Ist der Sonntagsverkauf an Heiligabend nötig?

Offene Zuger Läden am 24. Dezember – das sorgt für Kritik

Shopping bis zur letzten Minute: Das Einkaufszentrum «Zugerland» der Migros in Steinhausen wird am 24. Dezember offen sein.

 

(Bild: Loredana Bevilacqua)

Der 24. Dezember fällt auf Sonntag. Dieses Jahr könnten die Angestellten des Detailhandels an Heiligabend frei haben. Fünf Zuger Gemeinden haben trotzdem einen Sonntagsverkauf bewilligt. Auf Wunsch der Grossverteiler, sagen die meisten. Und weil Kunden dies wünschten. Das löst Kritik aus.

Heiligabend fällt 2017 auf einen Sonntag, alle haben also frei. Respektive: fast alle. Die Frage, ob Läden an diesem Tag offen oder geschlossen sein sollen, sorgt in der ganzen Schweiz für heisse Diskussionen.

Die Gewerkschaft Unia forderte, dass die Läden am 24. Dezember geschlossen bleiben, damit die Angestellten wenigstens einen Ruhetag haben, um ihren familiären und sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Sonntagsruhe solle auch an Weihnachten gelten.

Fünf Gemeinden bewilligten Sonntagsverkauf

Doch im Kanton Zug haben gewisse Gemeindebehörden offenbar wenig Gehör für solche Gedankengänge. Fünf Gemeinden im Kanton Zug haben am 24. Dezember einen Sonntagsverkauf bewilligt: Es sind Baar, Steinhausen, Hünenberg, Risch und Walchwil.

Giuseppe Reo, Regionalsekretär Zentralschweiz der Unia, findet es schade, dass die Gemeinden den Sonntagsverkauf «so locker bewilligt haben», sagt er auf Anfrage. Das sei «nicht schön» für die Angestellten und speziell in der doch katholischen Zentralschweiz. Er findet, dass die Politik ihre Rolle besser spielen und den Willen der Bevölkerung umsetzen sollte. Denn diese wolle das gar nicht. «Die Stadt Luzern ist in dieser Hinsicht vorbildlich, die Läden haben am 24. Dezember zu», so Reo.

Umstrittener Sonntagsverkauf

Während die Zuger Gemeindebehörden teilweise argumentieren, dass sich die Kundenbedürfnisse verändert hätten, äussern diese «Kunden» eine andere Meinung. «Was halten Sie vom Sonntagsverkauf an Heiligabend?», fragte «20 Minuten» rund 13'000 Leser. 39 Prozent gaben an, sie fänden das schrecklich für Shopper wie Verkäufer und 45 Prozent kreuzten an, sie fänden das «eine Zumutung für die Verkäufer». Nötig finden den Sonntagsverkauf nur 11 Prozent.

Manche denken um: Der Grossverteiler Lidl, der auch in Baar ein Gesuch für einen Sonntagsverkauf stellte, hat sich umbesonnen. Er schliesst nun in der ganzen Schweiz seine Filialen an Heiligabend. Die Lidl-Mitarbeiter sollten ihre Weihnachten mit ihren Familien verbringen, teilte Lidl vor zwei Wochen mit.

Stadt Zug macht nicht mit beim Heiligabendverkauf

Auch die Stadt Zug, wo es am meisten Geschäfte gibt, wird nicht zum Paradies für spätentschlossene Shopper oder Zuger/innen, die ihren Turkey, den Braten oder das Fondue chinoise Stunden vor der Bescherung abholen wollen.

Zug hat keinen Sonntagsverkauf am Heiligabend bewilligt. Der Grund ist laut Stadtrat Urs Raschle, dass – ausser den Grossverteilern – die Detaillisten das gar nicht wünschten. Das habe er mit der Detaillistenvereinigung Pro Zug geklärt. «Sie möchten am 24. Dezember auch lieber nicht arbeiten. Deshalb hat sich der Stadtrat für die Sonntagsverkäufe am 8. und 17. Dezember entschieden», sagt Raschle.

«Detaillisten möchten am 24. Dezember auch lieber nicht arbeiten.»
Urs Raschle, Zuger Stadtrat

Gemäss dem Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetz kann der Gemeinderat (in Zug der Stadtrat) an maximal zwei öffentlichen Ruhetagen die generelle Öffnung der Verkaufslokale bewilligen.

Der Kanton hat laut Urs Raschle im Frühling drei Vorschläge an die Gemeinden geschickt: Freitag, 8. Dezember (Maria Empfängnis), der 17. Dezember (Sonntag) und der 24. Dezember (Sonntag). Ein Grund für den Entscheid der Stadt ist auch der Zuger Weihnachtsmarkt. Raschle: «Bei uns ist am 8. Dezember halt Weihnachtsmarkt. Wenn die Geschäfte dann auch geöffnet sind, ist das natürlich attraktiv für die Besucher.»

Baar spricht von liberalem Entscheid

Und wie begründen die anderen Gemeinden ihr Ja zur Sonntagsarbeit an Heiligabend? Andreas Hotz, Gemeindepräsident von Baar, sagt auf Anfrage, dass das Einkaufen am 24. Dezember «grundsätzlich ein Kundenbedürfnis ist». «Betreffend des Arbeitsrechts gehe ich davon aus, dass die Mitarbeiter den Sonntagsverkauf kompensieren können.»

«Das Einkaufsverhalten der Mitbürger hat sich nachweislich verändert.»
Walter Lipp, Gemeindeschreiber von Baar

Laut Gemeindeschreiber Walter Lipp sei der Sonntagsverkauf ein Wunsch der Grossverteiler gewesen. Laut einer Mitteilung der Volkswirtschaftsdirektion wünschten Coop, Migros und Lidl am 24. Dezember einen Sonntagsverkauf. «Der Gemeinderat hat dem Gesuch auch nicht vollumfänglich entsprochen, sondern die Öffnungszeiten für alle auf 16 Uhr begrenzt», sagt Lipp. «Das Einkaufsverhalten der Mitbürger hat sich nachweislich verändert, dieser Veränderung wird mit dem liberalen Entscheid teilweise Rechnung getragen.»

Arno Matter, Präsident des Gewerbevereins Baar, sagt auf Anfrage: «Die Grossverteiler geben in dieser Frage in der Regel den Takt an.» Der Gewerbeverein hatte nichts gegen den Sonntagsverkauf einzuwenden. Matter glaubt aber nicht, dass viele Baarer Läden mitmachen werden. Er würde sich wünschen, dass die Geschäfte wie früher an einem Sonntagsverkauf Geschenke wie Lebkuchen verteilen und ihre Öffnungszeiten einander angleichen würden. «Gemeinsam statt einsam wäre schön. Doch das kostet halt jeden etwas.»

Grossverteiler auch in Cham treibende Kraft

«In Cham haben die Grossverteiler Migros und Coop die Ladenöffnung am 8. und 24. Dezember beantragt», sagt Marc Amgwerd, Abteilungsleiter Verkehr und Sicherheit der Gemeinde. Gemäss Erfahrungen passten sich die anderen Geschäfte von Cham, die an einem Sonntagsverkauf interessiert seien, den Wünschen der Grossverteiler an, heisst es im Gemeinderatsbeschluss.

Kommerz sogar an Heiligabend: Blick in ein Schaufenster des Einkaufszentrums «Zugerland».

Kommerz sogar an Heiligabend: Blick in ein Schaufenster des Einkaufszentrums «Zugerland».

(Bild: Loredana Bevilaqua)

Steinhauser Gemeinderätin übt Kritik am Kanton

Laut Corina Bruengger, Gemeinderätin und Finanzvorsteherin von Steinhausen, hatten die Grossverteiler «einen Grund und ein Recht» auf diesen Sonntagsverkauf. «Von daher sahen wir keinen Grund, ihn nicht zu bewilligen», sagt sie auf Anfrage. Interessanter Aspekt: Laut Bruengger hat die Volkswirtschaftsdirektion ein Gesuch für einen ausserordentlichen Abendverkauf am 23. Dezember abgelehnt (siehe Kasten unten).

Der Gemeindepräsident von Risch, Peter Hausheer, erklärt zentralplus auf Anfrage, dass der Gemeinderat den Sonntagsverkauf in denjenigen Jahren bewilligt, in denen der 24. Dezember eben auf einen Sonntag fällt.

Hausheer: «Die Gründe sind die Berücksichtigung des Kundenbedürfnisses, in diesem speziellen Fall der Einkauf von Frischprodukten.» Durch den Sonntagsverkauf in Risch falle der Ausweichverkehr in andere Gemeinden respektive Einkaufscenter weg, fügt der Gemeindepräsident hinzu.

«Der 24. Dezember ist kein Feiertag und aus rechtlicher Sicht ein normaler Sonntag.»
Daniel Schriber, Gemeinde Hünenberg

Hünenberg: 24. Dezember kein Feiertag

Die Kritik am Sonntagsverkauf lässt die Gemeindebehörden teilweise tief in die Argumentationskiste greifen: «Der 24. Dezember ist gemäss der Zuger Gesetzgebung kein Feiertag und somit aus rechtlicher Sicht ein normaler Sonntag», begründet Daniel Schriber, Leiter Sicherheit und Umwelt der Gemeinde Hünenberg, die Genehmigung des Sonntagsverkaufs.

«Der diesjährige Sonntagsverkauf wurde in Hünenberg auf Grund der eingegangenen Rückmeldungen der an einer Öffnung interessierten Gewerbevertreter und auch auf Grund der sich abzeichnenden Mehrheitslösung unter den Zuger Gemeinden bewilligt.»

In Walchwil gibt's nur den «Spar», und der ist ein Familienbetrieb. Die Geschwister Aksim freuen sich auf den ersten Sonntagsverkauf am 24. Dezember.

In Walchwil gibt’s nur den «Spar», und der ist ein Familienbetrieb. Die Geschwister Aksim freuen sich auf den ersten Sonntagsverkauf am 24. Dezember.

(Bild: Screenshot)

In Walchwil nur ein Laden offen

In Walchwil ist die Situation insofern speziell, als der einzige Laden im Dorf der kleine «Spar»-Supermarkt an der Hinterbergstrasse ist. Er wird erstmals am Sonntag geöffnet haben. Laut Gemeindeschreiber René Arnold hätten die neuen Besitzer ein Gesuch gestellt, weil sie das einmal ausprobieren wollten. «Der Gemeinderat hat Ja gesagt», sagt Arnold.

Zentralplus fragte beim Laden nach: «Es ist nicht optimal, dass der 24. Dezember dieses Jahr auf einen Sonntag fällt», sagt Mit-Inhaberin Sema Aksim. Lebensmittel bräuchten die Leute immer, deshalb sei der 24., wenn er auf einen Arbeitstag falle, ein wichtiger Tag für ihr Gewerbe.

Sie sei froh, dass die Gemeinde Walchwil den Sonntagsverkauf bewilligt habe. «In Zürich ist es schon fast normal, dass Läden sonntags offen haben. In der Zentralschweiz nicht», so Aksim. Es arbeiteten nur Familienmitglieder an diesem Tag im Laden, konkret sie und ihr Bruder Cem.

Migros und Coop: Nur wenige Läden offen halten

Die Grossverteiler Migros und Coop erklärten auf Anfrage, dass nur wenige Läden offen haben werden.

Im Kanton Zug haben laut Antonia Reinhard, der Mediensprecherin der Genossenschaft Migros Luzern, drei Filialen geöffnet: die Migros Baar, die Migros Rotkreuz und das Einkaufscenter Zugerland in Steinhausen von 10 bis 16 Uhr. «Wir haben bewusst nur wenige Standorte offen und nutzen dabei nicht alle bewilligten Möglichkeiten bei den Öffnungszeiten aus», sagt Reinhard. «Wir möchten unseren Kunden den Service bieten, innerhalb des Versorgungsgebietes vom Kanton Zug vor den Festtagen nochmals frisch einzukaufen.»

«Die meisten Mitarbeitenden der Migros Luzern werden am 24. Dezember frei haben.»
Antonia Reinhard, Genossenschaft Migros Luzern

Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegenkommen

Gönnt Migros Luzern ihren Angestellten denn keinen freien Tag?, fragte zentralplus nach. «Die meisten Mitarbeitenden der Migros Luzern werden am 24. Dezember frei haben. Bei den wenigen Filialen, die offen sind, wird bei der Einsatzplanung wo möglich darauf geachtet, den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegenzukommen», sagt die Mediensprecherin. Solche Arbeitstage seien auch bei den vielen Studenten sehr beliebt, die während der Festtage auf Stundenlohnbasis bei der Migros tätig seien.

Laut Markus Eugster, Mediensprecher von Coop Zentralschweiz-Zürich, ist das Thema des 24. Dezembers intern ebenfalls intensiv diskutiert worden. «Die meisten Geschäftsstellen bleiben deshalb geschlossen», sagt Eugster. Abgesehen von denjenigen, die sowieso sonntags offen haben, wie die drei Coop-Läden im Bahnhof Zug oder die Tankstellenshops. Die Bahnhofs-Läden hätten aber an Heiligabend auch reduzierte Öffnungszeiten bis 18 Uhr.

«Die meisten Geschäftsstellen bleiben geschlossen.»
Markus Eugster, Coop Zentralschweiz-Zürich

Coop in Baar und Cham offen

Laut Eugster werden nur einige Geschäftsstellen an zentralen Lagen im Kanton Zug offen sein. Das ist der flächenmässig grösste Laden, der Coop Gotthard in Baar, und ebenso der Coop Cham Seehof. Sie sind von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Coop macht sich laut Eugster schon Überlegungen, wo die Öffnung am Sonntag Sinn mache und sich lohne, denn Sonntagsarbeit sei ja auch eine Kostenfrage.

Kanton: Ausnahmebewilligung am 23. Dezember ungesetzlich

Laut der Steinhauser FDP-Gemeinderätin Carina Bruengger haben mehrere Grossverteiler beim Kanton Zug (und ebenso beim Kanton Luzern) um einen ausserordentlichen Abendverkauf am Samstag, 23. Dezember, gebeten, um ihren Mitarbeitern am Sonntag freigeben zu können. «Dies anstelle des Sonntagsverkaufes. Das Personal hätte dann drei freie Tage gehabt – obwohl der 26. Dezember kein Feiertag ist in Zug.»

Die Kompetenz zur Genehmigung dafür liegt laut Bruengger beim Kanton. «Leider scheint das wegen des Ladenöffnungsgesetzes nicht möglich zu sein, was ich sehr bedaure», sagt die Gemeinderätin.

«Kein Interpretationsspielraum»

Eine Nachfrage beim Kanton ergibt, dass der Abendverkauf an Samstagen gesetzlich gar nicht vorgesehen ist.

Carla Dittli, stellvertretende Generalsekretärin der Volkswirtschaftsdirektion, erklärt: «Das Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetz sieht vor, dass die Läden im Kanton Zug an Samstagen bis längstens 17 Uhr geöffnet sein dürfen.» Der Gemeinderat könne ausserdem pro Woche einen Abendverkauf bis längstens 21.30 Uhr bewilligen. Ausgenommen seien der Samstag – und die Vorabende von Feiertagen wie Weihnachten. Beides trifft für den 23. Dezember zu.

«Diese heute geltende Regelung ist nicht interpretierbar, nachdem das Zuger Stimmvolk eine weitere Liberalisierung der Öffnungszeiten vor einigen Jahren an der Urne klar abgelehnt hat», stellt Dittli klar.

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