Deshalb sind die Ämter attraktiv

Null Frauen in der Kantonsregierung – aber Spitzenplatz bei den Gemeinden

Frau Gemeinderätin vor dem «Löwen»: Das Bild von Susanne Troesch-Portmann in Ebikon steht symbolisch für viele Luzerner Gemeinden. (Bild: zvg)

In den Luzerner Gemeindeexekutiven hat es im schweizweiten Vergleich viele Frauen. Ein Experte führt dies auf die relativ guten Anstellungsbedingungen im Luzernischen zurück. zentralplus hat bei Luzerner Gemeinderätinnen nachgefragt – und unterschiedliche Gründe zu hören bekommen.

Die Frauenquote in der aktuellen Regierung des Kantons Luzern kennt man: Sie beträgt exakt 0,00 Prozent. Die Luzerner Regierung ist derzeit ein reines Männergremium. Vergleichsweise deutlich besser steht Luzern beim Kantonsparlament da. Hier wird Luzern vom Bundesamt für Statistik im schweizweiten Vergleich an achter Stelle aufgeführt (zentralplus berichtete).

Einen eigentlichen Spitzenplatz in Sachen Frauenbeteiligung nimmt Luzern aber bei den Gemeindeexekutiven ein. Mit einem Anteil von 34,5 Prozent liegt Luzern hier hinter Basel-Stadt und Appenzell-Ausserrhoden an dritter Stelle, wie aus einer Befragung von Politologe Andreas Ladner von der Universität Lausanne aus dem Jahr 2017 hervorgeht.

In einem kürzlich ausgestrahlten Beitrag von Radio SRF führte Ladner die Spitzenplätze der genannten drei Kantone darauf zurück, dass die Gemeinderatsämter dort attraktiv ausgestaltet seien. Im Kanton Luzern seien diese Ämter oft richtige Teilzeitstellen mit guten Sozialleistungen, also nicht blosse Nebenämter mit vielen Sitzungen am Abend. Das könne diese Aufgaben für Frauen interessanter machen. Auf Anfrage erklärt Andreas Ladner, Luzern gehöre zu den wenigen Kantonen, die dies so handhaben würden.

Arbeitsplatz in der eigenen Gemeinde

Ludwig Peyer, Geschäftsführer des Verbandes der Luzerner Gemeinden (VLG), bestätigt diese Feststellungen. Als Gemeinderatsmitglied bekomme man im Kanton Luzern ein Pensum in Prozenten aufgrund der jeweiligen Anforderungsprofile.

Peyer geht ebenfalls davon aus, dass Luzern diesbezüglich im schweizweiten Vergleich eher gut dastehe. Viele Gemeinden würden sich am kantonalen Besoldungsreglement orientieren und sich dort irgendwo im Bereich der Kaderpositionen einreihen. Bekannt seien die eher hohen Saläre von Emmen, Kriens und der Stadt Luzern. Die Stadt Luzern bezahle für ein 100%-Pensum rund 200'000 Franken, was allerdings die absolute Ausnahme sei.

Es gebe wohl nicht wenige Gemeinderäte, die in ihrem Amt einen verhältnismässig höheren Lohn erhalten würden als in ihrem angestammten Beruf. «Das kann gerade für Frauen, die nicht mehr oder nur noch teilweise berufstätig sind, allenfalls einen Anreiz bilden», sagt Peyer. Hinzu komme natürlich auch, dass sich der Arbeitsplatz in der eigenen Gemeinde befinde und in dem Sinne familienfreundlich sei, dass vieles zu Hause erledigt werden könne.

Abendanlässe gibt es trotzdem viele

Wie aber schätzen die Gemeinderätinnen selber ihre Situation ein? Trifft es auch aus ihrer Sicht zu, dass die Exekutivämter im Kanton Luzern relativ attraktiv ausgestaltet sind?

«Besonders wichtig ist mir der Pensionskassenanschluss, da ich als Familienfrau keine andere Arbeitsstelle habe.»

Beatrice Huser Winkler, Gemeinderätin Nottwil

«Ich schätze den fixen Monatslohn inklusive die dazugehörigen Versicherungen», sagt Beatrice Huser Winkler (CVP), Gemeinderätin in Nottwil. «Besonders wichtig ist mir der Pensionskassenanschluss, da ich als Familienfrau keine andere Arbeitsstelle habe.» Trotz der Einrichtung als Teilzeitstelle gebe es aber viele Abendsitzungen und Abendanlässe. Daher zähle für sie das Argument der «sitzungsfreien» Abende weniger. Beatrice Huser Winkler betont aber: «Neben den genannten Vorteilen gibt es natürlich viele andere gute Gründe, warum ich mich für dieses Amt zur Verfügung stelle.»

Ebenfalls in Nottwil als Gemeinderätin tätig ist Renée Sigrist. Ihrer Ansicht nach ist es plausibel, dass eine attraktive Ausgestaltung des Gemeinderatsamtes gerade für Frauen wichtig ist. Ergänzend fügt die FDP-Politikerin an, dass es Frauen dank ihrer Gemeinderatstätigkeit möglich sei, Erfahrung in Personalführung und Projektmanagement zu sammeln. Das bedeute, dass sie relativ rasch Hierarchiestufen überwinden könnten, was ihnen sonst – jedenfalls im Rahmen einer Teilzeitstelle – oft verwehrt bleibe.

Bisherige Führungsfunktion aufgegeben

Sie teile die Ansicht des Politologen Ladner, sagt die Ruswiler Gemeinderätin Lotti Stadelmann Eggenschwiler (SP). Sie könne sich jedenfalls gut vorstellen, dass Exekutivämter Frauen im Kanton Luzern vermehrt ansprechen, weil dank ihnen eine Teilzeitarbeit am Wohnort gut möglich sei und weil viele Frauen nicht zu 100 Prozent berufstätig seien. Mit einem so ausgestalteten Amt liessen sich Beruf und Familie besser vereinbaren.

Drei von vielen Luzerner Gemeinderätinnen (von links): Lotti Stadelmann Eggenschwiler, Felicitas Marbach und Renée Sigrist. (Bild: zvg)

Sie selber habe allerdings vor Jahren, als sie mit einem 25%-Pensum in den Gemeinderat gewählt wurde, ihre Arbeitsstelle als Gruppenleiterin im Gesundheitswesen aufgegeben. Mit dem neuen Amt hätte sie nicht mehr wie bis anhin in einem 80%-Pensum in der bisherigen Führungsfunktion weiterarbeiten können. Lotti Stadelmann Eggenschwiler vermutet aber, dass sie in dieser Hinsicht wohl eher eine Ausnahme darstellt. In ihrer Zeit als Kantonsrätin sei es noch anders gewesen. «Da konnte ich mein bisheriges Pensum von 100 auf 80 Prozent reduzieren. Dabei konnte ich die Führungsfunktion beibehalten.»

Die Höhe des Pensums als wichtiger Faktor

«Die Frauen nehmen ein Amt in der Gemeindeexekutive nicht an, weil es eine Teilzeitstelle ist, sondern weil sie sich für die Gemeinde engagieren möchten», sagt Tanja Schnyder, FDP-Stadträtin in Sempach. Eine gute Durchmischung beider Geschlechter stelle eine grosse Bereicherung dar und wirke sich nur positiv auf die Entscheidungen aus.

«Hätte Adligenswil höhere Pensen, hätte ich dieses Amt mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht angenommen.»

Felicitas Marbach, Gemeinderätin Adligenswil

Es erscheine ihr sehr plausibel, dass die organisatorische Ausgestaltung eines Gemeinderatsmandates für interessierte Frauen wichtig sei, erklärt Felicitas Marbach, CVP-Gemeinderätin in Adligenswil. «Hätte Adligenswil höhere Pensen – wir haben aktuell 25 Prozent – hätte ich dieses Amt mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht angenommen, da es sich mit meinem beruflichen und familiären Engagement nicht hätte vereinbaren lassen.»

Neben ihrem Amt als Bildungsvorsteherin von Adligenswil unterrichte sie am Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrum Luzern und sei Dozentin für Anatomie an der Heilpraktikerschule Luzern. Das kleine Pensum als Gemeinderätin sei für sie deshalb nicht in erster Linie wegen ihres «Frau-Seins» ideal, sondern wegen ihres sonstigen beruflichen und familiären Engagements, erklärt Felicitas Marbach.

Feuerwehrübungen erfordern Flexibilität

Eine teilweise andere Sicht als die zitierten Vertreterinnen mittelgrosser Gemeinden bringt Susanne Troesch ein. Sie ist als CVP-Gemeinderätin in Ebikon tätig, der grossen Zentrumsgemeinde im Rontal. «Obwohl wir hier in Ebikon nur über kleine Pensen zwischen 40 und 49 Prozent verfügen, haben wir viele Austauschgefässe mit anderen Gemeinden, Vertretern der Wirtschaft, von Vereinen und so weiter», sagt Susanne Troesch. Dies führe dazu, dass die Arbeitszeit – abgesehen von den fixen Gemeinderatssitzungen – sehr variabel sei und dementsprechend eine hohe Flexibilität von den Amtsinhaberinnen verlange.

«Für mich mit drei Kindern im schulpflichtigen Alter ist es beispielsweise gar nicht möglich, die Tagesstrukturen zu nutzen.»

Susanne Troesch, Gemeinderätin Ebikon

Die Sitzungen seien an den unterschiedlichsten Tagen und zu den unterschiedlichsten Zeiten angesetzt, oft auch am frühen Morgen, über Mittag oder am frühen oder späteren Abend. Dies sei nicht ganz leicht zu handhaben, wenn man daneben noch Familie habe. «So ist es für mich mit drei Kindern im schulpflichtigen Alter beispielsweise gar nicht möglich, die Tagesstrukturen zu nutzen, da mein Arbeitsalltag jede Woche anders aussieht und daher die Betreuung auch jede Woche wieder neu organisiert werden muss.»

Gleichzeitig komme hinzu, dass es gerade in Exekutivämtern häufig zu sogenannten «Feuerwehrübungen» komme – unvorhergesehene Ereignisse, Presseanfragen und so fort. «Diese müssen sofort erledigt werden und dulden keinen Aufschub.»

Die Krux mit den sogenannten «Randstunden»

Ein grosser Vorteil aus ihrer persönlichen Sicht sei die Arbeit am Wohnort und somit der de facto wegfallende Arbeitsweg. «Ebenfalls hilfreich ist der Umstand, dass in den Schulferien praktisch keine Sitzungen stattfinden und ich somit in dieser Zeit meine Arbeit flexibel einteilen kann. Die Vorbereitung von Sitzungen und das Aktenstudium kann ebenfalls frei eingeteilt werden.»

Susanne Troesch hat den Eindruck, dass Pensen von über 30 Prozent in der Mehrheit von Frauen ausgeübt werden, die entweder keine oder bereits erwachsene Kinder haben und somit entsprechend frei in der Zeiteinteilung sind.

«Ich bin der Ansicht, dass die Festlegung von Sitzungen gerade dort, wo nur im Teilzeitamt gearbeitet wird, noch immer sehr stark darauf zugeschnitten ist, sogenannte Randstunden zu nutzen – dies ist allerdings auch genau jene Zeit, in welcher die Betreuung der Kinder zu Hause notwendig ist.»
 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 26.05.2021, 14:07 Uhr

    Viele Frauen in einer Position gibt es, wenn
    1. die Stelle so unattraktiv ist, dass viele Männer sie nicht wollen.
    2. es sich um Quotenfrauen handelt.
    3. die Frauen sich in Bewerbungen als qualifizierter erwiesen haben.
    Da in diesem Fall Volkswahlen stattgefunden haben, die in den wenigsten Fällen Kampfwahlen sind und also von den Parteien ausgeknobelt werden, kommt nur eine Kombination von 1. und 2. in Frage. Da Grund Nr. 1 ohnehin greift, brauchen die Parteien gar nicht erst Nr. 2. zu bemühen, was ihnen erlaubt, so zu tun als hätten sie gemäss Nr. 3 entschieden.
    Attraktiver als ein Gemeinderat scheint der Regierungsrat zu sein. Hier haben mehrmals Kampfwahlen stattgefunden.

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