Erneut historisch tiefe Wahlbeteiligung

Nur jeder Dritte ging wählen

Da war auch schon mehr los: Leere Tischchen und wenig Volk im Regierungsgebäude zeugen vom geringen politischen Interesse der Luzerner Bevölkerung am zweiten Wahlgang. (Bild: cha)

Wieder sind die Luzerner Wähler zu Hause geblieben – trotz spannender Ausgangslage. Vor allem auf dem Land war das Interesse gering. Dies aus gutem Grund.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Gerade mal noch 37,1 Prozent der wahlberechtigten Luzerner Bevölkerung sind zur Urne gegangen. Damit ist das Bürgerinteresse für Politik auf ein neues Rekordtief gefallen. Beim ersten Wahlgang der Luzerner Regierungsratswahlen waren es auch nur 38,7 Prozent, die zur Urne gegangen sind (zentral+ berichtete).

Tiefe Wahlbeteiligung trotz spannender Ausgangslage 

Dabei war die Ausgangslage spannend wie schon lange nicht mehr. Allen drei Kandidaten wurden im Vorfeld des zweiten Wahlgangs ähnliche Chancen eingeräumt. Auf dem Spiel stand nichts weniger als die Frage, ob Luzern als einziger Kanton der Deutschschweiz von einer rein bürgerlichen Männerregierung regiert werden soll. Trotzdem sank die Wahlbeteiligung nochmals deutlich (siehe Grafik).

Besonders tief lag die Stimmbeteiligung in den zwei ländlichen Wahlkreisen Willisau und Hochdorf mit 33,8 beziehungsweise 35,7 Prozent (siehe Grafik). Doch auch in den restlichen vier Kreisen Luzern-Stadt, Luzern-Land, Sursee und Entlebuch war das Interesse am zweiten Wahlgang nur knapp höher als im Durchschnitt (37,1 Prozent). Die mit 38,6 Prozent höchste Stimmbeteiligung wies der Kreis Sursee auf.

«Typischerweise müsste die Stimmbeteiligung in den städtisch geprägten und eher linkslastigen Wahlkreisen in diesem Fall höher sein», sagt der Politologe Olivier Dolder von Interface Politikstudien Luzern. Diese Wählerschaft hätte nämlich eher die SP-Kandidatin Felicitas Zopfi unterstützt, so Dolder. Offensichtlich aber gebe es aus dieser Sicht gesehen also keinen Stadt-Land-Graben, was «in der politischen Landschaft doch eher selten» vorkomme.

Die stimmfaulste Gemeinde war Wikon im Kreis Sursee (siehe Grafik). Nur gerade 21,4 Prozent der 1001 Stimmberechtigten warfen die Wahlzettel in die Urne. Mit tiefen Werten aufgefallen sind auch Roggliswil im Kreis Willisau (23 Prozent) und Meierskappel im Kreis Luzern Land (24,4 Prozent).

Diese tiefe Wahlbeteiligung überrascht auch den Politikexperten: «Normalerweise liegt die Stimmbeteiligung in ländlichen Gemeinden höher.» Dafür verantwortlich seien das engmaschigere soziale Gefüge auf dem Land, die Nähe zwischen Bürger und Gemeinwesen sowie eine höhere Parteibindung, so Dolder. «Um das extrem tiefe Interesse in den drei ländlichen Gemeinden erklären zu können, müsste man die Gemeinden genauer anschauen.» 

Hans Golling, Gemeindepräsident von Wikon, kann über die für die tiefe Stimmbeteiligung verantwortlichen Gründe nur spekulieren. «Möglicherweise hat das damit zu tun, dass Wikon am Zipfel des Kantons liegt, auf zwei Seiten umgeben vom Aargauischen.» Man sei halt schon etwas weit weg vom Kantonshauptort. Allerdings sei die Beteiligung auch schon beim ersten Wahlgang tief gewesen. Wikon sei aber keineswegs unpolitisch, so Golling. «Bei kommunalen Themen ist das Interesse immer sehr gross.» 

Ganz anders sieht es hingegen in Meggen aus. Die finanzstarke Gemeinde im Kreis Luzern-Land wies mit 47,3 Prozent die höchste Wahlbeteiligung auf. Dem Regelfall der stimmstarken ländlichen Gemeinde entsprochen haben auch Hildisrieden (46,6 Prozent) und Triengen (46 Prozent), beide im Kreis Sursee. «Diese Resultate entsprechen dann wieder der Regel», meint Dolder.

Speziell im Fokus war die Gemeinde Kriens. Alle drei Kandidaten weisen eine besondere Nähe zur Gemeinde auf: Paul Winiker (SVP, neu) war bisher Gemeindepräsident am Fusse des Pilatus, Marcel Schwerzmann (parteilos, bisher) wohnt dort und Felicitas Zopfi (SP) unterrichtet eine Krienser Schulklasse.

Trotzdem fanden in Kriens nur 38,9 Prozent der Wahlzettel den Weg in die Urne. Lokal überrascht die tiefe Wahlbeteiligung laut Politologe Dolder allerdings nur auf den ersten Blick. «Das Thema Gemeinde ist bei Regierungsratswahlen üblicherweise nicht dominant.» Dass die Kandidaten allesamt mehr oder weniger «Krienser» seien, sei für die Bevölkerung nicht entscheidend gewesen. Überdies sei die Gemeinde schlicht zu gross, um alle Leute zu mobilisieren, meint Dolder weiter. Ausserdem, so erklärt Dolder, würden sich die Leute eher mehr für die nahe Gemeindepolitik und die grosse nationale Politik interessieren als für kantonale Angelegenheiten. «Da fällt die Kantonspolitik zwischen Stuhl und Bank.»

Auffälliges zeigt sich auch bei näherer Betrachtung der abgegeben Kandidatenstimmen. Total hat Marcel Schwerzmann (parteilos, bisher) 65’708 Stimmen erzielt, Paul Winiker (SVP, neu) deren 54’500 und Wahlverliererin Felicitas Zopfi (SP) 37’154. Das auf Kantonsebene klare Resultat war auf Gemeindeebene allerdings nicht überall so eindeutig.

Während sich SVP-Kandidat Paul Winiker mit dem Bisherigen Marcel Schwerzmann vielerorts ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte, landete Felicitas Zopfi bis auf einen Fall überall abgeschlagen auf dem letzten Platz. Nur in der Stadt vermochte die SP-Frau einen Achtungserfolg zu erzielen (10’507 Stimmen) und den SVP-Mann (8437 Stimmen) auf den dritten Rang zu verweisen. Damit lag Zopfi nur 400 Stimmen hinter dem parteilosen Marcel Schwerzmann. Dieser hat die Wahl auf der ganzen Linie – das heisst in jeder der 83 Luzerner Gemeinden – gewonnen.

«Damit bestätigt sich einmal mehr die Regel, dass Bisherige nicht abgewählt werden», sagt Olivier Dolder. Neu ist die SVP mit Paul Winiker erstmals seit acht Jahren wieder in der Regierung vertreten. Und die SP verliert ihren Sitz nach 56 Jahren. Solche politischen Meilensteine hätten laut Dolder «anscheinend keinen Einfluss auf die Stimm- und Wahlbeteiligung – trotz spannender Ausgangslage».

«Es ist normal, dass das Interesse beim zweiten Wahlgang abnimmt.»

Olivier Dolder, Politologe

Fachmann Dolder zeigt sich von den tiefen Zahlen nicht überrascht. «Es ist normal, dass das Interesse beim zweiten Wahlgang abnimmt.» Die Politikverdrossenheit habe damit nicht zugenommen, beruhigt Dolder. Dieses Phänomen habe man auch schon 2007 beobachtet.

«Insbesondere auf dem Land ist die tiefere Wahlbeteiligung in diesem Fall nicht überraschend», erklärt Dolder. «CVP und FDP haben ihre Kandidaten ja auch schon im ersten Wahlgang ins Trockene gebracht.» Deswegen sei das Interesse der bürgerlichen Wählerschaft im zweiten Wahlgang nochmals tiefer gewesen, so Dolder weiter. Als Beispiele nennt er zwei typische ländlich geprägte Luzerner Wahlkreise. «Willisau hatte eine um rund acht Prozent tiefere Wahlbeteiligung, Entlebuch sogar 13 Prozent.»

In der Stadt hingegen ist die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang gestiegen, und zwar um satte vier Prozent. «Hier hat es die SP offensichtlich geschafft, Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren», meint Dolder. Überrascht zeigt sich der Politologe in diesem Zusammenhang, dass Zopfi in der Stadt gegenüber dem ersten Wahlgang auf Platz zwei zurückgefallen ist. «Immerhin ist die SP in der Stadt die stärkste politische Kraft.»

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