Rücktrittsschreiben nach 36 Jahren Zuger Politik

Emotionaler Brief von Stadtpräsident Dolfi Müller

Weltenbummler auch ohne Bitcoins: Der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller.

(Bild: mbe.)

Bereits im letzten Herbst wurde es schon bekannt: Nach 36 Jahren Stadtpolitik sagt Dolfi Müller ade. Nun macht er seinen Rücktritt offiziell – und blickt in einem emotionalen Schreiben auf seine Zeit in der Zuger Politik zurück.

Ein Amt in Bundesbern? «Bitte nicht», sagte uns Dolfi Müller im letzten September. Genug der Politik – eine Weltreise wolle er machen. Und vielleicht eine Rentnerband gründen. Nach Rente sah es in der letzten Zeit jedoch überhaupt nicht aus: Aktiv setzte sich Dolfi Müller beispielsweise als Botschafter für das Zuger Crypto Valley ein (zentralplus berichtete) und präsentierte letzten Sommer stolz eine Zuger Pionierleistung: Die digitale ID.

Nichtsdestotrotz sieht der scheidende Stadtpräsident den Zeitpunkt für den Rücktritt gekommen – und blickt auf eine lange Karriere, «gloriose» Debatten sowie mühsame Diskussionen zurück. Er wünscht sich von der Zuger Bevölkerung, demokratische Entscheide wieder mehr zu akzeptieren.

Weltreise nimmt Form an

«Um es noch offiziell zu machen: Ich habe der Parteipräsidentin der SP Stadt Zug, Karin Hägi, in aller Form mitgeteilt, dass ich für die Wahlen 2018 in den Stadtrat von Zug nicht mehr kandidieren werde.

36 Jahre Stadtpolitik im GGR und im Stadtrat sind genug, zumal ich Ende 2018 nicht mehr allzu weit vom Pensionierungsalter entfernt sein werde.

Die grosse Weltreise mit meiner Frau Ursula nimmt allmählich Konturen an. Ansonsten gönne ich mir mindestens 2 Jahre Freiheit und Ruhe. Einfach mal raus aus dem Planungsmodus, die Kontrolle aus der Hand geben und warten, was auf einem zukommt. Mein Leben als Stadtpräsident war immer sehr vielseitig und interessant, zeitweise auch belastend.

Der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller mit Gattin Ursula.

Der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller mit Gattin Ursula.

(Bild: mbe.)

Ohne die grosse Unterstützung meiner Familie und vor allem meiner Frau wäre es nicht gegangen.
 Ihnen, aber auch dem starken Stadtratsteam, meinen engsten Mitarbeitenden und der ganzen Stadtverwaltung bin ich zu grossem Dank verpflichtet. Speziell die letzten paar Jahre waren eine wunderbare und spannende Zeit im Zuger Stadthaus.
Der Dank geht auch an meine Partei und an alle, die sich trotz der zunehmenden Herausforde- rungen des Alltags in der städtischen und kantonalen Politik engagieren. Das ist alles andere als selbstverständlich.

«Zug ist bestens aufgestellt»

Unvergessen bleiben einige fast schon magische Momente, wie man sie als in der Öffentlichkeit stehender Mensch bisweilen erlebt.

So etwa die «gloriose» Stadttunneldebatte im Casino, wo sicher 90 Prozent der Anwesenden sofort Ja gestimmt hätten. Ein Jahr später sah es dann anders aus.
 Der Zuschlag des Landis&Gyr-Gebäudes an die Stadt, obwohl es ein höheres Preis-Angebot gab. Das Bauchtor von Schnitz gegen den SCB, das uns im Frühling 2017 vom Meistertitel träumen liess.

Die Rührung der Preisträgerinnen und -träger bei der Entgegennahme der Zuger Kulturschärpe. Und natürlich die Spontanidee beim stadträtlichen Zmittag im April 2016, Bitcoin zu akzeptieren. Ein Bitcoin kostete damals rund 500 Franken.
 Aktuell spürt Zug sogar so etwas wie den Puls der Zukunft. Was daraus wird, werden wir erst in einigen Jahren wissen.

Die Stadt Zug jedenfalls ist bestens aufgestellt – in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Das hat sicherlich mit der Machermentalität der Zugerinnen und Zuger zu tun. Offenheit, Vielfalt und Nähe – so heisst das altbewährte Zuger Rezept. Letztlich ist es vor allem ein grosses Glück, an einem solchen Ort leben zu dürfen.

«Demokratie beruht auf Minderheitenschutz. Aber…»

Sie verzeihen mir, wenn ich die leidigen Diskussionen um Parkplätze, Casino-Balkönli, Kirschtortenplatz und Granderwasser nicht gross vermissen werde.
 Was mir wirklich Sorgen bereitet: Seit der Volksentscheid zum EPA-Platz vor gut 10 Jahren gerichtlich aufgehoben worden ist, hat sich in Zug die Unsitte eingeschlichen, demokratische Entscheide nicht mehr zu akzeptieren. Das Salesianum, das LG-Gebäude und aktuell der Postplatz lassen grüssen. Demokratie beruht auf Minderheitenschutz, aber auch darauf, dass Minderheiten einen Entscheid akzeptieren, wenn sie in der Volksabstimmung unterlegen sind.

Ich wünsche unserer Stadt und allen, die nach mir kommen werden, nur das Beste und schliesse mit einem schönen Satz der ehemaligen amerikanischen Präsidentengattin Eleonore Roosevelt: «Mach jeden Tag etwas, wovor du Angst hast.» 
Eigentlich reicht es schon, wenn man zwischendurch mal ein bisschen mutig ist!

Es war mir eine Freude und eine Ehre.»

Mit den besten Grüssen schliesst Stadtpräsident Dolfi Müller das Schreiben.

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