Bankomatenmangel in Luzerner Quartieren

Ohne Bargeld droht Nachtschwärmern ein langer Marsch

Viele auf engem Raum: Drei Bankomaten der Credit Suisse an der Habsburgerstrasse in Luzern.

(Bild: bic)

Ausserhalb der Innenstadt gibt es in Luzern kaum Geldautomaten. In der Neustadt oder dem Tribschenquartier fehlen sie fast komplett, obwohl sich hier eigentlich eines der angesagtesten Ausgehviertel der Stadt befindet. Wie die Anbieter ihre 12 Geräte beim Bahnhof begründen.

An einem normalen Dienstagabend um 21 Uhr im sehr gut besuchten Neubadbistro: Gerne würde man noch eins trinken. Doch völlig geschockt starrt man ins leere Portemonnaie. «Kein Problem», denkt sich vielleicht Mancher im ersten Moment. «Da gehe ich doch kurzerhand zum Bankomaten.»

Dann die bittere Realität: So schnell wird man wahrscheinlich nicht wieder zurück sein. Der nächste Geldautomat an der Habsburgerstrasse liegt zu Fuss sage und schreibe 750 Meter entfernt. Dafür gibt es hier gleich drei davon. Man ist also gut und gerne 20 Minuten unterwegs. Und das für eine einzige Stange. Da verschuldet man sich halt doch lieber beim netten Kollegen.

Neubad wollte eigenen Geldautomaten

Für das Neubad ist die Situation mit den fehlenden Geldautomaten denn durchaus etwas mühsam, wie Urs Emmenegger, Veranstaltungschef des Neubads, auf Nachfrage bestätigt.

«Wenn man erst einmal in der Innenstadt ist, kommt man oft nicht wieder zurück in die Industriestrasse.»

Nicolas Gomez, Betreiber Bar59

Man würde einen Automaten innerhalb einer nützlichen Distanz sehr begrüssen. «Wir haben uns sogar ernsthaft überlegt, direkt in unserem Haus ein Gerät installieren zu lassen», sagt er. Bei der PostFinance sei man aber auf taube Ohren gestossen. Dazu später mehr.

Zwangsweise Kartenlesegeräte angeschafft

Das Neubad hat für das Bistro zwar mittlerweile ein Kartenlesegerät angeschafft, eine Kartenzahlung ist indes erst ab 20 Franken möglich. Das Angebot der Kartenzahlung wurde zwar notwendig, die Situation mit dem Bargeld sei jedoch nicht dramatisch, so Emmenegger.

Das Problem stellt sich allerdings nicht nur beim Neubad. Auch in der Bar59 an der Industriestrasse ist das Bezahlen mit Karte erst ab einem Mindestbetrag von 30 Franken möglich, sagt Betreiber Nicolas Gomez.

Viele seiner Kunden mussten bisher in Richtung Neustadt laufen, um Bargeld zu beziehen. Es scheint, dass viele der Barbesucher den Postomat an der Tribschenstrasse nicht kennen oder nicht besuchen wollen.

«Wenn man einmal in der Innenstadt ist, kommt man oft nicht wieder zurück in die Industriestrasse», schildert Gomez die Problematik. Auch er musste deshalb kürzlich für gut 1000 Franken ein Kartenlesegerät anschaffen. Dieses garantiert ihm heute einen Drittel des Umsatzes.

 «Wir stellen einen Rückgang bei den Bezügen am Geldautomaten fest.»

Johannes Möri, Mediensprecher PostFinance

Den Mindestbetrag begründet Nicolas Gomez von der Bar59 mit den Gebühren, die für jede Transaktion fällig werden. 2,8 Prozent oder gut 14 Rappen verliere er jedes Mal, wenn er eine Stange einzeln per Karte abrechne. Das kann im Jahr mehrere Tausend Franken ausmachen. Gleich tönt es beim Neubad.

So richtig anfreunden kann sich Gomez mit der Situation deshalb (noch) nicht. «Wir müssten die Zeit, die wir für die Kartenzahlung aufwenden, eigentlich dem Service widmen», moniert er. Bei den aktuellen Geräten müssten die Kunden an der Bar noch jedes Mal den Code eingeben, was sehr zeitaufwendig sei.

Kartenzahlung im Moment noch zu teuer

Da sich die Bar59 in einem Keller befindet, habe das Gerät zudem oft Verbindungsprobleme. Das Kartenlesegerät sei letztlich notwendig, aber keine Bereicherung.

Man stelle sich aber nicht grundsätzlich gegen die Technologie, denn sie mache durchaus Sinn, sagen alle angefragten Betriebe. Im Moment koste sie ihn aber einfach noch zu viel, um sie im grossen Stil anbieten zu können, sagt Nicolas Gomez von der Bar59. 

Südpol ist zuversichtlich

Auch das Südpol musste auf die Situation reagieren. Der nächste Bankomat befindet sich bei der Messe Allmend. «Wir sind dabei, ein neues Zahlungssystem zu installieren, welches auch das bargeldlose Zahlen erlaubt», sagt Remo Bitzi vom Südpol.

Auch Bitzi glaubt nicht daran, dass man im Südpol in naher Zukunft auf Bargeld wird verzichten können. Die Entwicklungen rund um das Kulturlokal stimmen ihn aber optimistisch (zentralplus berichtete).

«Unsere direkte Nachbarschaft und die Region Luzern Süd als Gesamtes werden in den kommenden Jahren stetig und in vielerlei Hinsicht aufgewertet – früher oder später wohl auch mit einem Bankomaten», blickt er voraus. Ob die Geldhäuser tatsächlich darauf einsteigen, wird sich weisen müssen.

Hohe Konzentration in der Innenstadt

Es tönt nach viel. Ganze 32 Bank- oder Postomatstandorte gibt es in Luzern vom Würzenbach bis zum Kreuzstutz und vom Maihof bis zum Schönbühl. Doch viele Automaten tummeln sich in einem engen Umkreis.

Die angefragten Banken sind in den letzten Jahren aktiv geworden und haben sich vor allem mit Grossverteilern zusammengetan, um eine möglichst grosse Abdeckung zu ermöglichen. Viele Geschäfte bieten heute einen Cashservice an.

«Kunden können in der Migros, in Coop Pronto Shops, bei Denner, bei Spar, bei Manor und an den SBB-Schaltern gebührenfrei Bargeld beziehen», so PostFinance-Sprecher Möri. Doch wie soll man am Kundendienst einer Migrosfiliale um 23 Uhr Geld abheben?

Beim Bundesplatz ist Schluss: Die grosse Mehrheit der Bankomaten konzentriert sich im Gebiet um den Bahnhof.

Beim Bundesplatz ist Schluss: Die grosse Mehrheit der Bankomaten konzentriert sich im Gebiet um den Bahnhof.

(Bild: GoogleMaps)

Alleine sechs Standorte mit insgesamt etwa einem Dutzend Automaten gibt es nur schon rund um den Bahnhof. Viele der Automaten stehen direkt nebeneinander.

Bei der Raiffeisenbank scheint man sodann auch mehr auf die Anzahl der Geräte anstatt auf deren geographische Verteilung fokussiert zu sein. So unterhält die Bank in der Stadt Luzern neun Bankomaten. Allerdings verteilt auf lediglich vier Standorte, so Mediensprecherin Cécile Bachmann.

Ein anderes Beispiel sind die drei Automaten der Credit Suisse, die an der Habsburgerstrasse gleich nebeneinander stehen. Die letzten, bevor etwas weiter stadtauswärts die grosse Wüste beginnt. Würde einer davon nur wenige hundert Meter weiter stadtauswärts stehen, sähe die Situation ganz anders aus.

Bargeld immer weniger gefragt

Doch was sind die Gründe für die momentane Lage? Die angefragten Betreiber von Geldautomaten sind unisono der Meinung, dass die Nachfrage für Bargeld heute nicht mehr so gross sei. «Der Trend geht ganz klar in Richtung bargeldlose Bezahlung, die inzwischen fast überall möglich ist», sagt Cécile Bachmann, Mediensprecherin der Raiffeisenbank.

Ähnlich tönt es bei PostFinance. «Wir erachten unser Netz aus Postomaten, Poststellen und -agenturen sowie weiteren gebührenfreien Bargeldbezugsmöglichkeiten im Raum Luzern als angemessen», so Mediensprecher Johannes Möri. Insbesondere deshalb, weil man eine sinkende Tendenz bei den Bargeldbezügen feststelle. 

Mehrkosten sprechen gegen Bankomaten

Die Betreibung eines Geldautomaten, der nicht in eine Geschäftsstelle integriert ist, sei sowohl aus technischer Sicht als auch hinsichtlich der Sicherheit kein einfaches Unterfangen.

Zudem führe das Betreiben eines Geldautomaten teilweise zu erheblichen Mehrkosten, so Cécile Bachmann von der Raiffeisenbank.«Damit ein Bankomat wirtschaftlich ist, muss am Standort eine hohe Frequenz gewährleistet sein», sagt sie. Dies sei nur an wenigen Standorten der Fall.

Gebiet Neustadt zu wenig frequentiert

Ins gleiche Horn stösst die Credit Suisse: «Wir betreiben Automaten nur an Orten, die stark frequentiert werden», erläutert Mediensprecher Sebastian Kistner. Die Luzerner Ausgangsmeile Nummer 1 gehört für alle drei Geldhäuser anscheinend nicht dazu.

Eine interessante Antwort liefert PostFinance. Eines der Hauptkriterien für die Installation eines Postomaten ist laut Mediensprecher Möri die Anzahl Geldautomaten in der Umgebung. Laut der Postfinance ist die Abdeckung im Gebiet Neustadt/Tribschen befriedigend.

Das Gebiet Tribschen/Neustadt wurde von der PostFinance evaluiert. «Die Überprüfung des Gebiets hat ergeben, dass wir dort kein zusätzliches Gerät betreiben», sagt Mediensprecher Möri.

Nicht einmal in der Postfiliale an der Bundesstrasse in der Nähe des Paulusplatzes. Auch hier sei die Kundenfrequenz zu tief. Wie sich die Situation nach dem Bezug der neuen Wohnungen und Gewerbeflächen beim Himmelrich präsentieren wird, bleibt abzuwarten (zentralplus berichtete). Ob diese Entwicklungen der PostFinance bewusst sind?

Schweden hat das Bargeld abgeschafft

Wo es langfristig hingehen wird, zeigt Schweden. «Vi hanterar ej kontanter», heisst es dort vielerorts. Auf Deutsch: «Wir akzeptieren kein Bargeld.» Das Land hat mittlerweile die zweitschlechteste Abdeckung mit Geldautomaten in Europa. Doch dies scheint kaum jemanden wirklich zu kümmern.

Sogar der Pfarrer streckt einem beim Verlassen der Kirche ein Kartenlesegerät für die Kollekte entgegen. Auch dass die Verkäufer der Gassenzeitungen elektronisch entschädigt werden, ist im Norden mittlerweile völlig normal. Gerade mal ein Prozent der Transaktionen wurde letztes Jahr noch in bar getätigt.

Ein Modell, das durchaus auch in der Schweiz prüfenswert ist. Bis es so weit ist, müssen sich die Gastrobetriebe der Neustadt sowie deren Kunden noch irgendwie arrangieren.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 12.12.2017, 12:19 Uhr

    Um das zu begreifen, muss man wissen das unsere HSG-Absolventen nur lernen wie man Quartalsberichte ausfüllt, Renditen erhöht, was ein Kunde ist, das wissen sie nicht. Aber grossspurig zu glauben, sie hätte das Zeug ein Unternehmen zu führen, das beherrschen sie

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