Kritik an Richtlinien zum günstigen Wohnraum

Ohrfeige für den Zuger Stadtrat

Damit Familien künftig nicht so hausen müssen, erarbeitet der Zuger Stadtrat derzeit eine Strategie zum günstigen Wohnen. (Bild: Barbara Wieser)

Was der Stadtrat wollte: schärfere Richtlinien für die Vermietung von preisgünstigen städtischen Wohnungen. Was die lokalen Politiker dazu sagen: Die Richtlinien sind viel zu nett und bevorteilen auch Gutverdiener. Deshalb will der Stadtrat die Richtlinien nun nochmals überarbeiten. Und das kostet Zeit.

Alle sollen in Zug wohnen dürfen. Auch die weniger gut Betuchten. Das hat das Stadtzuger Stimmvolk mit dem Ja zur Volksinitiative «Wohnen in Zug für alle» im Jahr 2012 gefordert. Die Idee klingt einfach, scheint jedoch in der Umsetzung durchaus anspruchsvoll zu sein. Wie die aktuellen Entwicklungen im Zuger Stadtrat beweisen.

Das Ziel ist klar: Menschen mit einem weniger tiefen Einkommen und Vermögen sollen auch in Zug leben können. Dazu hat der Stadtrat im November neue Richtlinien für die Vermietung von preisgünstigen Wohnungen verabschiedet. «Wichtig war uns, dass wir eine konsequente Umsetzung der Initiative haben und proaktiv agieren. Ausserdem ist es in unserem Sinn, als Stadt eine Vorbildfunktion beim Thema einzunehmen», erklärte Karl Kobelt, Finanzchef der Stadt Zug an der Medienkonferenz vom Donnerstag.

Der Faktor sechs stösst bei Parteien sauer auf

So hat der Stadtrat eine Obergrenze für Einkommen und Vermögen festgelegt, welche die Mieter der heute 288 preisgünstigen Wohnungen aufweisen müssen. Konkret wird mit dem Faktor sechs gerechnet. Will heissen: Die Mieter einer Wohnung dürfen nicht mehr als sechsmal so viel verdienen, wie die Wohnungsmiete ausmacht. Man rechne. Wenn jemand 6000 Franken versteuerbares Einkommen monatlich hat, steht es ihm zu, eine subventionierte Wohnung von netto 1000 Franken zu mieten. Gleichzeitig war eine Vermögensobergrenze von 500’000 Franken vorgesehen.

«Es ist klar zum Ausdruck gekommen, dass alle Parteien, von links bis rechts, die neuen Richtlinien ablehnen.»

Karl Kobelt, Finanzchef Stadt Zug

Bei den städtischen Politikern trifft insbesondere der Faktor sechs beim Einkommen jedoch auf heftigen Widerstand, weshalb der Stadtrat vergangene Woche das Gespräch mit den im Grossen Gemeinderat vertretenen Parteien gesucht hat.

«Dabei ist klar zum Ausdruck gekommen, dass alle Parteien, von links bis rechts, die neuen Richtlinien ablehnen», sagt Karl Kobelt, Vorsteher Finanzdepartement. «Insbesondere die Obergrenze für das Einkommen wird einhellig als zu hoch empfunden. Ausserdem gibt es Einwände bezüglich der vorgesehenen Kontrollmechanismen.»

Zurück an die Arbeit!

Der Stadtrat hat deshalb beschlossen, die Richtlinien zu überarbeiten. Er sucht in den kommenden Wochen nach Lösungen, die politisch breit getragen werden. Karl Kobelt: «Die Prämisse ist klar: Wir wollen sicherstellen, dass Menschen mit kleinerem Budget  in der Stadt Zug eine bezahlbare Wohnung finden. Gleichzeitig wollen wir bisherigen Mieterinnen und Mietern, die allenfalls keinen Anspruch mehr haben, eine solche Wohnung zu bewohnen, bei einer Kündigung ein faires und verhältnismässiges Vorgehen garantieren.»

«Vieles, was wir bisher erarbeitet haben, bleibt gültig. Das ist kein verlorener Aufwand.»

Laura Guthke, Portfolio Managerin der Stadt Zug

Viel Aufwand hat der Stadtrat also betrieben, bis die neuen Richtlinien standen. Nun wurde der Plan erheblich zurückgeworfen. «Es ist ja nicht so, dass wir wieder bei Null beginnen müssen. Vieles, was wir bisher erarbeitet haben, bleibt gültig. Das ist kein verlorener Aufwand», relativiert Laura Guthke, zuständig fürs Portfolio-Management der Stadt Zug.

Und dennoch. Der grosse Widerstand, der von den Parteien bereits jetzt kommt, deutet doch darauf hin, dass am Volk vorbeipolitisiert wurde. «Der Stadtrat hat sich sehr klar überlegt, wie genau er seine Strategie zum preisgünstigen Wohnen umsetzen kann», erklärt Finanzchef Karl Kobelt. Und ergänzt: «Beim Faktor sechs ist die maximale Obergrenze gemeint. Es ist uns klar, dass jene Bewerber Vorrang hätten, die ein tieferes Einkommen vorweisen.»

Obwohl sich der Stadtrat nun nochmals intensiv hinter die Erarbeitung neuer Richtlinien klemmen muss, sieht Kobelt auch Positives: «Offenbar gehen die Vertreter des Gemeinderats mit dem Stadtrat einig, dass wir die neuen Richtlinien möglichst bald realisieren wollen und dass dabei der pflegliche Umgang mit den bestehenden Mietern wichtig ist.»

Will heissen: Wer die Kriterien für eine subventionierte Wohnung nicht erfüllt, wird nicht gleich Hals über Kopf auf die Strasse gestellt. «Insbesondere müssen sich jedoch Leute auf einen Umzug gefasst machen, bei denen mehrere Kriterien nicht eingehalten werden», so Kobelt.

Noch entscheidet der Stadtrat alleine

Beat Bühlmann, SVP-Mitglied des Zuger Gemeinderates, hat sich letzten Dezember mittels Interpellation gegen die aktuelle Situation bezüglich günstigen Wohnraums gewehrt. Mit dem Vorstoss will er verhindern, dass Topverdiener an günstige Stadtwohnungen kommen. Er ist zufrieden damit, dass die städtischen Politiker den Faktor sechs einhellig als zu hoch ansehen und dass der Stadtrat nun nochmals an den Richtlinien schleifen muss.

Bühlmann sagt: «Wir wollen das Gesetz so ändern, dass der GGR künftig die Grundlagen beim Thema günstiger Wohnraum vordefinieren kann und diese dann vom Stadtrat verfeinert werden. Derzeit ist es jedoch noch so, dass alleine der Stadtrat darüber befindet.»

Wie sieht denn nun der Zeitplan des Stadtrats aus? «So rasch wie möglich», lautet die vage Antwort Kobelts. Und etwas präziser? «Spätestens Ende Jahr», lässt er sich entlocken.

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Juerg Messmer
    Juerg Messmer, 15.01.2016, 12:33 Uhr

    Der Stadtrat hat mit dem Rückzug des neuen Reglements das einzig Vernünftige getan. Beim preisgünstigen Wohnungsbau geht es darum, jungen Zugerinnen und Zugern eine Starthilfe anzubieten. Wer zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen will, eigener Job, eigene Wohnung, kann sich im Normalfall nicht einfach so eine Wohnung leisten. Damit diese junge Erwachsene nicht von der Stadt Zug wegziehen müssen, kann die Stadt mit preisgünstigen Wohnungen Hand bieten. Wo sicher nicht Hand geboten werden muss, ist bei einem Jahreseinkommen von CHF 144’000.00, wie dies im Reglement vorgesehen war. Daher ist eine maximale oberste Limite von Faktor 3-4 der Wohnungsmiete im Reglement festzusetzen. Und nicht wie vom Stadtrat vorgeschlagen ein Faktor 6!

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