«Fremde Richter» stören Luzerner Magistraten

Paul Winiker begibt sich mit SVP-Kurier-Beitrag auf dünnes Eis

SVP-Regierungsrat Paul Winiker hier bei einer Rede an einer SVP-Delegiertenversammlung.

(Bild: zvg)

Im jüngsten SVP-Kurier äussert sich der Luzerner Regierungsrat Paul Winiker zu nationalen Themen wie «selbstständiges Handeln». Pikant: Der Regierungsrat hat intern beschlossen, sich bei der Selbstbestimmungsinitiative nicht zu äussern. Winiker steht nun in der Kritik – auch wenn er seinen Beitrag nicht als Abstimmungsempfehlung sehen will.

Manch einer wird wohl gestaunt haben, als er den jüngsten SVP-Kurier in den Händen hielt. Regierungsrat Paul Winiker äussert sich in dem Parteiblatt zu Themen, welche die Schweiz derzeit in Atem halten und im Rahmen der «Selbstbestimmungsinitiative» heftig diskutiert werden: Von «Gefährdung der direkten Demokratie» und «selbstständigem Handeln» schreibt Winiker in seinem Beitrag. 

Und auch das Bundesgericht greift Winiker frontal an. Es verstosse immer wieder gegen die Verfassung, so der SVP-Politiker. Brisant: Winiker tut dies in seiner Rolle als Regierungsrat – obwohl das Gremium als Ganzes bisher nie Stellung zu diesen Punkten bezogen und sich gar einen Maulkorb verpasst hat. Mischt sich Winiker hier also in ein Thema ein, für das er gar nicht zuständig ist?

Befremden beim Nein-Komitee

Beim Luzerner Komitee «Nein zur Selbstbestimmungsinitiative» zeigt man sich jedenfalls überrascht, dass Winiker im Mäntelchen des Regierungsrats persönlich Stellung zu diesem heissen Eisen bezieht. Und dies hat gute Gründe. 

«Wir wollten für unsere Kampagne eigentlich Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor Robert Küng als Co-Präsidenten und somit als Aushängeschild gewinnen», sagt Kampagnenleiter Lucas Zurkirchen. Dem Komitee gehören Vertreter und Politiker aller grossen Parteien ausser der SVP an. Hinzu kommen bekannte Personen und einflussreiche Verbände aus Wirtschaft und Gesellschaft.

Da der Regierungsrat als Kollegium jedoch entschieden habe, sich nicht zur Vorlage zu äussern, hätte der Magistrat dem Komitee eine Absage erteilt. Der Grund sei gewesen, dass die Regierung mit ihrem Beschluss verhindern wollte, dass ihre Mitglieder gegeneinander ausgespielt werden, so Zurkirchen.

«Deshalb haben wir auch die anderen Regierungsräte aus der CVP sowie den parteilosen Marcel Schwerzmann nicht mehr angefragt.» Dass Paul Winiker als Regierungsrat nun trotzdem seine persönliche Meinung kundtut, sei daher doch etwas befremdlich, sagt Zurkirchen.

Es gibt klare Regeln

Verstösst Winiker damit also gegen das Kollegialitätsprinzip? Dazu möchte sich Zurkirchen nicht weiter äussern: «Ob dieses Verhalten Winikers nun unsolidarisch ist, muss der Regierungsrat selber entscheiden», so der Kampagnenleiter und Präsident der städtischen Jungfreisinnigen.

Dass man sich beim Nein-Komitee mit Winikers Entscheid nicht anfreunden kann, ist insofern verständlich, da sich der Regierungsrat generell ein enges Korsett anzieht, was die Beteiligung seiner Mitglieder in Abstimmungskomitees zu nationalen Vorlagen betrifft.

«Der Regierungsrat verfolgt bei eidgenössischen Vorlagen grundsätzlich eine zurückhaltende Praxis und äussert sich nur, wenn der Kanton Luzern vom Ausgang einer Abstimmung direkt betroffen ist.» So lautete die Antwort der Exekutive auf eine Anfrage von SP-Kantonsrätin Ylfete Fanaj im Jahr 2016. Fanaj wollte wissen, unter welchen Bedingungen die Luzerner Regierung zu nationalen Themen Stellung nimmt.

Winiker bewegt sich wohl auf dünnem Eis

Laut dem Regierungsrat zählen unter anderem grosse finanzielle und/oder regulatorische Auswirkungen auf den Kanton oder das Vorhandensein einer Vorlage, die zwingend einer Stellungnahme des Regierungsrates bedürfen dazu. Eine Kantonsinitiative oder das Vorliegen einer Stellungnahme der Konferenz der Kantonsregierungen oder einer anderen kantonalen Direktorenkonferenz fallen in diese Kategorie.

Zwar sei laut Regierungsrat der Beitritt zu genannten Komitees im Grundsatz zulässig, er achte allerdings darauf, «dass dem Engagement seiner Mitglieder bei Wahlen oder bei der Zugehörigkeit zu Wahlkomitees kein amtlicher Anstrich gegeben wird».

Ob Winiker wegen seines Vorpreschens ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, lässt sich nicht abschliessend klären. Sicher scheint aber, dass er sich damit auf dünnes Eis begibt.

Keine Aussagen zur Initiative

Dies sieht Winiker ganz anders. «Ich habe mich für die Ja-Kampagne zur SBI nicht zur Verfügung gestellt und wirke auch nicht in einem Komitee mit», so der Justiz- und Sicherheitsdirektor.

Zudem habe er sich nicht zur aktuellen Vorlage geäussert. «Geäussert habe ich mich zur Tatsache, dass Organisationen ausserhalb unseres Landes verstärkt versuchen, auf Prozesse in unserem Land einzuwirken.»

«Besonders stossend sind aber die europäischen Gerichte, welche unsere Bundesverfassung zunehmend übersteuern.»

Paul Winiker im SVP-Kurier

Weiter erscheine der SVP-Kurier regelmässig und sei jeweils auf ein aktuelles Thema ausgerichtet. «Ich bin jeweils eingeladen, einen Textbeitrag zu liefern», sagt der SVP-Politiker.

Dass der Artikel gerade jetzt publiziert wurde, scheint allerdings kein Zufall zu sein. Und einige von Winikers Voten erinnern doch sehr an diejenigen verschiedener nationaler SVP-Politiker. Der Text ist teils mit fast schon populistischen Passagen bestückt.

Paul Winiker in seinem Büro.

Paul Winiker in seinem Büro.

(Bild: les)

«Das Bundesgericht hat (…) ein Primat des Völkerrechts stipuliert, gar unter Missachtung unserer Verfassung» steht da. Es folgt an anderer Stelle: «Die jüngsten Wahlergebnisse im benachbarten Ausland zeigen, dass das Schweizer Volk mit seinem Drang nach Selbstbehauptung und Selbstbestimmung noch immer auf dem richtigen Weg ist.» Und weiter hinten: «Besonders stossend sind aber die europäischen Gerichte, welche unsere Bundesverfassung zunehmend übersteuern.»  Ein Schelm, wer hier an eine versteckte Stimmempfehlung denkt. 

Gemeinsam gegen aussen

Winiker versucht aber zu beschwichtigen. Denn wie wichtig die Diskussion über diese Punkte in der Schweiz sei, zeige auch seine Referenz auf ein in den vergangenen Wochen breit diskutiertes Zitat von alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (SP), sagt Winiker. Dieses lautet: «Das Schweizer Recht schützt besser als das europäische.»

«Das Zitat (…) bezieht sich auf den Druck der EU auf die Schweiz für den Abschluss des Rahmenabkommens. Es zeigt exemplarisch, dass der Druck auf die Schweiz, auch auf die Arbeitnehmer, durch die EU nach wie vor zunimmt», so Winiker. In seinem Text habe er deshalb versucht, darzulegen, dass in der Schweiz alle gemeinsam, quer über alle Parteigrenzen hinweg, für die hiesige Rechtsordnung kämpfen müssten.

«Für diese bewährte Rechtsordnung einzustehen, hege ich daher keine Bedenken», sagt Winiker mit Nachdruck. «Problematisch wäre es hingegen, unsere funktionierende Rechtsordnung zu verlassen.»

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