Grosse Finanzsorgen im Kanton Luzern

NFA-Dämpfer: Köpfe werden gefordert, Lösungen nicht in Sicht

Finanzdirektor Marcel Schwerzmann hat damit gerechnet, dass die NFA-Zahlungen tiefer ausfallen. Die Höhe des Ausfalls hat ihn aber überrascht.

(Bild: Montage les)

Das war so nicht geplant. Mit den fehlenden Geldern aus dem NFA steigt das Loch in der Kasse des Kantons Luzern wohl auf über 400 Millionen. Regierungsrat Marcel Schwerzmann und alle Parteien sind sich bewusst, dass die Herausforderung gewaltig ist. Wo liegt der Ausweg aus dem Dilemma?

Es war ein finanzpolitischer Hammer diesen Donnerstagmorgen: Der Kanton Luzern erhält 63 Millionen weniger aus dem nationalen Finanzausgleich – gerechnet hatte man mit einer Reduktion von 25 Millionen (zentralplus berichtete). Für die SP Grund genug, deutliche Worte zu finden: «Jetzt reicht’s! – Tiefsteuerstrategie verursacht NFA-Katastrophe», schrieb sie in einer Mitteilung.

SP-Präsident David Roth sagt genervt: «Nur zwei Tage nach der intensiven Debatte im Kantonsrat (siehe Box) sieht die Realität schon wieder ganz anders aus, ohne dass der Regierungsrat auch nur mit einer Silbe darauf hingewiesen hätte. Der Scherbenhaufen ist komplett.» Das Parlament sei von der Regierung wiederholt zum Narren gehalten und unzureichend informiert worden, so Roth. «Damit muss jetzt Schluss sein. Die SP fordert die Regierung auf, Marcel Schwerzmann die Finanzen zu entziehen. Die Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit ist nicht mehr gegeben.»

Sparpaket ist massiv – Lücke wird grösser

Anfang Woche debattierte der Kantonsrat über das grösste Sparpaket aller Zeiten. Vor dem Bekanntwerden der NFA-Zahlungen ging man von einem Sparbetrag von 330 Millionen in den nächsten drei Jahren aus. Der Kantonsrat stimmte Sparmassnahmen von 165 Millionen zu. Besonders hart trifft es das Personal, das eine Stunde mehr arbeiten muss (40,8 Mio), die soziale Sicherheit (16,7 Mio), die Hochschulen (14,5 Mio) oder den Gesundheitsbereich (13,8 Mio). Mehreinnahmen von etwas über 40 Millionen will der Kantonsrat etwa mit der Reduktion von Steuerabzügen (27,4 Mio.) oder höheren Motorfahrzeugsteuern (9 Mio.) erreichen.

Die Finanzlücke betrug alleine nach der Debatte im Kantonsrat noch 120 Millionen Franken. Und jetzt kommen fürs Jahr 2017 zusätzlich 38 Millionen dazu. Zur Schliessung der Lücke verbleiben drei Optionen. Die Kürzung von Transferzahlungen, eine Steuererhöhung oder eine Aussetzung der Schuldenbremse. Für letzte Option hat der Kantonsrat einen Entwurf eines Spezialgesetzes verabschiedet. Darin hat er allerdings festgelegt, dass die maximale Verschuldung bei rund 50 Millionen liegen dürfte.

CVP spricht von grotesker Situation

Unterstützung in ihrer Kritik erhält die SP nebst den Grünen nun auch von der CVP. Sie schreibt: «Erneutes Loch beim NFA löst grossen Ärger aus!» Die CVP fragt sich, ob der Kanton sein finanzpolitisches Risikomanagement noch im Griff hat. «Offenbar ist man hier im Blindflug unterwegs», sagt Vizepräsidentin Yvonne Hunkeler. Die Bezeichnung Blindflug wurde bisher nur von der SP verwendet. Für die CVP ist nicht die Kürzung an sich das Problem, sondern dass man sie einmal mehr nicht habe kommen sehen. «Es ist grotesk: Bei der Beratung des KP 17 hat man Detailmassnahmen diskutiert und entsprechende Weichen gestellt. Gleichzeitig wurde man über die wahre finanzielle Lage des Kantons im Dunkeln gelassen.» Das löse nur noch Kopfschütteln und Unverständnis aus.

Die CVP kündigt auch Konsequenzen an. «Wir ziehen ein allgemeines Ausgabenmoratorium in Erwägung», sagt Hunkeler. Vorderhand sollen nur noch für die ordentliche und wirtschaftliche Staatstätigkeit unerlässliche Ausgaben getätigt werden dürfen.

«SP macht reine Effekthascherei»

Zum Vorwurf der CVP sagt Finanzdirektor Marcel Schwerzmann: «Ich habe bereits in der Kommission und auch in der Kantonsratsdebatte deutlich gesagt, dass das Risiko eines NFA-Ausfalls massiv höher sei.» Und Schwerzmann sagt auch, dass man bei der Herkunft der Daten x-fach darauf hingewiesen habe, woher sie stammen. «Für diese Berechnungen muss man die Steuererträge und auch die Strategien aller 26 Kantone kennen. Das kann nur das BAK Basel, da waren wir immer transparent und haben immer die neusten Zahlen verwendet.»

«Die Höhe ist überraschend und schmerzt natürlich.»

Marcel Schwerzmann, Finanzdirektor

Für die Angriffe der SP hat Schwerzmann überhaupt kein Verständnis: «Es gibt zwei Gründe für solche Äusserungen. Erstens wurde der NFA-Mechanismus noch nicht verstanden, zweitens ist es reine Effekthascherei, um Werbung für die Unternehmenssteuer-Initiative zu machen. Im vorliegenden Fall sind wohl beide Gründe massgebend.» Das Argument, die Tiefsteuerstrategie funktioniere nicht, sei «nun wirklich fehl am Platz».

Schwerzmann ging davon aus, dass der Rückgang der NFA-Zahlungen tiefer ausfallen würde. «Die Höhe ist allerdings überraschend und schmerzt natürlich», so der Finanzdirektor. «Erfreulich ist, dass sich der Kanton im nationalen Vergleich wirtschaftlich besser entwickelt.» Und Schwerzmann freut sich, dass man im nationalen Vergleich sowohl bei den natürlichen wie auch bei den juristischen Personen zulegen konnte. Gleichzeitig ärgert er sich über den Mechanismus im Finanzausgleich, wonach stärker werdende Kantone bestraft werden.

Als Bemessungsgrundlage für die NFA-Zahlungen des Bundes gelten die Jahre 2011 bis 2013.

Als Bemessungsgrundlage für die NFA-Zahlungen des Bundes gelten die Jahre 2011 bis 2013.

 

Die Ursache für das NFA-Schlamassel

Die Spurensuche nach den Gründen für den erneuten NFA-Ausfall bringt die Parteien zum gestiegenen Ressourcenpotenzial. Der Kanton Luzern erhält weniger Geld aus dem Finanzausgleich, weil er wirtschaftlich stärker wurde. Bei der Interpretation zeigen sich dann aber massive Unterschiede zwischen den Parteien:

SP-Präsident David Roth sagt: «Es wird immer davon gesprochen, wie die Tiefsteuerstrategie funktioniere.» Und jedes Mal würden dazu Wunschprognosen des Finanzdepartements vorgelegt. «Doch die sind schlicht falsch – sauber gearbeitet wird dort nicht.» Roth enerviert sich: «Die Strategie bringt nichts, jeder kann sehen, welche Zahlen die Realität ausspuckt.» Es sei tragisch, dass etwa das Personal oder die Bildung unter der Ignoranz der Bürgerlichen leiden müssten.

Katharina Meile, Co-Präsidentin der Grünen, sagt: «Der Regierungsrat und die bürgerlichen Parteien weigern sich, dieses Potenzial auch auf der Steuerseite besser auszuschöpfen.» Der Grund liege bei den tiefen Steuern für Vermögende und Unternehmen. «Die bürgerlichen Parteien müssen ihre Haltung grundsätzlich überdenken, statt mit dem Sparpaket eine weitere unrealistische und schädliche Abbaurunde einzuläuten.»

«Die Steuerstrategie funktioniert.»

Yvonne Hunkeler, CVP-Vizepräsidentin

Mit ihrer Haltung zur Steuerstrategie sind die beiden linken Parteien aber allein auf weiter Flur. CVP-Vizepräsidentin Yvonne Hunkeler sagt: «Immerhin ist die Reduktion der NFA-Beiträge auf eine Stärkung des Kantons zurückzuführen oder anders gesagt: Die Steuerstrategie funktioniert.» Sie sei zwar teurer als ursprünglich angenommen, aber letztlich richtig und alternativlos.

Bei den Grünliberalen tönt es identisch: «Tiefere Beiträge aus dem Finanzausgleich sind an und für sich ein gutes Zeichen», sagt Finanzpolitiker Urs Brücker. Sie würden darauf hindeuten, dass die Wirtschaft des Kantons im Vergleich zu anderen Kantonen stärker gewachsen ist. «Die Steuerstrategie zeigt also ihre Wirkung.»

«Es zeigt, dass die Steuerstrategie des Kantons richtig ist und Früchte trägt.»

Markus Zenklusen, FDP-Präsident

Auch FDP-Präsident Markus Zenklusen teilt diese Einschätzung: «Es zeigt, dass die Steuerstrategie des Kantons richtig ist und Früchte trägt.» Allerdings hinterfragt die FDP den NFA-Mechanismus. «Dieser ist fragwürdig und muss dringend überdacht werden. Leistung muss sich lohnen», so Zenklusen.

SVP-Finanzpolitikerin Angela Lüthold sagt: «Es war klar, dass der Erfolg durch die Tiefsteuerstrategie weniger NFA-Gelder zur Folge haben wird.» Der Tunnel habe aber ein Ende und die sinkenden Einnahmen aus dem NFA würden früher oder später kompensiert sein. «An der Steuerstrategie ist festzuhalten. Die Belohnung wird folgen.»

So soll’s weitergehen

Nun gut, die Zahlen sind bekannt, der Kanton muss irgendwie damit klarkommen. Sämtliche Parteien sind sich einig, dass die finanzpolitischen Auswirkungen nochmals gestiegen sind, und niemand beneidet die Regierung derzeit um ihre Aufgabe. Beim finanzpolitischen Ausweg teilen sich allerdings die Meinungen:

Für SP-Präsident David Roth ist klar: «Es ist Zeit, die Tiefsteuerstrategie komplett zu überdenken, hin zu einer ausgewogenen und fairen Beteiligung aller an den wichtigen und zentralen Leistungen des Staates.» Das bedeute, dass man besonders der Einnahmenseite mehr Beachtung schenken müsse und auch Unternehmen und Reiche stärker zu belasten hätte. Eine Steuererhöhung für natürliche Personen sei für die SP unter den jetzigen Voraussetzungen kein Thema.

Roth erklärt, dass lediglich die Höhe der Steuereinnahmen von rund 1,2 Milliarden in der Kompetenz von politischen Entscheidungsträgern liege. «Geht man mit den neuen Zahlen von einem Fehlbetrag von 150 Millionen pro Jahr aus, muss man einen Achtel des gesamten Kantons zusammenstreichen. Unmöglich!», sagt Roth. Und weiter: «Nur die linke Seite bringt Vorschläge für eine Verbesserung der Lage. Die bürgerlichen Parteien und die Regierung schieben sich nur die Verantwortung und auch die Schuld hin und her.»

«Unser Kanton braucht eine Perspektive und diese kann sich nicht in Leistungskürzungen erschöpfen.»

Katharina Meile, Co-Präsidentin Grüne

Auch die Grünen wollen auf der Einnahmenseite ansetzen. Katharina Meile sagt: «Unser Kanton braucht eine Perspektive und diese kann sich nicht in Leistungskürzungen erschöpfen.» Würden die Forderung einer Besteuerung von Unternehmen und Reichen erfüllt, könne allenfalls auch über eine generelle Steuererhöhung für natürliche Personen diskutiert werden.

CVP-Vizepräsidentin Yvonne Hunkeler sagt: «Es gilt jetzt, politisch klug zu handeln und das Problem anhand des finanzpolitischen Dreiecks (Sparen, Mehreinnahmen, Schulden) sowie mittels temporärer Aussetzung der Schuldenbremse zu überbrücken.» Gefordert sei die Regierung. Hunkeler gibt aber zu, dass die Situation sehr schwierig sei: «Ich spüre im Moment eine gewisse Ohnmacht bei allen Akteuren.» Hunkeler ist sich bewusst, dass die CVP gemeinsam mit ihren bürgerlichen Partnern die Mehrheit im Parlament innehat und es auch an der Mittepartei liegt, einen Weg aus der Sackgasse zu finden.

«Kurzfristig wird der Kanton Luzern nicht um eine Erhöhung des Steuerfusses herumkommen.»

Urs Brücker, GLP-Finanzpolitiker

Urs Brücker von der GLP ist skeptisch, dass die in der Regierung vertretenen Parteien eine vernünftige und sinnvolle Lösung präsentieren können. Er macht klar: «Kurzfristig wird der Kanton Luzern nicht um eine Erhöhung des Steuerfusses herumkommen.» Der Schwerpunkt liege allerdings weiterhin beim strukturellen Wandel. Brücker hält weiter fest, dass bei den Mehreinnahmen für die GLP ökologische Steuern die höchste Priorität geniessen würden. «Hier steckt noch grosses Potenzial.»

Im Gegensatz zur GLP kommen für die FDP Steuererhöhungen nicht infrage. Präsident Markus Zenklusen ist überzeugt, dass man eine «mehrheitsfähige bürgerliche Lösung» finden werde. «Für die FDP ist zentral, dass das anhaltende Kostenwachstum gebrochen werden kann.» Zenklusen sieht Potenzial bei der Überprüfung von Organisationsstrukturen. «Die Polizei hat es vorgemacht. Ich erwarte von allen Regierungsräten, dass sie Alternativen prüfen.» Schon vor der Debatte habe die FDP herausgestrichen, dass das Sparpaket nicht aufgeschnürt werden dürfe. «Wir müssen die Opfersymmetrie hochhalten, die FDP wird für Lösungen Hand bieten.»

«Das KP 17 ist kein wirklicher Befreiungsschlag.»

Angela Lüthold, SVP-Finanzpolitikerin

Für die SVP geht das KP 17 einfach zu wenig weit. Angela Lüthold sagt: «Das KP 17 ist kein wirklicher Befreiungsschlag. Strukturelle Massnahmen und Hinterfragung von Leistungen blieben aus.» Die SVP habe in der Vergangenheit stets versucht, dem entgegenzuwirken. «Die Mehrheiten im Parlament haben den stetig überproportional wachsenden Ausgaben zugestimmt und sind jetzt auch gefordert.» Ob auf der Einnahmeseite Kompromisse gemacht werden könnten, werde sich zeigen. «Entscheidend dürfte auch sein, welche Ziele die grosse Mittepartei verfolgt.»

Regierung sitzt vor den Sommerferien zusammen

Wie gross das Finanzloch für die nächsten drei Jahre nun tatsächlich ist, kann auch Finanzdirektor Marcel Schwerzmann noch nicht sagen. «Zuerst müssen wir die Zahlen nun verifizieren, damit wir seriöse Aussagen machen können», sagt er auch im Wissen um die Vorwürfe der Parteien. Ein Finanzloch von total 400 Millionen über drei Jahre (inklusive der bisherigen 330 Mio.) schätzt er als realistisch ein. Und dann? «Das ist die grosse Frage. Wir werden das innerhalb der Regierung noch vor den Sommerferien besprechen. Die Rückmeldungen aus dem Kantonsrat geben uns leider nicht genügend konkrete Vorschläge, wo wir ansetzen müssen.»

 

 

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