Justiz
Verhandlung am Kriminalgericht Luzern

Veruntreuung, Betrug: Hat Geschäftsmann Onkel hintergangen?

Ein Luzerner Geschäftsmann hätte sich um das Vermögen seines Onkels kümmern sollen – und das laut der Staatsanwaltschaft nicht richtig getan. (Bild: Adobe Stock)

Ein bekannter Luzerner Unternehmer soll das Geld seines reichen Onkels veruntreut haben. Deshalb stand er am Donnerstag vor dem Kriminalgericht. Es geht um zwei Millionen Franken. Und um die Frage nach Vertrauen.

Hat er oder hat er es nicht getan: das Vertrauen seines Onkels missbraucht, Geld veruntreut und rund zwei Millionen Franken Schaden angerichtet?

Mit dieser Frage hatte sich am Donnerstag das dreiköpfige Luzerner Kriminalgericht auseinanderzusetzen. Veruntreuung, ungetreue Geschäftsbesorgung und Betrug lauteten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen den beschuldigten Neffen: einen Geschäftsmann, der in der Region Sursee bestens bekannt, aber keine Person öffentlichen Interesses ist und deshalb namentlich nicht genannt wird.

Eine Geschichte von Fürsorge und angeblicher Hinterlist

Zwei Jahre Gefängnis bedingt forderte die Staatsanwaltschaft für den Mann im Hinblick auf die Verhandlung vom Donnerstag. Dort ging es einen Tag lang um Schulden und Darlehen, mutmasslich überrissene Aktienverkäufe, Leibrentenverträge und Immobiliengeschäfte.

Einen Tag lang also wateten zwei Richterinnen, ein Richter, ein Gerichtsschreiber, die Staatsanwältin und der Beschuldigte mit zwei Verteidigern durch einen Moloch aus Formalitäten und Vertragsdetails – und das so tief, dass man das Wesentliche leicht hätte aus dem Blick verlieren können: die Geschichte zweier Männer, die einst verbunden waren durch die Fürsorge des einen für den anderen und später entzweit wurden durch die Frage: Hat der eine den anderen hintergangen?

Darlehen aufgenommen, Onkel zum Schuldner gemacht

Genau das soll der Neffe, ein Mann mit weissem Haar und selbstsicherem Gang, getan haben, als er das Vermögen seines reichen und mittlerweile verstorbenen Onkels verwaltete. Dieser stellte bereits 2015 Strafklage gegen seinen Neffen, die Anklage der Staatsanwaltschaft Luzern stammt vom Juni 2022.

Dieser zufolge soll der Neffe den Kauf seiner Eigentumswohnung mit dem Geld seines Onkels mitfinanziert haben, kaum hatte er von ihm eine Vollmacht erhalten. So habe der Neffe ein Bankdarlehen im Namen seines Onkels aufgenommen und dessen Vermögen als Sicherheit gestellt. Und zwar ohne, dass dieser das bewilligt hätte. Der Neffe habe den Onkel also zum Schuldner gemacht, sei gegen dessen Willen ein Risiko eingegangen und habe Zinsschulden verursacht, mit denen der Onkel nie einverstanden gewesen wäre.

Neffe soll überrissen teure Aktien verkauft haben

Auf 613’000 Franken bezifferte die Anklage den Schaden und wirft dem Mann vor, das Vermögen seines Onkels nicht so verwaltet zu haben, wie er es hätte tun sollen. Weiter soll der Neffe mehrere Hunderttausend Franken an Darlehen im Namen seines Onkels aufgenommen haben, um damit seine eigenen Firmen am Laufen zu halten. Und schliesslich soll der Neffe seinem Onkel überrissen teure Aktien verkauft haben, darunter Anteile eines Surseer KMU: 1250 Franken zahlte der Mann im Namen seines Onkels für seine eigenen Aktien, 700 Franken wären diese laut der Anklage tatsächlich wert gewesen.

«Wir haben ihm immer alles vorgelegt. Manchmal hat er gesagt, er könne meine Handschrift nicht lesen, dann haben wir es ihm vorgelesen.»

Der Beschuldigte vor Gericht

Vor Gericht sagte die Staatsanwältin, der Beschuldigte habe rund zwei Millionen Franken Schaden angerichtet. 20 Seiten umfasst die Anklageschrift, die mehrere dieser Zwischenfälle beinhaltet. In einem Punkt ähneln sich diese besonders: Der Onkel soll seinem Neffen laut den Strafverfolgern so sehr vertraut haben, dass er die Unterlagen unterschrieb, die man ihm vorlegte, ohne sie zu lesen, geschweige denn: zu verstehen.

Beschuldigter bestreitet die Vorwürfe

Das weist der Neffe deutlich von sich, als er um kurz vor 11 Uhr am Donnerstagvormittag vor dem Gericht Platz nimmt und mit ruhiger Stimme sagt: «Wir haben ihm immer alles vorgelegt. Manchmal hat er gesagt, er könne meine Handschrift nicht lesen, dann haben wir es ihm vorgelesen.»

Damit sagte der Beschuldigte dasselbe, das bereits der Steuerberater von Neffe und Onkel ausgeführt hatte, den das Gericht als Zeugen einvernahm: dass der Onkel geistig fähig gewesen wäre, die Geschäfte seines Neffen zu verstehen. Dass er interessiert gewesen wäre am Gang des Familiengeschäfts. Dass er immer wieder Fragen zu Dokumenten und Steuerunterlagen gestellt und dass man ihm das erklärt habe: «Wenn er seine Brille nicht dabeihatte, haben wir ihm die Dokumente vorgelesen. Einmal habe ich ihm sogar meine geliehen.»

«Es war herzzerreissend, wie dieser Mann versucht hat, die Fragen zu beantworten, das aber schlicht nicht mehr konnte.»

Aus dem Plädoyer des Verteidigers

Der Beschuldigte, die Fingerkuppen meist aneinandergelegt, praktisch ausschliesslich im Stuhl zurückgelehnt, beantwortete etwas über eine Stunde lang die Fragen des Gerichts. Sein Standpunkt zusammengefasst war: Er habe für seinen Onkel gesorgt, seit dieser Mitte der 90er-Jahre in Pension gegangen wäre. Er habe seinen Onkel immer darüber orientiert, was er für Geschäfte mache. Und: Er sei kein Jurist, mache seine Geschäfte nach alter Schule und müsse nicht immer einen Vertrag aufsetzen, wenn eine mündliche Vereinbarung gelte, was man ihm als «Unterlassungssünde» anlasten könne: «Man hätte das schriftlich etablieren und juristisch festhalten müssen», so der Beschuldigte. Dann würde man jetzt auch nicht hier sitzen.

Verteidiger fordert Freispruch

Im Kern also sagte der Beschuldigte, was anschliessend dessen Verteidiger in seinem Plädoyer ausführen würde: dass sein Mandant unschuldig sei und freigesprochen werden müsse. Nur schon aufgrund der Tatsache, dass der Onkel bei seiner einzigen Einvernahme wenige Monate vor seinem Tod nicht mehr einvernahmefähig gewesen sei.

Laut dem Verteidiger litt der Onkel an Demenz und hatte die Hälfte von 60 Fragen nicht beantworten können: «Es war herzzerreissend, wie dieser Mann versucht hat, die Fragen zu beantworten, das aber schlicht nicht mehr konnte», sagte der Anwalt. Darüber hinaus habe der Onkel zwar ausgesagt, sich nicht mehr um seine Bankgeschäfte kümmern zu wollen. Demgegenüber habe aber der Kundenberater auf der Bank ausgesagt, der Onkel wäre sehr interessiert an seinen Geschäften gewesen. Und: Er hätte immer wieder bei ihm nachgefragt, wie es um seine Geschäfte stehe. «Die damaligen Aussagen», sagte daher der Verteidiger, «können keine Grundlage für eine Anklage, geschweige denn für eine Verurteilung sein.»

Und schliesslich habe der Onkel, als es ihm gesundheitlich noch gut gegangen sei, die Dokumente unterschrieben, die ihm sein Neffe vorgelegt habe. Damit habe er bestätigt, dass er mit den Geschäften einverstanden sei: «Das ist bewiesene Tatsache. Für die Argumentation der Staatsanwaltschaft, er hätte die Unterlagen blind unterschrieben, gibt es nicht einmal ein Indiz.»

«Der Beschuldigte hatte keinen anderen Beweggrund, ein Darlehen aufzunehmen, als sich zu bereichern. Er bevorzugte es, sich auf Kosten seines Onkels ein luxuriöses Leben zu gönnen.»

Aus dem Plädoyer der Staatsanwältin

Dem hielt die Staatsanwältin entgegen, der Beschuldigte habe gewusst, dass ihm sein Onkel bedingungslos vertraue. Der Beschuldigte habe seinen Onkel «sprichwörtlich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans». So habe er für die Finanzierung seiner Eigentumswohnung beziehungsweise für das Risiko des Kredits schlicht und einfach seinen Onkel zahlen lassen wollen: «Der Beschuldigte hatte keinen anderen Beweggrund, ein Darlehen aufzunehmen, als sich zu bereichern. Er bevorzugte es, sich auf Kosten seines Onkels ein luxuriöses Leben zu gönnen.»

Ob dies das Gericht auch so sieht? Das ist unklar. Am Ende der ganztägigen Verhandlung gab es kein Urteil zu vermelden. Das Gericht muss sich darüber erst noch beraten.

Verwendete Quellen
  • Besuch der Verhandlung am Luzerner Kriminalgericht vom 16. November
  • Anklageschrift der Luzerner Staatsanwaltschaft vom 21. Juni 2022
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