Luzern: Eklat um Regierungsrat Schwerzmann

NFA-Debakel: SP verlangt lückenlose Aufklärung – und Sondersession

Regierungsrat Marcel Schwerzmann.

(Bild: zvg)

Finanzdirektor Marcel Schwerzmann hat bereits am 20. April gewusst, dass der Kanton über 30 Millionen Franken weniger aus dem neuen Finanzausgleich (NFA) erhält. Informiert hat er das Parlament jedoch erst am 21. Juni. Nicht nur die SP ist darüber empört.

Das Verhalten des parteilosen Regierungsrates und Finanzdirektors Marcel Schwerzmann sorgt einmal mehr für Ärger. Auslöser diesmal ist, dass Schwerzmann schon seit dem 20. April von den fehlenden Millionen aus dem neuen Finanzausgleich (NFA) wusste – der Kanton erhält satte 38 Millionen Franken weniger als budgetiert.

«Die katastrophalen NFA-Zahlen wurden absichtlich unter Verschluss gehalten.»

David Roth, Präsident SP Kanton Luzern

Informiert hat Schwerzmann das Parlament und die Regierung aber erst viel später. Nämlich letzten Dienstag, 21. Juni, am zweiten Tag der Kantonsratssession, als es um das 330-Millionen-Riesensparpaket KP17 ging. In dieser zehnstündigen Debatte wurde mitunter um Kleinstbeträge gefeilscht (hier geht es zum Artikel). Das ist nun teilweise für die Katz. Hätten die Parlamentarier davor vom viel grösseren Finanzloch erfahren, wäre die Debatte anders verlaufen.

«Schwerzmann handelte mit Absicht»

Die SP wartet mit schwerem Geschütz gegen Schwerzmann auf: «Die katastrophalen NFA-Zahlen wurden absichtlich unter Verschluss gehalten. Regierungsrat Marcel Schwerzmann oder der Gesamtregierungsrat haben damit einen parlamentarischen Leerlauf rund um das KP17 verursacht», ärgert sich SP-Kantonsrat und Parteipräsident David Roth in einer Medienmitteilung von diesem Mittwoch.

Auch SVP und CVP üben Kritik

Über die Reaktionen der Parteien zu den neusten Enthüllungen berichtet diesen Mittwoch die «Neue Luzerner Zeitung» (NLZ). Demnach sagt CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer: «Marcel Schwerzmann hätte die Planungs- und Finanzkommission Ende April zwingend informieren müssen.» Schliesslich habe sich die Finanzierungslücke mit den ausfallenden NFA-Millionen mehr als verdoppelt. Das Parlament hätte aufgrund dieser News an der Spar-Session laut Peyer sicher andere Schwerpunkte gesetzt.

Gleich sieht es SVP-Fraktionschef Guido Müller. Auffällig gelassen nimmt FDP-Parteipräsident Markus Zenklusen die Angelegenheit. Eine Aufarbeitung bringe nichts. «Die Situation ist, wie sie ist», sagte er der NLZ. Auch die GLP hält in dieser Sache nichts von voller Transparenz. Da Schwerzmann womöglich nicht über exakte Zahlen verfügt habe, hätte eine Information «nur Verunsicherung gestiftet».

Die SP fordert die Regierung erneut auf, nun Verantwortung zu übernehmen und die Finanzdirektion einem anderen Regierungsmitglied zuzuteilen. Zudem sollen der Informationsfluss und die Wahrnehmung der Informationspflicht untersucht werden. «Die Ergebnisse sowie die zwingend notwendige finanzpolitische Standortbestimmung sollen im Rahmen einer Sondersession diskutiert werden.»

Hat Schwerzmann gelogen?

Während über einem halben Jahr habe die SP an verschiedenen Stellen die NFA-Prognosen in Frage gestellt und die Offenlegung der Berechnungsgrundlagen gefordert. Die Regierung habe solche Begehren jeweils abgewimmelt und behauptet, es gäbe keine genaueren Prognosen. «Dies entspricht offensichtlich nicht der Wahrheit, wurde aber munter weitererzählt – bis zum heutigen Tag», tobt Roth.

Roth zitiert eine Antwort Schwerzmanns im «Regionaljournal Zentralschweiz» auf die Frage, ob dieser von den massiven NFA-Ausfällen gewusst habe: «Selbstverständlich habe ich davon gewusst, und zwar ganz genau am Dienstagmorgen sind uns diese Zahlen mitgeteilt worden. Am Dienstagnachmittag haben wir alle Fraktionschefs, den Präsidenten des Kantonsrates, den Kantonsratsvizepräsidenten plus alle Regierungsräte schriftlich orientiert über die Zahl. Das ist am Dienstag passiert, während die Debatte im Gang gewesen ist.»

«Marcel Schwerzmann wusste bereits am 20. April, dass seine Berechnungen hinten und vorne nicht stimmen können.»

David Roth, Präsident SP Luzern

Diese Aussage ist offenbar falsch. David Roth sagt: «Die Aussagen des Bundes und mehrerer Kantone belegen das genaue Gegenteil. Marcel Schwerzmann wusste bereits am 20. April, dass seine Berechnungen hinten und vorne nicht stimmen können. Er hat es aber sowohl unterlassen, die Planungs- und Finanzkommission über diesen Umstand zu informieren, als auch seine eigenen Berechnungen anzupassen.» Die Diskussion rund um das KP17 sei damit über zwei volle Monate in Kenntnis einer falschen Faktenlage geführt worden.

«Weil vertrauliche Informationen sofort an die Öffentlichkeit gelangen, war eine Information nicht zu verantworten.»

Marcel Schwerzmann, Finanzdirektor

Schwerzmann macht merkwürdige Gründe geltend, warum er nicht einmal die Planungs- und Finanzkommission (PFK) rechtzeitig ins Bild gesetzt hat. «Die Tatsache, dass in Luzern ja jede vertrauliche Information sofort an die Öffentlichkeit gelangt, hat zur Folge, dass eine Information nicht zu verantworten ist», sagte er gegenüber der «Neuen Luzerner Zeitung» (NLZ). Seine Regierungsratskollegen habe er jedoch detaillierter informiert. Diesen gegenüber habe er von einem «Zwanzigstel einer Steuereinheit» gesprochen. Das entspricht rund 32 Millionen Franken. Das Parlament als Ganzes habe er nicht früher über die neusten NFA-Zahlen informieren dürfen, weil ihm vom Bund dafür eine Sperrfrist bis Dienstag, 21. Juli, auferlegt worden sei.

Gefordert: Volle Transparenz – und Schwerzmanns Kopf

Die SP verlangt nun, dass die «NFA-Affäre» lückenlos aufgeklärt wird und Konsequenzen gezogen werden. Sie fordert konkret:

1. Die Verantwortung für das Finanzdepartement ist durch ein anderes Regierungsmitglied wahrzunehmen.

2. Die Aufsichts- und Kontrollkommission des Kantonsrates hat umgehend eine Untersuchung vorzunehmen und unter anderem folgende Fragen zu klären:

  • Wann hat die Finanzdirektion den Regierungsrat über die NFA-Prognose des Bundes vom 20. April informiert?
  • Warum wurde eine Information des Parlamentes sowie der Planungs- und Finanzkommission unterlassen?
  • Lustat schreibt in einem Mail von einer Expertise, die sie im Auftrag des Finanzdepartements verfasst hat. Warum weigert sich das Finanzdepartement weiterhin, diese Expertise zu veröffentlichen?
  • Wird diese Expertise mit dem Wissen des Gesamtregierungsrates zurückgehalten?
  • Wurden Informationspflichten gegenüber dem Gesamtregierungsrat oder dem Parlament verletzt?

3. Es ist umgehend eine Sondersession des Kantonsrates einzuberufen. Dabei sollen die Ergebnisse der AKK-Untersuchung sowie die dringend notwendige finanzpolitische Standortbestimmung und Konsequenzen diskutiert werden.

Hinweis: zentralplus wird noch diesen Mittwoch über die Haltung der anderen Parteien zur Forderung der SP berichten.

Jetzt fehlen 400 statt 330 Millionen

Vor Bekanntwerden der um 38 Millionen Franken tieferen NFA-Zahlungen gingen die Luzerner Politiker von einem Sparbetrag von 330 Millionen für die nächsten drei Jahre aus. Der Kantonsrat stimmte an seiner Juni-Session letzten Montag und Dienstag Sparmassnahmen in der Höhe von 165 Millionen zu. Besonders hart trifft es das Personal, das eine Stunde mehr arbeiten muss (40,8 Mio), die soziale Sicherheit (16,7 Mio), die Hochschulen (14,5 Mio) und den Gesundheitsbereich (13,8 Mio). Mehreinnahmen von etwas über 40 Millionen will der Kantonsrat etwa mit der Reduktion von Steuerabzügen (27,4 Mio.) und höheren Motorfahrzeugsteuern (9 Mio.) erreichen.

Die Finanzlücke betrug alleine nach der Debatte im Kantonsrat 120 Millionen Franken. Und jetzt kommen fürs Jahr 2017 wegen des NFA-Ausfalls zusätzlich 38 Millionen dazu. Ein Finanzloch von total 400 Millionen über drei Jahre (inklusive der bisherigen 330 Mio.) schätzte Schwerzmann letzte Woche gegenüber zentralplus als realistisch ein.

Wie soll die Lücke geschlossen werden?

Zur Schliessung der Lücke verbleiben drei Optionen. Die Kürzung von Transferzahlungen, eine Steuererhöhung oder eine Aussetzung der Schuldenbremse. Für letztere Option hat der Kantonsrat an seiner letzten Session einen Entwurf eines Spezialgesetzes verabschiedet. Darin hat er allerdings festgelegt, dass die maximale Verschuldung bei rund 50 Millionen liegen dürfe.

Die CVP kündigt nach Bekanntwerden des grösser gewordenen Millionenlochs Konsequenzen an. «Wir ziehen ein allgemeines Ausgabenmoratorium in Erwägung», sagte Vizepräsidentin Yvonne Hunkeler gegenüber zentralplus (hier gehts zum Artikel). «Vorderhand sollen nur noch für die ordentliche und wirtschaftliche Staatstätigkeit unerlässliche Ausgaben getätigt werden dürfen.»

Für Urs Brücker von der GLP war zudem bereits letzte Woche klar: «Kurzfristig wird der Kanton Luzern nicht um eine Erhöhung des Steuerfusses herumkommen.»

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