Luzerner SVP-Regierungsrat will zweite Amtszeit

Paul Winiker: «Regieren ist keine Spass-Veranstaltung»

Paul Winiker posiert in seinem Büro mit einer Krienser Maske. Diese hat er als Abschiedsgeschenk von seiner Tätigkeit als Gemeindepräsident in Kriens erhalten.  

(Bild: les)

Korintha Bärtsch (Grüne), Marcel Schwerzmann (parteilos) und Paul Winiker (SVP) buhlen um die beiden verbleibenden Sitze in der Luzerner Regierung. zentralplus fühlt den drei Kandidaten den Puls. Zum Auftakt spricht der 63-jährige Paul Winiker über seinen Leistungsausweis, seine unkonventionellen Auftritte und seinen Führungsstil. 

zentralplus: Paul Winiker, Ihr Parteikollege Franz Grüter will in den Ständerat und schiesst einzig gegen CVP-Kandidatin Andrea Gmür. Ist das nicht wahnsinnig ungeschickt, da Sie im zweiten Wahlgang noch auf die Gunst der CVP-Wähler angewiesen sind?

Paul Winiker: Grundsätzlich ist es klar, dass jemand aus der SVP für die Ständeratswahlen antritt. Ich gehe davon aus, dass die Wählerinnen und Wähler unterscheiden können zwischen Regierungsrats- und Ständeratswahlen 

zentralplus: Sie wollen das Vorgehen von Franz Grüter also nicht kommentieren.

Winiker: Ich persönlich halte das immer so, dass ich für meine Positionen und die Werte der Partei antrete und nicht gegen einen anderen Kandidaten.

zentralplus: Wie schätzen Sie Ihre knappe Nichtwahl mit ein bisschen Abstand ein?

Winiker: Es gab ein linkes Bashing gegen die bürgerliche Finanzpolitik. Und vor allem wurde sie von jenen Leuten nicht gewürdigt, die von unserer Strategie profitieren. Ich finde es schade, wenn die Zufriedenen der Urne fernbleiben. Wirtschaftlich läuft es im Kanton Luzern sehr gut. Offenbar sind gute Nachrichten in der Politik nicht gut fürs Geschäft. Man muss eben die Unzufriedenen kitzeln. Das ist den Grünen mit der Klima-Diskussion gelungen.

zentralplus: Sehen Sie sich als Bewahrer?

Winiker: Nicht als Bewahrer. Früher liefen wir anderen Kantonen hinterher. Jetzt haben wir mit einigen Massnahmen, da gehören die tiefen Steuern dazu, eine Dynamik erzeugt. Ich will diese erfolgreiche Vorwärtsbewegung jetzt nicht bremsen, sondern weiterentwickeln. Wir dürfen nicht in den alten Schlendrian verfallen.

zentralplus: Sie treten gemeinsam mit Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (parteilos) auf. Wieso geben Sie kein Statement für die Konkordanz ab – schliesslich hat die SVP vor vier Jahren genau so ihren Anspruch begründet?

Winiker: Man sollte die stärksten politischen Kräfte einbinden. Aber auch wir liefen acht Jahre lang an. Es ist nicht so, dass der Wähler jemanden ausschliesst, sondern er wählt ganz einfach. Also bestimmen nicht die Parteien, sondern die Wähler. Nebst dem Anspruch müssen Parteien auch Persönlichkeiten aufstellen, die über das eigene Lager hinaus Lösungen finden können. Und selbstverständlich muss man in der Lage sein, ein Departement zu führen. Man ist für mehrere hundert Leute verantwortlich und managt ein Budget von mehreren hundert Millionen Franken. Das braucht Lebens- und Führungserfahrung.

Vor vier Jahren schaffte Paul Winiker für die SVP den Einzug in die Regierung. Hier wird er vereidigt. Im Hintergrund die SVP-Fraktion und Teile der FDP-Fraktion (oben rechts).

Vor vier Jahren schaffte Paul Winiker für die SVP den Einzug in die Regierung. Hier wird er vereidigt. Im Hintergrund die SVP-Fraktion und Teile der FDP-Fraktion (oben rechts).

(Bild: Kanton Luzern)

zentralplus: Die SVP hat bei Majorzwahlen oft Mühe, weil es offenbar an über die Parteigrenzen hinaus mehrheitsfähigen Persönlichkeiten mangelt. Warum haben Sie das vor vier Jahren geschafft?

Winiker: Ich wurde in Kriens als relativ Unbekannter gewählt, weil ich einen Leistungsausweis aus der Wirtschaft hatte und als lösungsorientiert galt. Ich war 25 Jahre lang in der Wirtschaft in Kaderpositionen aktiv. Im Kantonsrat konnte ich stets gut kommunizieren. Ich war berechenbar für alle und bemüht, Lösungen zu finden, die mehrheitsfähig sind.

zentralplus: Sie erlebten die Konkordanz in der Luzerner Regierung nicht. Im Krienser Gemeinderat allerdings schon. Was ist der Unterschied?

Winiker: Kriens ist ein gutes Beispiel bezüglich Konkordanz. Durch meinen Austritt wurde die Konkordanz unterbrochen – durch einen Volksentscheid. Sehr häufig wird Konkordanz übrigens von links-dominierten Gremien missachtet. Besonders die SVP wird da häufig geschnitten, siehe die Regierungen in den welschen Kantonen oder den Städten.

zentralplus: Was ist denn der effektive Unterschied in der Zusammenarbeit?

Winiker: Ob es tatsächlich Unterschiede gibt, ist fraglich. Als Mitglied einer Exekutive verhält man sich anders als in einer Parlamentsfraktion. Als Sicherheitsdirektor brauche ich für meine Anliegen die Unterstützung meiner Regierungskollegen, da spielt die Parteizugehörigkeit eine untergeordnete Rolle. Deshalb sollte man die Konkordanz nicht überbewerten. Mir ist aber auch klar, dass ich mit dieser Meinung eine Innensicht vertrete und dass dies von aussen anders wahrgenommen werden kann.

«Ich war berechenbar für alle und bemüht, Lösungen zu finden, die mehrheitsfähig sind.»

zentralplus: Welche Rolle spielt die Sympathie?

Winiker: Das ist sehr wichtig, aber schwierig messbar. Ich pflege einen offenen Umgang mit Menschen und eine gute Gesprächs- oder Diskussionskultur. Ich versuche immer, und zwar nicht nur in der Politik, mich ins Gegenüber hineinzufühlen. Wie würde ich denken und empfinden?

«Ich halte nichts von gespielter Zurückhaltung.»

zentralplus: Sie geben an der Fasnacht mitten im Getümmel Interviews, tragen Ihre rote Sonnenbrille an offiziellen Anlässen oder besuchen mit Ihrer Tochter ein Foreigner-Konzert und schreien in die Kamera. Es scheint Sie nicht zu kümmern, was man über Sie denkt?

Winiker: Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Wir haben uns nie «verstellt», um anderen zu gefallen. Warum soll ich mich heute anders verhalten, nur weil ich in der Regierung bin? Selbstverständlich haben wir eine Rolle auf Zeit. Aber warum kann ich nicht mit meiner Tochter an ein Rockkonzert gehen und meine Begeisterung zeigen? Ich halte nichts von gespielter Zurückhaltung. So bin ich.

Paul Winiker besuchte dieses Jahr das Sechseläuten in Zürich:

 

zentralplus: Verändert man sich als Person in einem solchen Amt nicht automatisch? Wird zurückhaltender oder staatsmännischer?

Winiker: Leute sollten nicht meinen, dass sie bei einer Wahl plötzlich ein anderer Mensch seien. Wer die Bodenhaftung verliert, verliert auch den Kontakt zu seinen Wurzeln. Dies erkennen Personen aber oft erst, wenn sie ihre Funktion nicht mehr haben.

zentralplus: Geselligkeit ist Ihnen wichtig. Stimmt es, dass an ihrem 60. Geburtstag 600 Leute eingeladen waren?

Winiker: Es waren schon weniger. (Lacht). Aber wir haben eine Turnhalle gefüllt. Ich habe Leute, die mich das Leben lang begleitet haben, eingeladen. Vom BTV-Handballer, über Zunft-, Schul-, Partei-, Militärkollegen bis zu meiner Familie. Wenn man das summiert, kommen sehr viele zusammen. Dies war kurz nach meiner Wahl und ich wollte mit dem Fest auch etwas Abschied nehmen von der Gemeinde Kriens. Ich entschuldige mich bei allen, die nicht eingeladen waren.

 

zentralplus: Haben Sie nie Bedenken, unseriös zu wirken?

Winiker: Man darf an einem Volksfest durchaus volkstümlich auftreten. Das heisst aber nicht, dass man seinen Job nicht mit aller Sorgfalt und Ernsthaftigkeit macht. Ich möchte das auch noch vier weitere Jahre machen. Denn es gibt einige Baustellen. Die Bevölkerung erwartet auch, dass man dran bleibt. Regieren ist keine Spass-Veranstaltung. 

zentralplus: Wo sehen Sie denn eine Baustelle?

Winiker: Ich nenne etwas, das man nicht unterschätzen sollte. Es gelingt uns nicht mehr, für den Zivilschutz genügend Leute zu rekrutieren. Mit einer Zeitverzögerung wirkt sich das fatal aus. Plötzlich gibt’s keine Zivilschutz-Pioniere mehr. Das ist nur ein kleiner Bereich. 

zentralplus: Wie würden Sie Ihren Leistungsausweis der letzten vier Jahren beschreiben?

Winiker: Ich musste zu Beginn viel lernen. Ich bin aber der Meinung, dass wir in jedem Bereich einen klaren Plan entwickelten und erste Massnahmen umsetzten. Ich nenne als Beispiel den Justizvollzug, bei dem wir eine Strategie für die Weiterentwicklung der Gefängnisse erarbeitet haben. Führungsmässig und organisatorisch haben wir den Grosshof sehr gut aufgestellt. Und nun wollen wir das Wauwilermoos sanieren und erweitern, damit auch diese Justizvollzugsanstalt für die Zukunft gut positioniert ist.

«Bei der präventiven Präsenz der Polizei ist der Ausbau noch nicht geglückt, das gebe ich offen zu.»

zentralplus: Bei der Polizei gaben besonders die Sparmassnahmen zu reden.

Winiker: Trotz finanzieller Engpässe haben wir aber einiges erreicht. Bei der Terrorbekämpfung konnten wir die Ausrüstung komplettieren, im Bereich der häuslichen Gewalt konnten wir mit Tasern ein gutes Mittel für unsere Polizisten anschaffen. Wir gaben uns selbst den Auftrag, den administrativen Teil zu optimieren, um mehr Leute an die Front zu bringen. Das haben wir erfolgreich abgeschlossen. Jetzt braucht’s diese Entwicklung noch bei der Kripo. Der neue Chef hat sich dieser Aufgabe bereits angenommen. Das Stationierungskonzept haben wir überprüft. Wir wollen dezentral organisiert bleiben, wollen aber die zentralen Führungseinheiten am neuen Stützpunkt Rothenburg konzentrieren. Bei der präventiven Präsenz der Polizei ist der Ausbau noch nicht geglückt, das gebe ich offen zu.

zentralplus: Muss man nicht einmal hinstehen und sagen, im JSD kann nicht mehr noch mehr gespart werden?

Winiker: Die konsequente Haltung «Keine Entlassungen aus monetären Gründen» haben wir durchgezogen. Deshalb haben wir das Budget 2018 nicht eingehalten. Dafür gab es Schelte aus dem Parlament. Dafür übernehme ich die politische Verantwortung. An anderen Orten war Sparen durchaus möglich. So haben wir die Abteilung Gemeinden personell schlanker aufgestellt. Zudem haben wir Dienstleistungen digitalisiert. Beispielsweise sind wir bei der Motorfahrzeugkontrolle auf dem Weg zur Volldigitalisierung.

Zur Person

Paul Winiker ist seit 2015 Luzerner Regierungsrat. Er schnappte sich damals den Sitz von SP-Regierungsrätin Yvonne Schärli. Davor war der 63-Jährige während acht Jahren Kantonsrat und Gemeinderat in Kriens, wobei er von 2012 bis 2015 als Gemeindepräsident amtete. Winiker ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er wohnt seit 27 Jahren in Kriens.

Nach dem Wirtschaftsgymnasium an der Kantonsschule Alpenquai in Luzern schloss Winiker das Studium als Betriebswirtschafter an der Universität Zürich ab. Als Auditor von internationalen Firmen (unter anderem bei der Sandoz Gruppe, heute Novartis) sammelte er mehrjährige Erfahrungen im In- und Ausland, ebenso als Controller und Finanzchef bei einer internationalen Handelsgruppe (Univeg). Danach war Winiker in der Telekommunikationsbranche tätig und machte sich schliesslich 2002 als Wirtschaftsberater und Verwaltungsrat selbstständig. 

zentralplus: Sie sagen also, der Spardruck hat sich auch positiv ausgewirkt?

Winiker: Ein gewisser Druck, um die Strukturen zu hinterfragen und zu überprüfen, gehört dazu. Das habe ich auch in der Privatwirtschaft nicht anders erlebt. Das Problem ist, dass in der Politik häufig die Rasermäher-Methode greift und einfach alle den gleichen Beitrag leisten müssen.

zentralplus: Sie haben auch danebengegriffen. Die Gebühr für Papierrechnungen bei den Verkehrssteuern war widerrechtlich. Wurde unsorgfältig gearbeitet?

Winiker: Wir haben die Abklärungen zwar gemacht, waren aber der Meinung, dass es rechtlich zulässig sei und man es wagen kann. Dass man «hineintrampte», ist unglücklich. Es zeigt sich aber auch, dass weder die Regierung noch das Parlament bessere Ideen hatten. Die 1 Franken 50 hat das Parlament durchgewinkt. Im Gegenzug wurde dafür aus regionalpolitischen Motiven die Abschaffung des Prüfstandorts Sursee gestrichen. So ist Politik. 

zentralplus: Zu Ihrer tagtäglichen Arbeit als Departementsvorsteher. Welchen Führungsstil pflegen Sie?

Winiker: Ich will immer Varianten hören, das habe ich im Militär gelernt.

zentralplus: Das tönt nach Plan B – Kollege Schwerzmann hatte bekannterweise einst keinen. Dies flog ihm nach der gescheiterten Steuererhöhung um die Ohren.

Winiker: Es gibt immer Varianten, wie man ein Problem lösen kann. Jede hat seine Vor- und Nachteile. Aber letztlich muss ich abschliessend entscheiden. Ich muss schliesslich einen Entscheid verantworten und vertreten. Am besten ist es natürlich, wenn die Auffassungen übereinstimmen. Dies nennt man einen kooperativen Führungsstil. Ich muss sagen, dass der Baukasten der Methodik, welche ich mir im Militär und an der Uni aneignete, sehr wertvoll ist. Man lernt, das Machbare umzusetzen, auch wenn es nicht immer perfekt ist.

zentralplus: In den letzten vier Jahren befanden sich fünf Offiziere in der Regierung. Aus Ihrer Sicht kein Zufall?

Winiker: In dieser Position braucht es Führungserfahrung. Es gibt immerhin vier Hierarchiestufen. Deswegen ist diese Ebene anspruchsvoller als meine Aufgaben als Krienser Gemeindepräsident.

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