, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben, dass Post und Stadt gemeinsam kommunizieren wollten.

«Es wird ein Jahresgespräch der Post mit dem Kanton geben», erklärte Müller, «normalerweise nur mit Matthias Michel. Diesmal werde ich aber ebenfalls teilnehmen.» Er werde dort klar einbringen, dass es nicht gut ist, was die Post plane. Der Stadtpräsident: «Die Post will den Entscheid durchsetzen und soll die Verantwortung dafür übernehmen.»

 

 

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