Was zum Geier geht hier vor?

NFA-Schlamassel: Schwerzmann windet sich raus

Skandal oder bloss heisse Luft? Unter anderem Marcel Schwerzmann (links) und David Roth (rechts) sind überhaupt nicht gleicher Meinung.

(Bild: zVg)

Ein Finanzdirektor, der ein Riesen-NFA-Finanzloch von über 30 Millionen Franken viel zu lange verschweigt; SVP und FDP, die das alles super finden; eine SP, die den Weltuntergang beschwört; eine CVP, die sich getraut, Klartext zu reden. Die Luzerner Politwelt ist aus den Fugen. Auf kommentierender Spurensuche mit zentralplus.

Da ist mal wieder Feuer im Dach des Luzerner Regierungsgebäudes. Unter anderem die SP wirft Finanzdirektor Marcel Schwerzmann vor, dem Parlament wichtige Informationen vorenthalten zu haben. Grund: Schwerzmann wusste seit dem 20. April, dass die budgetierten Einnahmen aus dem neuen Finanzausgleich (NFA) um über 30 Millionen Franken tiefer ausfallen werden. Diese Infos hat er aber bis letzten Dienstag, am zweiten und letzten Tag der grossen Spardebatte (KP 17) im Kantonsrat, vor seinen Regierungsratskollegen und den Kantonsräten verschwiegen.

Der parteilose Regierungsrat beruft sich dabei unter anderem auf eine vom Bund vorgegebene Sperrfrist, die er nun mal habe einhalten müssen. Die SP hält dies für völlig verfehlt und verlangt volle Transparenz. Zudem soll Schwerzmann die Finanzdirektion entzogen werden (hier geht’s zum Artikel). Schwerzmann antwortete diesen Mittwoch schriftlich auf die Fragen von zentralplus.

zentralplus: Marcel Schwerzmann, bereits am 20. April haben Sie die Grössenordnung des NFA-Minderertrags erfahren. Bei diesem Betrag konnte man doch davon ausgehen, dass sich innerhalb eines Monats bis zur Juni-Session nicht mehr viel ändert. Warum haben Sie nicht reagiert?

Marcel Schwerzmann: Es handelte sich um provisorische Zahlen, welche vorerst an die Gruppe für Qualitätskontrolle geht. Die Qualitätskontrolle bringt immer noch Änderungen, in den letzten Jahren aufgrund des eingespielten Ablaufs eher kleine. Das ist aber nicht der Punkt. Die Finanzverwalter der Kantone erhalten diese unter strengster Vertraulichkeit. Vertrauen soll man nicht missbrauchen. Ungefähr parallel werden die Prognosen der BAK Basel AG aufbereitet. Diese waren in der Vergangenheit mindestens für Luzern sehr ungenau. Nun sind die Zahlen recht stabil und für die Anhörung bei den Kantonen freigegeben. Jetzt dürfen diese kommuniziert werden.

«Wer zugehört oder gelesen hat, darf jetzt nicht den Ahnungslosen spielen.»

Marcel Schwerzmann, Finanzdirektor

zentralplus: Sind Sie nicht der Meinung, dass das Parlament oder die Planungs- und Finanzkommission vor der Juni-Session hätten davon erfahren sollen?

Schwerzmann: Ich habe in allen Gremien, das heisst in der politischen Begleitgruppe, an Medienkonferenzen, in der Regierung, in den Kommissionen und im Parlament deutlich und mehrmals darauf hingewiesen, dass die NFA das grösste Risiko ist und wir von weiteren Ausfällen ausgehen müssen. In unserer Risikoplanung haben wir dieses auch klar ausgewiesen. Bereits mit der Botschaft zum KP 17 haben wir das Risiko klar und deutlich beziffert. Wer zugehört oder gelesen hat, darf jetzt nicht den Ahnungslosen spielen.

zentralplus: Sie selber haben ja ausgesagt, Sie seien vom Ausmass überrascht worden. Die Debatte im Kantonsrat wäre doch anders verlaufen, wenn die Politiker rechtzeitig davon erfahren hätten?

Schwerzmann: Das ist eine rein hypothetische Frage. Ich bin mir sicher, die Debatte wäre ähnlich verlaufen, nachdem die Lust so gross war, über viele kleine Einzelpositionen zu streiten, aber eher klein, um die grossen Fragen der Finanzpolitik endlich zu diskutieren und zu beantworten.  

«Als Finanzdirektor nenne ich nicht gerne konkrete Zahlen, wenn diese noch provisorisch sind.»

Marcel Schwerzmann, Finanzdirektor

zentralplus: Das ist Ihre Behauptung, viele Politiker sehen das anders. Sie haben auch gesagt, diese Zahlen aus Angst vor einem Informationsleck nicht vorzeitig weitergeleitet zu haben. Das rechtfertigt doch ein solches Handeln nicht?

Schwerzmann: Als Finanzdirektor nenne ich nicht gerne konkrete Zahlen, wenn diese noch provisorisch sind, schon gar nicht, wenn sie vertraulich sind. Laufen dann Fehlinformationen, sind diese kaum mehr zu korrigieren.

zentralplus: Würden Sie erneut so handeln?

Schwerzmann: Ich bin auch in Zukunft gehalten, mich an Regeln zu halten, wie jene der Vertraulichkeit. Wohin würde dies wohl führen, wenn jeder Finanzdirektor nach eigenem Gusto auferlegte und akzeptierte Regeln brechen würde. Viel wichtiger ist doch, die politischen Player mit gesicherten Werten zu versorgen und sie wiederkehrend und konsequent auf mögliche Risiken hinzuweisen.

Schwerzmanns Vertrauenskrise

Schwerzmanns Fazit lautet also: Alles bestens, keine Fehler gemacht, die anderen sind schuld und sogar etwas dämlich, weil er sie ja gewarnt habe. Dabei wäre mehr Transparenz unbestritten möglich gewesen. Damit hätte der Parteilose viel unnötig zerschlagenes Geschirr verhindern können. Doch Schwerzmann vertraut offenbar nur sich und seinem Kader. Dem Parlament traut er eine adäquate Reaktion nicht zu.

«Ich erachte die Nichtinformation letztlich auch als eine Geringschätzung des Parlamentes.»

Ludwig Peyer, CVP-Fraktionschef

Am treffendsten formuliert das CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer: «Marcel Schwerzmann hat da in der Tat einen groben Bock geschossen. Ich erachte die Nichtinformation letztlich auch als eine Geringschätzung des Parlamentes. Man kann doch eine solch wichtige Info nicht einfach zurückhalten mit dem läppischen Argument, diese Info sei vertraulich. Da fehlt Herr Schwerzmann das politische Verständnis.»

Taktisches Vorgehen von FDP und SVP?

Dass sich FDP und SVP stoisch wie ein Esel wehren, Schwerzmanns Verhalten auch nur ein klitzekleines bisschen zu kritisieren (siehe Box), sondern ihm blind folgen, hinterlässt einen merkwürdigen Eindruck. Normalerweise lassen sich diese Parteien nicht derart hinters Licht führen. Da kommt der Verdacht auf, dass sie Schwerzmann um jeden Preis aus der Schusslinie nehmen wollen. Mit dem Ziel, die SP ins Leere laufen zu lassen.

Denn ein Erfolg der Linken und eine Schwächung des Finanzdirektors zu diesem Zeitpunkt wäre Gift im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 25. September. Dann geht’s um die Initiative zur Erhöhung der Unternehmenssteuern. Ein Ja würde sich aus Sicht der Bürgerlichen (inkl. CVP) verheerend auf die wirtschaftliche Attraktivität des Kantons auswirken.

Die Forderungen der SP nach Amtsentzug und Sondersession sind zwar überrissen und unnötig. Jedoch sollte sich Schwerzmann nicht länger hinter Floskeln, Ausreden und Spitzfindigkeiten verstecken, sondern dem Parlament mehr Transparenz und Vertrauen entgegenbringen. Anfangen kann er damit ruckzuck: Indem er sauber auf die Forderungen der Politik nach voller Transparenz im NFA-Fall eingeht.

Das sagen die Parteien zum NFA-Streit

Sondersession, Amtsentzug, Untersuchung durch die Aufsichts- und Kontrollkommission: Bei den Bürgerlichen kommen diese am Mittwoch erhobenen Forderungen der SP nicht gut an. Aber die grundsätzliche Kritik wird bis in die Mitte hinein geteilt.

CVP: Ungenügender Schwerzmann

CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer «teilt den Ärger der SP, aber nicht deren Forderung. Sie ist unnütz und letztlich reine Schaumschlägerei.» Es gebe da nichts mehr aufzuklären. Peyer redet Klartext: «Es ist Fakt, dass es im April eine Info gab und der Finanzdirektor diese der PFK oder gar dem gesamten Parlament hätte mitteilen müssen.»

Nun müsse man das Risikomanagement des Kantons beim NFA infrage stellen. «Denn es kann nicht sein, dass sich der Kanton Luzern zweimal so grob verschätzt. Hier orte ich eine grosse Verantwortung beim Finanzdirektor.» Laut Peyer wird in der Botschaft B 38 vom 19. April zwar eine Risikobeurteilung vorgenommen. Die sei aber viel zu optimistisch gewesen. «Wenn man jetzt weiss, dass die Zahlen damals schon bekannt waren, bekommt das Ganze noch eine zusätzliche Brisanz.»

FDP: Perfekter Schwerzmann I

FDP-Fraktionschef Andreas Moser sieht im Vorgehen von Marcel Schwerzmann kein Problem. Auch hält er es für «spekulativ» darüber zu diskutieren, ob eine frühere Information des NFA-Ausfalls die Spardebatte des Kantonsrats beeinflusst hätte. «Eventuell wären die Haltungen der anderen Parteien etwas anders gewesen und das Massnahmenpaket wäre nicht oder weniger aufgeschnürt worden.

Aber der Entscheid dazu liegt in der Führungsverantwortung von Marcel Schwerzmann.» Die FDP halte deshalb die gestellten Forderungen der SP nach einer Sondersession, einer AKK-Untersuchung sowie dem Entzug des Finanzdepartements für «völlig übertrieben» und lehnt diese ab.

SVP: Perfekter Schwerzmann II

Auch SVP-Fraktionschef Guido Müller kann am Vorgehen von Schwerzmann partout nichts Negatives feststellen. Grund: Die am 20. April bekannt gewordenen Zahlen seien ja noch nicht definitiver Natur gewesen. Zudem habe Schwerzmann mehrfach darauf hingewiesen, dass sich die NFA-Summe verschlechtern könne. Dass sich die Debatte ums KP 17 im Bewusstsein dieser Zahlen anders entwickelt hätte, sei zwar möglich. «Aber das ist Spekulation.»

«Zudem hätte die SP ja am Dienstag, als sie von den Zahlen erfuhr, im Kantonsrat einen Rückkommensantrag stellen können. Doch das hat sie nicht gemacht. Stattdessen hat die SP gewartet und macht nun einen Aufstand und verunglimpft Schwerzmann.» Dass sich die SP dabei, wie alle anderen Parteien samt Regierungsrat, an die Sperrfrist gehalten hat, unterschlägt Müller.

SP: Unkritischer Schwerzmann

Das ärgert SP-Kantonalpräsident David Roth: «Dass man uns dies vorwirft, ist völlig unverständlich.» Interessant diesbezüglich ist auch, dass Schwerzmann mit seinem Hinweis auf Informationslecks wohl mitunter auch auf die SP zielt. Roth fragt sich auch zurecht: «Wie sollen wir in Zukunft wissen, wann Schwerzmann uns die Wahrheit sagt und wann er aus Angst vor einem Leck mit Infos zurückhält?» Vertrauen sei doch eine Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit.

Unverständlich ist für Roth auch, dass Schwerzmann die NFA-Prognosen des Bundes vom April nicht selber überprüft habe. «Dann hätte er vor der Juni-Session über gesichertere Daten verfügt und uns informieren können.»

GLP: Unsensibler Schwerzmann

Michèle Graber (GLP) sieht das nur leicht kritischer: «Ich bin der Meinung, dass Marcel Schwerzmann nicht sehr sensibel reagiert hat. Und falls er wirklich gesicherte Zahlen zur Verfügung hatte, wäre es angebracht gewesen, diese in der PFK zu kommunizieren.» Nun soll Marcel Schwerzmann im Detail darlegen, wie der Prozess der Datenverarbeitung beim Finanzausgleich ausgestaltet ist und welche Art von Daten am 20. April bereits vorlagen. Aktuell sei es aber «nicht statthaft, Marcel Schwerzmann voreilig etwas vorzuwerfen».

Grüne: Rechthaberischer Schwerzmann

Laut Michael Töngi (Grüne) muss der Regierungsrat nun über seine Beweggründe informieren. «Die Antworten von Marcel Schwerzmann waren dazu bisher unbefriedigend und rechthaberisch.» Töngi hat deshalb bereits beim Präsidenten der PFK angeregt, diese Fragen an der Sitzung von nächster Woche zu besprechen. «Bleiben die Antworten unbefriedigend, soll die AKK sich dem Thema annehmen.»

Für die Grünen steht nicht nur Schwerzmann, sondern der Gesamtregierungsrat in der Verantwortung. «Sollte der Regierungsrat die NFA-Zahlen schon länger gekannt haben, so stehen die fünf Regierungsräte gemeinsam in der Pflicht.» Töngi ist überzeugt: «Es ist klar, dass mit dem Vorenthalten jeglicher NFA-Infos die Debatte um das KP 17 im Nachhinein skurrile Züge angenommen hat.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Garthster
    Garthster, 01.07.2016, 00:08 Uhr

    ja, da reitet ZentralPlus mit, mit dem vom SP Parteiblatt ‹Luzerner Zeitung› getragenen Firmensteuer Bashing ohne gründlich zu recherchieren. Jammer Schade. Da hätte die Zentral Schweiz dringend eine neutrale Stimme nötig aber die Herren waren wohl zu lange beim gleichen Arbeitgeber und vergeigen sich die Chance. Hmm. Schade.

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  • Profilfoto von Urs Eggler
    Urs Eggler, 30.06.2016, 15:35 Uhr

    Wir Luzerner wissen, dass es hier um die kantonale Finanzpolitik geht. Wie immer und überall windet man sich und kaschiert und taktiert statt sich partnerschaftlich zusammenzusetzen, und das Problem nachhaltig zu lösen. Die Politiker sind mit der notwendigen Sanierung überfordert, weil sie in ihren jeweiligen Ideologien verhaftet sind.

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