Bundesgericht muss über Zuger Gesetz befinden

Nur noch die Hälfte aller Denkmäler erhält Schutz

Bauernhäuser sind im Kanton Zug nicht mehr schützenswert. Das sah das Verwaltungsgericht auch im Fall des Hauses Letzi 1 in Zug so. (Bild: mam)

Nun wird klar, welche Auswirkungen das neue Zuger Denkmalschutzgesetz hat, das Ende 2018 an der Urne angenommen wurde: Viele tolle Bauten gelten nicht mehr als schutzwürdig. Das letzte Wort aber hat das höchste Schweizer Gericht.

«Der Denkmalschutz im Kanton Zug ist nicht tot, er lebt», sagte Regierungsrat Andreas Hostettler (FDP) am Donnerstag an einer Informationsveranstaltung über das neue Zuger Denkmalschutzgesetz. «Wir folgen aber einer neuen Linie.»

Fünf Monate, nachdem das Stimmvolk deutlich Ja zu einer massiven Aufweichung des Schutzgedankens gesagt hat, interessiert, ob nun alle bedeutenden Bauten und schönen alten Häuser plattgemacht werden. Und ob es überhaupt neue Fälle gibt, in denen Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden.

31 neue Objekte unter Denkmalschutz

Nun: Es gibt sie noch, die Unterschutzstellungen. Seit dem 14. Dezember, als das neue Gesetz e in Kraft getreten ist, wurden im Kanton Zug in hängigen Verfahren bei 31 Objekten die Schutzabklärungen für Denkmalschutz weitergeführt. Das waren etwa 55 Prozent der Fälle, die das Amt für Denkmalschutz und Archäologie zu behandeln hatte. In 39 Prozent der Fälle ist die Baudenkmäler aus dem Inventar der schützenswerten Bauten vorgesehen – oder ihnen wurde der Denkmalschutz aberkannt.

Andreas Hostettler (FDP), Direktor des Innern des Kantons Zug. (Bild: mam)

In sechs Prozent der Fälle haben die Eigentümer das Verfahren sistiert. Es sind Hausbesitzer, die ihr Gebäude eigentlich unter Schutz stellen lassen wollten und nicht mehr können – und nun auf eine Korrektur des Gesetzes hoffen.

Im Januar wurde das Bundesgericht angerufen

Denn eine Gruppe von Privatpersonen hat Ende Januar vor Bundesgericht Beschwerde gegen das Zuger Denkmalschutzgesetz erhoben. Es widerspreche in mehreren Punkten höherem Recht. Das sei unzulässig, argumentieren die Beschwerdeführer.

Konkret kritisieren sie jene Punkte, die schon bei der Beratung des Gesetzes im Kantonsparlament als kritisch erkannt wurden: und zwar eine Bestimmung, wonach Objekte, die jünger als 70 Jahre sind, nur mit der Einwilligung des Eigentümers geschützt werden können. Ein vom Kanton selber bestelltes Gutachten kam zum Schluss, dass dies gegen Bundes- und Völkerrecht verstosse (zentralplus berichtete).

Sprachschöpfung der Politiker macht Bauchweh

Auch über die Bestimmung, dass für den Denkmalschutz eine Schutzwürdigkeit nach mehreren Kriterien zugleich gegeben sein muss, hat das Bundesgericht zu befinden. Im Moment kann ein Objekt von «äusserst hohen wissenschaftlichen Interesse» im Kanton Zug gar nicht geschützt werden. Es muss zusätzlich noch kulturell oder heimatkundlich eine Sonderstellung aufweisen.

Der dritte angefochtene Punkt ist schliesslich eine Erfindung des Zuger Kantonsrates, dem ein «sehr hohes Interesse» im Gesetzestext zu wenig gewesen ist. Er schrieb «äusserst hohes öffentliches Interesse» ins Gesetz und setzte so einen Begriff, den es in der Schweizer Rechtssprache bisher nicht gegeben hatte. Sprich: Niemand weiss genau, was er bedeuten soll.

Extra-Gutachten gegen einen Aufschub

«Der Weg der abstrakten Normenkontrolle beim Bundesgericht schien uns rascher Klarheit zu bringen, ob das Gesetz so zulässig ist, als uns anhand eines konkreten Objekts durch die Instanzen zu klagen», sagte einer der Beschwerdeführer gegenüber zentralplus.

Entlassen aus dem Inventar schützenswerter Denkmäler: Mühlegasse 18, Baar. (Bild: zvg)

In einem Punkt haben die Einsprecher schon verloren: Das Bundesgericht hat der Beschwerde die beantragte aufschiebende Wirkung Anfang März aberkannt. Die Direktion des Innern des Kantons Zug hatte extra ein Rechtsgutachten bestellt und ausserdem ein 19-seitiges Argumentarium eingebracht, um dies zu erreichen.

Urteil wird im Herbst erwartet

«Wir erwarten das Urteil des Bundesgerichts noch in diesem Jahr, vermutlich im Herbst», sagt Christopher Lattmann, Jurist bei der Direktion des Innern. Eine Prognose über den Ausgang des Verfahrens wagt er nicht. Sollte das Bundesgericht aber der Beschwerde in einem oder mehreren Punkten recht geben, müsste der Kantonsrat nochmals ran.

Bis dahin würde der Kanton das Gesetz dem Urteil des höchsten Gerichts im Lande entsprechend interpretieren. Rechtsunsicherheit befürchtet Lattmann keine. «Das Bundesgericht würde nicht einfach sagen, der Begriff ‹äusserst› sei unzulässig», so der Jurist. «Es würde auch begründen wieso – und daran können wir uns orientieren.»

Doch zurück zum Vollzug des aufgeweichten Denkmalschutzgesetzes. Bleibt es in Kraft, so geht Stefan Hochuli davon aus, dass in den pendenten Fällen «nur noch 50 Prozent der Objekte, für die eine Schutzvermutung bestand, auch geschützt werden können», wie er sagt.

Sein Amt ist derzeit überlastet. Es hat die Hälfte mehr Fälle zu  bearbeiten als in früheren Jahren – auch weil viele Eigentümer von alten Häusern mit einem Baugesuch zugewartet haben, um unter neuem Recht beurteilt zu werden.

Neben der Abklärung von Gebäuden aus dem Inventar schützenswerter Denkmäler sind auch Gesuche um Entlassung aus bereits festgesetztem Denkmalschutz eingegangen.

Bauernhaus an der Letzi nicht schützenswert

In Streitfällen hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zug entschieden: Das Bauernhaus Letzi 1 in Zug etwa gilt nicht als schutzwürdig (zentralplus berichtete). Hingegen hat das Verwaltungsgericht ein altes Haus in der Gemeinde Baar an der Leihgasse unter Schutz gestellt (zentralplus berichtete).

Leihgasse 15, Baar. Laut Verwaltungsgericht verdient es Schutz, die Behörden verloren den Fall. (Bild: mam)

Ein Beispiel für eine Entlassung aus dem Inventar ist das Gasthaus Rössli in Cham. Oder auch das Haus an der Mühlegasse 18 in Baar, das einstige Verwaltungsgebäude der Victoria-Werke.

Trick gegen Zonenplan wird wirkungslos

«Vor allem Bauernhäuser können so gut wie gar nicht mehr unter Schutz gestellt werden», sagt einer der Beschwerdeführer gegenüber zentralplus. Auch Regierungsrat Andreas Hostettler stiess an der Infoveranstaltung ins gleiche Horn: «Für Gebäude in der Landwirtschaftszone hat das neue Gesetz spürbare Auswirkungen.» Landwirte hätten in der Vergangenheit aufgrund der Unterschutzstellung Ausbauten vornehmen können, die ansonsten nicht realisierbar gewesen wären». Das sei nun nicht mehr möglich.

Ein «sehr gutes Mittel», um schützenswerte Bauten zu erhalten, sei jedoch neu der Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge, so Hostettler. «So können wir verschiedene Interessen unter einen Hut bringen.»

Lösung am runden Tisch

Dazu treffen sich Eigentümer, Architekten, Anwälte, Gemeindevertreter und Denkmalpfleger und knobeln eine gemeinsame Lösung aus, um Konflikte möglichst zu vermeiden oder aus der Welt zu schaffen. Das scheint zu funktionieren, anderes hat Verbesserungspotenzial.

Auslöser für die Aufweichung des Zuger Denkmalschutzes war die Empörung von Hauseigentümern in verschiedenen Zuger Gemeinden gewesen, mit denen der kantonale Denkmalschutz bei der Erstellung des Inventars eher unsanft umgesprungen war. Diese trugen ihren Zorn darauf über Bekannte ins Kantonsparlament.

Der Vollzug ist das Problem

Anders gesagt: Nicht das alte Denkmalschutzgesetz war das Problem, sondern der kleinliche, buchstabengetreue und strenge Vollzug, der wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse der Eigentümer und der Bewohner nahm.

Es gibt Indizien, dass das Amt für Denkmalpflege diesbezüglich immer noch zu lernen hat, auch wenn die Hürden für eine Unterschutzstellung nun viel höher sind.

Bedürfnisse der Bewohner gehen vergessen

Im Jahresbericht 2019 der städtischen Geschäftsprüfungskommission wird Bauvorsteherin Eliane Birchmeier (FDP) dazu zitiert. Die sagte den Parlamentariern, die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege sei «sehr anspruchsvoll». Das Baudepartement habe im vergangenen Jahr immer wieder intervenieren müssen, damit neben denkmalschützerischen Belangen die Bedürfnisse der Bewohner und Eigentümer nicht vergessen gingen. Der Denkmalschutz habe einen Spielraum, der «nicht klein» sei. «Er nützt ihn aber nicht immer aus», so Birchmeier diplomatisch.

In der Stadt Zug gab es bereits mehrere Einigungsversuche am runden Tisch, die laut Birchmeier in der Regel auch zu einer Einigung führten. Andere Prozesse dauerten aber «schon sehr lange» und könnten für Eigentümer auch aus finanziellen Gründen «sehr schwierig» werden. 

Auch für das Gasthaus Rössli in Cham besteht keine Schutzvermutung mehr.
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Daniela Übersax
    Daniela Übersax, 30.05.2020, 17:19 Uhr

    Einfach nur respektlos, wie in diesem reichen Kanton mit historischen Werten umgegangen wird. Dass man einfach alles dem schnöden Mammon unterordnet, ist unverständlich.

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    • Profilfoto von Dörflinger André
      Dörflinger André, 31.05.2020, 12:48 Uhr

      Mammon? Ja, das hat doch diese Korona-Weltseuche gezeigt, wie zu vieles am staatlichen Geld-zapftropfhahnen klebt.- Geld, das doch reell gar nicht besteht, nur in den Bilanzen mit ein paar Nullen und einer ganzen Zahl davor, sonst aber völlig künstlich ist. »Geld» ist nun mal das unerlässliche Schmiermittel der menschlichen Gelenke, des Antrieb-Motors des menschlichen Zusammenlebens, viel mehr als Blut > der Sauerstoff, ohne welchen kein Leben möglich ist. Das Streben nach dem schnöden Mammon zwingt die Menschen zur täglichen Arbeit im Dienste ihrer lieben Mitmenschen und Ueberleben im (überlang(k)lebigen) Rentenalter.

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