Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, sieht einen direkten Weg von der Schlacht von Sempach zur Gründung des IKRK. Das hat er am heutigen Sonntag an der Gedenkfeier zur Schlacht von Sempach, an welcher rund 6’000 Besucher teilnahmen, ausgeführt. Maurer wies jedoch auch auf die heutigen Herausforderungen der humanitären Arbeit hin, inmitten von Dilemmas zu navigieren.
Eröffnet wurde die Gedenkfeier der Schlacht zu Sempach bereits am Samstagabend mit einem Mittelalterfest im Städtchen Sempach. Es ist das vierte Mal, dass die Gedenkfeier nicht auf dem Schlachtfeld bei Sempach, sondern im Städtchen stattfand. Mit der Neukonzeption der Feier hatte der Kanton Luzern darauf reagiert, dass seit 2003 wiederholt Rechtsextreme mit auf das Schlachtfeld marschierten. 2009 führten junge Linke eine Gegendemonstration durch.
Bestimmungen über Krieg und Frieden
Am heutigen Sonntag stand die Besinnung im Mittelpunkt, vorerst mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Pfarrkirche, anschliessend mit dem offiziellen Festakt. IKRK-Präsident Peter Maurer betonte dabei in seiner Festansprache in der Kirche St. Stefan, dass die Schlacht von Sempach kein Einzelereignis gewesen sei. Ihre historische Bedeutung werde erst wirklich erkennbar, wenn man sie zusammen mit dem Sempacher Brief von 1493 und als Teil einer grösseren Geschichte betrachte, sagte Maurer laut dem Redetext, der den Medien bereits gestern zugestellt wurde.
Der Brief verankere Regeln für das Zusammenleben der einzelnen Orte. Aus heutiger Sicht sei er aber auch ein wichtiges Element der Entwicklung des Kriegsvölkerrechts in Europa. «Der Brief enthält Bestimmungen über Krieg und Frieden und gleichzeitig Regeln über das Verhalten im Krieg.»
«Teil einer Universalgeschichte»
«Es war das Erlebnis der Unsicherheit, welches die Menschen beschäftigte und welches den Willen nach politischer Neugestaltung aufkeimen liess», so Maurer weiter. In diesem Sinne seien die Schlacht von Sempach und der Sempacher Brief für ihn wichtige Bezugspunkte in der Entstehungsgeschichte des humanitären Völkerrechts und der Beziehung von Politik, Recht und humanitärer Aktion. Die Schlacht und der Brief seien bedeutsam, weil sie Teil einer Universalgeschichte der Menschheit seien, betonte Maurer.
«Einige würden sagen, dass damit die humanitäre Tradition der Schweiz begründet wird. Ich würde nuancieren und behaupten: damit reiht sich die Schweiz ein in die globalen Bemühungen Normen zu entwickeln, welche ein Minimum von Menschlichkeit im Krieg gewährleisten.» In seinen Augen führt ein direkter Weg von der Schlacht zu Henri Dunant und zur Schlacht von Solferino, deren Grausamkeit Dunant vor etwas mehr als 150 Jahren veranlasste, das Rote Kreuz zu gründen.
Humanität nicht mehr als Ausdruck christlicher Barmherzigkeit
Dunants Genie habe gemäss Maurer nicht darin bestanden, die humanitäre Schweiz der Neuzeit zu gründen, sondern das Humanitäre als Politikbereich international zu verankern. «Er hat, für seine Epoche erstmalig, mit der Gründung des IKRK operationelle Kapazitäten für die humanitäre Hilfe bereitgestellt und mit der ersten Genfer Konvention völkerrechtlich verbindliche Normen geschaffen. Zudem hat er (…) die humanitäre Politik geschaffen, das heisst, das Humanitäre als Politikbereich begründet und nicht mehr als Ausdruck christlicher Barmherzigkeit.»
Politik «ohne Scheuklappen und Dogmen»
Maurer wies schliesslich auf die heutige Herausforderung der humanitären Arbeit hin, inmitten von Dilemmas zu navigieren. Er rief zu pragmatischer und lösungsorientierter Politik «ohne Scheuklappen und Dogmen» auf.