Erwartungen ans neue Stück erfüllt

Ohne Rolf – aber mit …?

Ohne Rolf befasst sich im neuen Stück mit den Tücken des Bewerbungsverfahren.

(Bild: zVg)

«Seitenwechsel» heisst das neue Stück von Ohne Rolf. Eine Rezension des unterhaltsamen Stücks, das am 2. November seine Uraufführung im Kleintheater Luzern erlebte.

Das Kleintheater ist bis auf den letzten Sitzplatz ausverkauft, Ohne Rolf betreten die Bühne und der Applaus setzt ein, bevor sie überhaupt mit ihrem neuen Programm «Seitenwechsel» begonnen haben. Sogleich ist klar: Das Bühnenkonzept ist bekannt – die Erwartungen sind gross! Doch wer denkt, die beiden Kabarettisten zu kennen, lernt sie jetzt von einer anderen Seite kennen.

Publikum musste arbeiten

Stellen Sie sich vor: Sie landen mitten in einem Bewerbungsverfahren. Ihr Plan war: Das Wochenende gemütlich im Kleintheater beginnen, die Woche beim Lesen von Plakaten ausplempern lassen, in der Pause ein Cüpli schlürfen und mal wieder der puren Unterhaltung frönen. Aber nein – das Duo Ohne Rolf, bestehend aus Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg, macht Ihnen einen Strich durch die Rechnung. Sie müssen Ihren Namen, Beruf und Bewerbungsgrund preisgeben und obendrauf noch ein Selbstporträt zeichnen. Denn Ohne Rolf braucht Ersatz und sucht vielleicht genau SIE!

Seitenwechsel ist Programm

«Seitenwechsel» ist nicht nur der Titel dieses Abends, «Seitenwechsel» ist Programm. Das Schicksal der beiden Plakatkünstler ist vorgedruckt und sie wissen: Es dauert nur noch wenige Plakate, bis Jonas die Seite wechseln muss. Bleibt ihnen nichts anderes übrig, als einige Bewerber genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie wäre es mit Heinrich, dem Versicherungsheini? Nein, unsympathisch, weil er nicht aus seiner Rolle kann und den beiden eine Versicherung aufschwatzt. Oder mit dem gestressten Notarzt, der ständig unter Zeitdruck steht. So auch bei der Vorstellung seines Tagesablaufs (Herz. Schnitt. Blut. Puls.). Er, der sich danach sehnt, endlich mal nicht zu denken, nicht zu entscheiden, sondern einfach nur zu blättern. blättern. blättern. blättern. Interessant, aber leider nicht verfügbar – er wird von einem Notfallanruf von der Bühne geholt. Tja, dann gäbe es noch den wortkargen IT-Spezialisten, die anspruchsvolle Journalistin, den betrunkenen Hypnotiseur … Fazit: allesamt ungeeignet.

Eine Szene aus dem neuen Stück.

Eine Szene aus dem neuen Stück.

(Bild: zVG)

Interaktivität hineingebracht

Doch das Problem liegt nicht allein bei den Bewerbenden. Die beiden Plakatkünstler sind selber unerfahren, was das Führen von Vorstellungsgesprächen angeht. Denn in «Seitenwechsel» bringt das Komiker-Duo ein Element ins Spiel, welches in ihren bisherigen Programmen («Blattrand» 2004, «Schreibhals» 2008, «Unferti» 2012) ungenutzt blieb: Interaktivität. Ohne Rolf brechen ihr Format auf und loten die Grenzen aus. So weit, dass sie – unter Hypnose – zu sprechen und zu singen beginnen. Die beiden mehrfach Preisgekrönten (u.a. Deutscher Kleinkunstpreis 2014 und Deutscher Kabarett-Preis 2015) beweisen, dass ihr simples Bühnenkonzept mehr ist als nur Blättern. Sie blättern um die Wette, sie blättern blind und sie zaubern Hasen von ihren Plakaten weg. Quasi nebenbei handeln sie dabei Alltagssorgen wie etwa das Kleingedruckte bei Versicherungen oder den unnötigen Papierverschleiss ab.

Intelligente Kleinkunst

Die beiden Luzerner wissen: Witze entstehen durch unerwartete Wendungen und das richtige Timing. Für beides haben sie ein ausserordentlich gutes Händchen. Immer blättern sie im richtigen Tempo, nie fallen sie aus der Rolle. «Seitenwechsel» ist intelligente Kleinkunst mit einfachen Mitteln, aber grosser Liebe zum Detail. Und damit etwas vom Unterhaltsamsten, was es auf Luzerner Bühnen zu sehen gibt. Apropos unerwartet: Am Ende kommt der Seitenwechsel dann doch schneller als erwartet. Aber immerhin leuchten Bühnenscheinwerfer am Ende des Tunnels.

Text: Simone Keller

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Kulturteil.ch entstanden und kann auch hier gelesen werden. Dort findet man auch die weiteren Vorstellungsdaten des Stücks von Ohne Rolf.

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