Zuger SP: Spracherwerb zwecks Chancengerechtigkeit

An der Kantonsratssitzung vom Donnerstag berät das Zuger Kantonsparlament zum zweiten Mal das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und zum Asylgesetz (EG AuG). Für Diskussionen sorgte im Februar die Frage, wie wichtig das Erlernen der Sprache für die Niederlassung ist. Der Regierungsrat wollte superreiche Ausländer von dieser Pflicht ausnehmen. Die Präsidentin SP Kanton Zug, Barbara Gysel, plädiert dafür, die Teilrevision des Einführungsgesetzes am Donnerstag zu kippen und am bewährten Recht festzuhalten. In ihrem Leserbrief erläutert sie die Gründe:

Der Leserbrief:

«Annette Luther von Roche Diagnostics berichtete vor ein paar Tagen beim Anlass zu „Ethik in der Migrationspolitik“ vom Forum Kirche und Wirtschaft über die Unternehmensbemühungen, weltbeste Talente zu gewinnen. Dabei äusserte sie auch ihre Erwartung an die Zuwandernden, dass die alltägliche Verständigung möglich sein sollte. Unabhängig von den Arbeitsbranchen, der Grösse vom Portmonee und Parteicouleur vernehme ich die Grundhaltung, wonach Sprache für das Ankommen und Integrieren zentral sei. Es geht um das gemeinsame Zusammenleben mit Einheimischen und eine neue Heimat – und für Nichtreiche auch um Chancengerechtigkeit.

Im Bundesrecht verweist schon etwa Art. 4 Abs. 4 AuG über die Integration von AusländerInnen auf die Bedeutung von Sprache: „Es ist erforderlich, dass sich Ausländerinnen und Ausländer mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und insbesondere eine Landessprache erlernen.“

Diese Praxis haben wir bisher in Zug erfolgreich gelebt und auch von der SP konsequent und ohne Ausnahme unterstützt (entgegen anderer Verlautbarungen und Falschmeldungen). Deutscherwerb bildet einen Schlüssel zum Heimischwerden und eröffnet Chancen gerade für jene, die keinen privilegierten Zugang etwa zum Erwerbsmarkt haben. Bei uns gilt im Kanton: Wer keinen automatischen Anspruch aufs C hat, muss beim Beantragen der Niederlassungsbewilligung C Deutschkenntnisse nachweisen, damit er oder sie längerfristig hierbleiben kann. Damit wird gestützt auf Bundesrecht sogar die Grundlage geschaffen, die Niederlassung schon mit fünf Jahren, statt erst zehn Jahren zu erhalten. Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse wird bei uns aber niemand ausgewiesen, der Ausweis B ist immer noch möglich.

Bei erster Lesung Kind mit dem Bade ausgekippt

Unser Zuger Modell hat in der Vergangenheit bestens funktioniert, wie die Regierung verlautbaren liess – ausser bei einer Handvoll Superreicher, weshalb sie für diese Gruppe im Gesetz eine Ausnahmeklausel einbauen wollte. Leider wurde bei der ersten Lesung im Kantonsrat im Februar 2016 nicht nur diese Sonderklausel abgelehnt, sondern in der hitzigen Debatte anschliessend grad der gesamte Paragraph 8 gekippt. Damit wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Am kommenden Donnerstag kann das Parlament den Fehlentscheid in der 2. Lesung korrigieren: wird in der Schlussabstimmung die ganze Vorlage abgelehnt, verbleiben wir beim Status Quo und das ist gut so. Der Kantonsrat wird de facto wählen müssen zwischen bewährtem, geltendem Recht (ohne Ausnahme für Vermögende) oder Behördenwillkür!

Lassen Sie mich dies kurz erläutern: Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung C sieht das Bundesgesetz (leider) nicht vor, sondern nur eine kann-Formulierung (Art. 34 Abs. 2 AuG). Ohne kantonale gesetzliche Grundlage können die Behörden nach eigenem Ermessen entscheiden (Art. 96 Abs. 1 AuG: „Die zuständigen Behörden berücksichtigen bei der Ermessensausübung die öffentlichen Interessen und die persönlichen Verhältnisse sowie den Grad der Integration der Ausländerinnen und Ausländer.“) Das ist reichlich offen formuliert und umso wichtiger werden konkrete Kriterien. Genau bei diesen würde der Kantonsrat bei Zustimmung in der 2. Lesung aber das Heft aus der Hand geben – und sich die parlamentarische Mitsprache künftig verbauen. Anders gesagt: welche Voraussetzungen für eine Bewilligung als erforderlich gelten, welche Ausnahmen zur Anwendung gelangen sollen und welche Kriterien wie bewertet werden – das liegt direkt in der Hand der Behörden. Ohne Einflussmöglichkeiten durch den Gesetzgeber. Es stünde dem Regierungsrat und der Verwaltung frei, Sonderregeln für Superreiche anzuwenden. Die Regierung würde bei ihnen „erhebliche fiskalische Interessen“ geltend machen – analog zu den bundesrechtlichen Bestimmungen zum Aufenthalt, wo sie unter „wichtigen öffentliche Interessen“ aufgeführt werden (Art. 32 Abs. 1 Bst. c VZAE). Eine Verordnung mit Kriterien zur Niederlassung existiert sonst schlicht nicht; die Analogie mit Aufenthaltsbewilligung gemäss Regierungsrat ist insofern rechtlich zulässig, aber ich finde sie gesellschaftlich falsch.

Was folgern wir? Stimmt die Mehrheit des Parlamentes am nächsten Donnerstag in der Schlussabstimmung der EG AuG-Vorlage zu, wird der Willkür von Behörden Tür und Tor geöffnet. Lassen wir es nicht soweit kommen: Schickt die Mehrheit des Kantonsrates die Teilrevision bachab, so bleiben wir beim bewährten geltenden Recht.»

Barbara Gysel, Kantonsrätin, Präsidentin SP Kanton Zug, Oberwil

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