312 Millionen Franken gehen in den Ausgleichstopf

NFA-Experte lässt Gejammer der Zuger Politiker nicht gelten

Der Luzerner GLP-Präsident Roland Fischer hat wenig Verständnis für die Zuger Klagen im Parlament bezüglich NFA. Doch für die Steuersenkung macht er dem Kanton keine Vorwürfe.

(Bild: sib)

Vor zehn Jahren trat die Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) in Kraft. Genau so lange beschweren sich die Zuger darüber, dass sie zu viel in diesen Topf einzahlen. Ob die Klagen gerechtfertigt sind und wie sich der Kanton Zug stattdessen verhalten müsste, erklärt einer der «Gründerväter» des NFA.

Roland Fischer war stellvertretender Leiter des Projektteams bei der Neugestaltung des NFA. Entsprechend kennt der Präsident der Grünliberalen Kanton Luzern und alt Nationalrat die Stärken und Schwächen des Systems wie kaum ein Zweiter. Im Interview gibt er als Nicht-Zuger einen Einblick, wodurch sich Zug bei der NFA-Debatte ins eigene Fleisch schneidet und was sich durch die Steuervorlage 17 für den Kanton ändern wird.

zentralplus: Roland Fischer, ist der NFA ein Erfolgsmodell?

Roland Fischer: Grundsätzlich ja, das System funktioniert gut. Alle Kantone verfügen über genügend finanzielle Mittel, die Kantone können ihre Ausgaben finanzieren und auch die Steuerbelastung der Kantone ging etwas zurück.

zentralplus: Wenn man sich die Geldflüsse anschaut, die in den und aus dem Ressourcenausgleich fliessen, dann bezahlen Herr und Frau Zuger pro Kopf mit Abstand am meisten. Zudem ist Zug der einzige Kanton, der nichts aus dem Finanzausgleich erhält. Da würden Sie doch auch auf die Barrikaden gehen und sagen, dass die kantonale Solidarität auch Grenzen kennt.

Fischer: Der Betrag, den die Zuger jährlich zahlen müssen, ist sicher sehr hoch. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das Steuersubstrat pro Zuger zweineinhalb Mal grösser ist als der Schweizer Durchschnitt. Zug steht im kantonalen Vergleich weit oben am Himmel. Er prägt fast jedes Bild in den Statistiken, weil sein Ressourcenpotenzial deutlich höher ist als in allen anderen Kantonen. Der Abstand zum Schweizer Durchschnitt ist in den letzten Jahren sogar noch angestiegen. Und der Ausgleichsbetrag bemisst sich ja immer an diesem Abstand. Der Zuger zahlt viel mehr, aber er ist auch viel reicher geworden im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt. Darum ist das System immer noch fair.

zentralplus: Denken die Zuger denn einfach egoistisch?

Fischer: Politiker nutzen dies gerne aus. «Wir müssen immer mehr zahlen und die Solidarität ist überstrapaziert», heisst es dann. Wenn man sich die Zahlen rein nüchtern anschaut, ist diese Solidarität jedoch auf dem genau gleichen Niveau wie vor zehn Jahren.

zentralplus: Wurde die Verteilung der Gelder durch die Neugestaltung tatsächlich gerechter oder ging auf kantonaler Ebene dadurch ein Anreiz verloren, finanziell gesund zu haushalten?

Fischer: Es hat sich nicht bestätigt, dass die Kantone keinen Anreiz mehr hätten, mit ihren Finanzen sparsam umzugehen. Auch für die ressourcenschwächsten Kantone ist der Finanzausgleich nur ein Teil der Einnahmen und deckt auch nur einen Teil der Kosten. Ausserdem sind nicht die kantonalen Budgets, sondern letztlich nur die Wirtschaftskraft entscheidend für den Finanzausgleich. Dadurch besteht kein Fehlanreiz, nicht verantwortungsvoll mit seinen Finanzen umzugehen.

«Im Parlament ist auch schon fast Streit ausgebrochen zwischen ressourcenstarken und -schwachen Kantonen.»

zentralplus: Durch den NFA sollten sowohl der Bund und die Kantone als auch die Kantone untereinander näher zusammenrücken. Wurden jedoch die Gräben schlussendlich nicht eher noch vertieft?

Fischer: Ein Schwachpunkt des Systems ist nicht technischer, sondern politischer Natur. Es geht darum, dass das Parlament alle vier Jahre über die Ausgleichssummen bestimmen kann. Im Parlament ist auch schon fast Streit ausgebrochen zwischen ressourcenstarken und -schwachen Kantonen. So sind auf politischer Ebene die Gräben tatsächlich vertieft worden. Die ressourcenstarken Kantone wie Zug haben das Gefühl, dass die schwachen sie übervorteilen würden. Wenn man es technisch anschaut, ist dies allerdings nicht der Fall.

zentralplus: Zug gehört zur Konferenz der NFA-Geberkantone. Diese stellt verschiedene Forderungen. Sind diese gerechtfertigt?

Fischer: Aus meiner Sicht ist es sicher gerechtfertigt, dass man die Ausgleichssummen nicht mehr durch das Parlament entscheiden lassen will. Auch der Bundesrat hat in seinem kürzlich erschienenen Wirkungsbericht diesen Vorschlag aufgenommen. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) schlägt eine fixe Ausstattung von 86,5 Prozent für den schwächsten Kanton vor. Damit hätte man eine objektive Grösse, an der man die Ausgleichssumme aufhängt. Wenn es um Detailfragen geht, habe ich jedoch ein paar Bedenken, was dieses System anbelangt. Das ist keine besonders geschickte Lösung.

«Es ist ein System, wo der Schwanz mit dem Hund wedelt.»

zentralplus: Was ist das Problem dabei?

Fischer: Es berücksichtigt alle anderen Unterschiede zwischen den Kantonen nicht. Das ganze System hängt dann am schwächsten Kanton. Sollte sich dieser stark bewegen, bewegt sich das ganze System und damit die ganze Ausgleichssumme. Dies, obwohl sich unter Umständen bei den anderen Kantonen nicht viel geändert hat oder die Unterschiede gar zurückgegangen sind. Es hängt dann alles am schwächsten Kanton. Es ist somit ein System, wo der Schwanz mit dem Hund wedelt und welches weniger stabil ist als die heutige Lösung.

zentralplus: Wie kann sich der Kanton Zug als Vertreter einer Minderheit in Bern seinen Forderungen Geltung verschaffen? Die Geberkantone werden doch sowieso immer überstimmt.

Fischer: Die Lösung der KdK ist eine Art Kompromiss, bei dem die meisten Kantone dahinterstehen, obwohl sie technisch nicht ideal ist. Von daher hat man bereits gemeinsam eine Lösung gefunden. Für die ressourcenschwachen Kantone ist die Anhebung der Mindestausstattung auf 86,5 Prozent ein Zückerchen. Dass man die Ausgleichssumme auf diese Grösse fixiert und nicht mehr zum Spielball der Politik macht, ist das Zückerchen für die ressourcenstarken Kantone.

Fischer war Teil der Projektleitung zur Neugestaltung des NFA vor gut zehn Jahren.

Fischer war Teil der Projektleitung zur Neugestaltung des NFA vor gut zehn Jahren.

(Bild: sib)

zentralplus: Schadet sich Zug nicht eher mit dem ständigen Beklagen in Bern, was den Finanzausgleich betrifft?

Fischer: Wenn man an die Debatten zur Festlegung der Ausgleichsbeträge denkt, dann war das tatsächlich eher kontraproduktiv. Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist es ein Jammern auf hohem Niveau. Und wenn man dann gleichzeitig mit tiefen Steuersätzen und einer extrem starken Wirtschaftsleistung zu glänzen versucht, kommt dies bei vielen Parlamentariern in Bern nicht gut an. Die denken, das kann doch nicht sein, dass der stärkste Kanton sich die ganze Zeit beklagt.

zentralplus: Warum hat er es dann trotzdem getan?

Fischer: Es gab auch Vorstösse von Zuger Politikern, die eher in die populistische Kerbe geschlagen haben. Beispielsweise, dass der Kanton Bern Finanzausgleich beziehe, aber ihre Beamten früher in Pension gehen als Zuger Beamte. Das hat mit dem Finanzausgleich absolut nichts zu tun. Mit solchen Vorstössen hat man sich nicht gerade beliebt gemacht. Da haben sich dann wohl viele gedacht: Nein, so nicht. Da kommen wir jetzt sicher nicht auch noch entgegen.

Zur Person

Der gebürtige Luzerner ist Präsident der Grünliberalen Partei Kanton Luzern und Dozent an der Hochschule Luzern. Von 2011 bis 2015 sass der 53-Jährige im Nationalrat. Er lebt in einer Beziehung mit Parteikollegin Michèle Graber.

zentralplus: Zug senkt nochmals die Steuern, um noch attraktiver zu werden. Ist das nötig oder heizt es den Steuerwettbewerb zusätzlich an?

Fischer: Im Moment haben wir eine etwas spezielle Situation mit der Steuervorlage 17, die nun kommt. Da werden die allermeisten Kantone bei der Steuerbelastung gewisse Anpassungen vornehmen müssen. Ob Zug, das bereits tiefe Steuern hat, hier auch wirklich grossen Bedarf hat, würde ich von aussen betrachtet bezweifeln. Zug ist nach wie vor sehr attraktiv mit seiner Steuerbelastung – auch nach der Steuervorlage 17. Wenn die Kantone die Steuern anpassen, muss man dies unter dem Aspekt dieser Steuerreform sehen. Ich glaube also nicht, dass man da noch weiter Öl ins Feuer giesst. Da muss sich der Kanton Zug keinen Vorwurf machen.

«Für Zug werden die Auswirkungen der Steuervorlage nicht so gravierend sein, da die Steuerbelastung bereits tief ist.»

zentralplus: Was haben die Änderungen im Rahmen der Steuervorlage 17 für Auswirkungen auf den Finanzausgleich aus Zuger Sicht?

Fischer: Das ist noch sehr unsicher, weil die bisherigen Sondersteuerregimes für die Holding- und Verwaltungsgesellschaften ersetzt werden durch neue Entlastungssysteme wie beispielsweise eine Patentbox. Dadurch wird auch der Teil des Finanzausgleichs, der die Unternehmensbesteuerung berücksichtigt, geändert werden müssen. Da will ich keine Prognose abgeben, was dies für Zug in Zahlen bedeutet.

Es ist aber klar, dass es Anpassungen geben wird. Insbesondere Kantone mit relativ tiefen Steuern müssen aufpassen, dass sie die Steuerbelastung nicht so tief ansetzen, dass die Mehr- oder Minderzahlungen des Finanzausgleichs grösser sind als das, was sie zusätzlich durch die Steuern einnehmen. Dies stellt die grösste Herausforderung für die meisten Kantone dar.

Ich glaube, der Kanton Zug kann sehr gut leben mit den Massnahmen der Steuervorlage 17. Für ihn werden die Auswirkungen der Steuervorlage nicht so gravierend sein, da die Steuerbelastung bereits tief ist. Wenn die aktuellen Steuerregimes wegfallen, kann Zug immer noch mit einer generell tiefen Steuerbelastung argumentieren. Zug wird weiterhin europa- oder sogar weltweit eine sehr günstige Unternehmensbesteuerung haben.

Er sei viel im KKL anzutreffen: Der ehemalige GLP-Nationalrat Roland Fischer.

Jammern auf hohem Niveau und gleichzeitig mit tiefen Steuersätzen glänzen – laut Roland Fischer kommt dies im Parlament nicht gut an.

(Bild: bra)

zentralplus: Was wären denn die Konsequenzen für Zug, wenn noch mehr Grosskonzerne und Holdinggesellschaften in den Kanton ziehen sollten? Was hätte dies für Auswirkungen für die Abgaben im Rahmen des NFA?

Fischer: Dies hätte zur Folge, dass Zug mehr zahlen müsste. Wenn das Steuersubstrat pro Einwohner steigt, muss man auch mehr in den Finanzausgleich einzahlen. Aber auf der anderen Seite hätte Zug auch mehr Steuereinnahmen. Beim heutigen System sind die zusätzlichen Steuereinnahmen eines Zuzugs einer Firma grösser als das, was Zug zusätzlich in den Finanzausgleich abgeben muss. Unter dem Strich ist es also trotz der hohen Ausgleichszahlungen immer noch attraktiv, wenn sich Firmen im Kanton Zug ansiedeln.

zentralplus: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Werden Sie nächstes Jahr wieder für den Nationalrat kandidieren?

Fischer: Das ist noch offen. Da kann ich noch nichts dazu sagen.

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