Wie weiter mit den Corona-Massnahmen?

Öffnet endlich die Terrassen! In Luzern wachsen Ungeduld und Hoffnung

Der Bundesrat befindet am Mittwoch über Lockerungen – etwa die Öffnung von Gastro-Terrassen. (Bild: jal)

Die Leute treffen sich sowieso draussen, dann kann man gleich die Restaurantterrassen öffnen: Dieses Argument hört man nicht mehr nur von Wirtschaftsverbänden, sondern auch aus den Städten. In Luzern steigt vor dem Bundesratsentscheid der Druck – ebenso wie die Hoffnung.

Wenn die Sonne frühlingshaft warm scheint und über dem See die noch schneebedeckten Berge glitzern, ist ein Platz im Freien ein rares Gut. Die Menschen treffen sich am Quai, in der Ufschötti oder entlang der Reuss. Davon zeugen auch die stets gut gefüllten – wenn nicht überfüllten – Abfalleimer. Weil die Gastrolokale nach wie vor geschlossen sind, bringen die Leute ihr Bier oder ihr Picknick halt selber mit.

Ändert sich das bald wieder? Während sich die Engländer bereits über ihre wiedergeöffneten Pubs freuen, ist in der Schweiz noch ungewiss, ob das servierte Bier auf einer Gastro-Terrasse bald schon Realität wird.

Der Bundesrat entscheidet diesen Mittwoch über mögliche Lockerungen der aktuellen Corona-Massnahmen. Eine davon: die Öffnung der Aussenbereiche von Restaurants. Bereits im März stand sie zur Diskussion – damals entschied sich die Landesregierung wegen der sich verschlechternden epidemiologischen Lage dagegen.

Wirtschaft drängt auf Lockerungen

Mit den Temperaturen steigt auch die Ungeduld – in der Bevölkerung und in betroffenen Branchen. Auch Wirtschaftsverbände in Luzern drängen auf Lockerungen. Sowohl der KMU- und Gewerbeverband Luzern (KGL) als auch die wirtschaftspolitische Organisation «Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft» (AWG) forderten in den letzten Tagen vom Bundesrat Öffnungsschritte.

Ähnlich, wenn auch weniger offensiv, tönt es bei Kantonen und Städten. Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, sprach sich im Westschweizer Fernsehen für eine Öffnung der Restaurantterrassen aus. Ebenso sieht der Städteverband in dieser Massnahme viele Vorteile. «Die Bevölkerung trifft sich ohnehin vermehrt draussen, je wärmer das Wetter wird», schreibt er in einer Mitteilung. Vor diesem Hintergrund sei es vertretbar, die Terrassen zu öffnen.

Die Städte könnten dadurch auch das Littering-Problem entschärfen, die Menschen nach einem Jahr Einschränkungen etwas aufatmen. «Die zunehmend gedrückte Stimmung würde sich verbessern», streicht der Städteverband den psychologischen Effekt hervor. Mit wirkungsvollen Schutzkonzepten werde der Kampf gegen die Pandemie nicht negativ beeinflusst – und schaffe eine Perspektive für die Gastronomen, die gerade in Städten mit hohen Mietkosten oft in einer schwierigen Lage stecken.

Gastroverband sehnt Öffnung herbei

Aus der Gastronomie selber sind unterschiedliche Stimmen zu vernehmen. Während manche sofort bereit wären für eine Öffnung, stellen andere infrage, ob ein Terrassenbetrieb alleine rentiert (zentralplus berichtete).

Für den Präsidenten vom Stadtluzerner Gastroverband ist Letzteres allerdings kein Gegenargument. «Nur weil es einigen nichts nützt, sollte man es nicht allen verbieten», sagt Patrick Grinschgl. Die Behörden sollten seiner Meinung nach ermöglichen, was geht – der Rest sei ein unternehmerischer Entscheid.

«Der Bundesrat sollte sich fragen: Wie handhaben wir das möglichst geordnet?»

Patrick Grinschgl, Gastro Luzern

Grinschgl beurteilt die aktuelle Lage ähnlich wie der Städteverband. «Wenn es schön wird, gehen die Menschen nach draussen», sagt er. Und das lasse sich kaum unterbinden. «Der Bundesrat sollte sich darum nicht fragen, wie man die Menschen zu Hause behält, sondern: Wie handhaben wir das möglichst geordnet?» Ein Restaurant mit Schutzkonzept sei einer unkontrollierten Ansammlung im Freien vorzuziehen.

Patrick Grinschgl ist überzeugt, dass etliche Luzerner Restaurants ihre Terrassen öffnen würden – beispielsweise am Quai. «Auch wo Take-away angeboten wird, kann es Sinn machen, draussen ein paar Tische aufzustellen.»

«Gastronomie war das Bauernopfer»

Dass nächste Woche mindestens die Gastroterrassen öffnen dürfen, fordert auch die wirtschaftspolitische Organisation AWG, in dessen Vorstand die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür (Die Mitte) sitzt.

«Die Gastronomie war das Bauernopfer», kritisiert Gmürs Parteikollege und AWG-Präsident Josef Wyss. Viele Restaurants hätten gute Schutzkonzepte, die diszipliniert befolgt würden. Zudem zeigten die Hotels, deren Speiselokale geöffnet sein dürfen, dass es dort nicht zu grossen Ausbrüchen kommt. Die Aussenterrassen sollen deshalb möglichst schnell öffnen, ebenso die bediente Gastronomie.

Die AWG fordert laut Wyss auch Öffnungsschritte bei den Veranstaltungen, sodass auch Betriebe wie Caterer und Eventtechnikunternehmen wieder ihre Arbeit aufnehmen können. Klar ist für den vormaligen Kantonsratspräsidenten aber, dass der staatliche Geldhahn offen bleiben muss. «Die wirtschaftliche Unterstützung können wir nicht auf Null zurückfahren», sagt Wyss.

Und was ist mit den hohen Fallzahlen?

Allerdings: Aus epidemiologischer Sicht sind vier der fünf vom Bund vorgegebenen Richtwerte für Lockerungen derzeit nicht erfüllt, wie Virginie Masserey vom Bundesamt für Gesundheit am Dienstagnachmittag an einer Pressekonferenz betonte. Im Kanton Luzern gilt seit mehreren Tagen wieder die Alarmstufe Rot.

Öffnungen trotz der steigenden Fallzahlen, das ist für Josef Wyss indes kein Widerspruch: «Man kann die heutige Situation nicht mit jener vom letzten Herbst vergleichen, als es noch keine Impfung gab.» Auch wenn er weder Virologe noch Epidemiologe sei: Heute seien die Vulnerablen zu einem grossen Teil geschützt. Es gebe zwar Ausnahmen, räumt er ein, doch der grösste Teil der Infizierten sei aktuell jünger und erlebe mildere Verläufe. Der 52-Jährige ist selber bislang nicht an Corona erkrankt und sagt, er habe keine Angst vor einer Ansteckung.

«Wir müssen nicht warten, bis der Letzte im Land geimpft ist.»

Josef Wyss, AWG-Präsident

«Testen, Impfen und öffnen: Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg», sagt der CVP-Kantonsrat. «Wir müssen nicht warten, bis der Letzte im Land geimpft ist.» Diese Stossrichtung wird derzeit von vielen Wirtschaftsverbänden propagiert. Auch der in Luzern gewichtige KGL setzt sich für eine sofortige Öffnung der Wirtschaft ein – mit gleichzeitiger Umsetzung von Schutzkonzepten, intensiveren Tests und Contact-Tracing sowie einer Ausweitung des Impfprogramms.

Ob ihr Appell in Bundesbern gehört wird? «Ich hoffe, der Bundesrat entscheidet am Mittwoch nicht nur symbolische Öffnungsschritte», sagt AWG-Präsident Josef Wyss. «Sondern bietet der Gesellschaft eine Perspektive und ignoriert die Stimmen vieler Verbände und Organisationen nicht.»

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