Premiere «Tanz 24» am Luzerner Theater

Platzende Traumwolken und ein tänzerischer Action-Film

Szene aus «Niflheim» Po-Cheng Tsai – ein Höhepunkt gleich zu Beginn.

(Bild: zvg/Gregory Batardon)

Das Luzerner Theater präsentiert mit «Tanz 24: Timeless» ein dreiteiliges Feuerwerk mit unterschiedlichsten Stilrichtungen. Überraschenderweise überzeugt in erster Linie nicht das Hauptstück einer namhaften Choreografin, sondern der Auftakt eines taiwanesischen Newcomers.

Der Höhepunkt dieses Tanzfeuerwerks liegt definitiv am Anfang: Das erste Stück «Niflheim» des taiwanesischen Choreografen Po-Cheng Tsai begeistert das Premierenpublikum und markiert einen hohen Standard, der von den folgenden beiden Stücken nur schwer erreicht wird.

Der Tanzabend beginnt mit einem asiatischen Touch: Die Tänzer tragen Masken und weisse Zöpfe, die an Samurais erinnern und die Gesichter nicht erkennen lassen. Die Musik ist beklemmend, die Bewegungen sind erst mechanisch und roboterhaft und sie orientieren sich an der Musik, die wie ein Herzschlag im Hintergrund unaufhörlich klopft.

Auftakt und Höhepunkt: «Niflheim» von Po-Cheng Tsai begeistert des Publikum.

Auftakt und Höhepunkt: «Niflheim» von Po-Cheng Tsai begeistert des Publikum.

(Bild: zvg/Gregory Batardon)

Nach einem abrupten Übergang werden dem Zuschauer mit grossem Kontrast weiche, fliessende Bewegungen präsentiert, die fast traumwandlerisch anmuten. Es gibt viele Hebefiguren und die Tänzer bewegen sich in einem Fluss. Gruppenbilder wechseln sich mit Soli und Duetten ab, es sind fliessende Übergänge, die kaum wahrgenommen werden.

Es fährt in die Beine

Im dritten, sehr temporeichen Teil des Stücks «Niflheim», was vom Choreografen als Nirvana interpretiert wird, werden die beiden Bewegungsmuster auf gelungene Art miteinander vereint. Sogar Breakdance-Elemente werden gezeigt.

Besondere Aufmerksamkeit gilt den weiten Tellerröcken, die mal als Kampfelemente, mal als Flügel und dann wieder als schützende Umhänge ihren Platz in diesem tänzerischen Action-Film finden. Der Rhythmus fährt dem Zuschauer in die Beine und er wird wirklich atemlos zurückgelassen.

Schwere Dekonstruktion einer Beziehung

Nach einer kurzen Pause geht es mit dem zweiten Stück weiter, «A Picture of You Falling» der kanadischen Choreografin Crystal Pite, einstudiert am Luzerner Theater von Sandra Marín García. Das Stück ist Teil der vierteiligen «The You Show», die 2012 in Frankfurt am Main Premiere feierte.

Zach Enquist und Aurélie Robichon: Szene aus «A Picture of You Falling» von Crystal Pite, dem zweiten Stück des Abends.

Zach Enquist und Aurélie Robichon: Szene aus «A Picture of You Falling» von Crystal Pite, dem zweiten Stück des Abends.

(Bild: zvg/Gregory Batardon)

Es handelt sich dabei um deutlich schwerere Kost als beim ersten Stück. Das Duett zwischen Mann und Frau ist emotional und soll die Erinnerungen der Frau darstellen in der Dekonstruktion dieser Beziehung. Das Ziel der namhaften Choreografin ist die Verbindung zum Publikum und die Identifikation des Zuschauers mit den Tänzern.

Dies gelingt allerdings nur schwer. Die sich wiederholende Off-Stimme, die sich fast dauernd über die Musik legt, ist etwas gruselig und auch die im Halbkreis aufgestellten Scheinwerfer hinterlassen ein Gefühl des dauernden Beobachtet-Werdens. Nichtsdestotrotz legen die beiden Tänzer mit ihrer ausdrucksstarken Körpersprache eine beachtliche Leistung auf die Bühne.

Träume, die zerplatzen

Der Abend schliesst mit «Viewpoints» von Bryan Arias. Über der Bühne hängt eine gigantische Wolke, sinnbildlich für unsere Träume, die nur in unseren Köpfen stattfinden. Apropos Köpfe: Die Tänzer tragen überdimensionale Maskenköpfe, die an Luzerner «Fasnachtsgrinde» erinnern. Die Masken versinnbildlichen unseren Verstand und wie wir uns mit unseren Gedanken oft selbst im Weg stehen, was unsere Bewegungsfreiheit genauso einschränkt wie die Köpfe die Tänzer auf der Bühne.

Ausschnitt aus «Viewpoints» von Bryan Arias, dem letzten Stück des Tanzabends.

Ausschnitt aus «Viewpoints» von Bryan Arias, dem letzten Stück des Tanzabends.

(Bild: zvg/Gregory Batardon)

Die Köpfe sitzen auf den zierlichen Tänzerkörpern und ziehen das Ganze, zusammen mit dem Song «Hello Stranger» aus den 60ern ab Plattenspieler, ins Komische.

Das Stück kippt allerdings schnell ins Ernste, die Traumwolke platzt und die Tänzer finden sich in ernsthaften Soli und Duetten wieder. Diese sind tänzerisch zwar sehr stark und in sich stimmig und regen eine eigene Interpretation des Betrachters an. Allerdings ist es schwierig, den Zusammenhang zum Gesamtbild zu finden.

Tänzerisches Feuerwerk

Dieser «Triple Bill» präsentiert dem Zuschauer ein tänzerisches Feuerwerk in den unterschiedlichsten Stilen. Da zeigt sich auch die Stärke von Kathleen McNurneys Tanzkompanie, die diese Herausforderung hervorragend meistert und zeigt, was sie kann.

Das Tanz-Ensemble in Bryan Arias «Viewpoints».

Das Tanz-Ensemble in Bryan Arias «Viewpoints».

(Bild: zvg/Gregory Batardon)

Das Auftaktstück «Niflheim» des taiwanesischen Jungtalents stiehlt dem Hauptstück «A Picture of You Falling» dabei leicht die Show und die etwas subtileren Stücke am Ende des Tanzabends haben es nach einem solch fulminanten Start schwierig. Das Luzerner Theater zeigt mit «Tanz 24: Timeless» einen zeitlosen und abwechslungsreichen Tanzabend, der für jeden ein etwas dabei hat.

Weitere Vorstellungen am Luzerner Theater bis 15. Juni.

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