«Vertrauensbruch»: Gewerkschaft fordert Sozialplan

36 betriebsbedingte Kündigungen: Viva Luzern schliesst zwei Pflegewohnungen

Im Herbst 2015 kommunizierte Viva Luzern, dass sie ihre Pflegewohnungen nicht mehr weiter ausbauen, sondern ab 2020 durch ein zukunftsträchtigeres Wohn- und Pflegemodell ablösen werde. Nun werden die beiden kleineren Pflegewohnungen «Studhalden» und «Imfang» bereits per Ende dieses Jahres geschlossen. Das stösst bei der Gewerkschaft VPOD auf heftige Kritik.

Schwierigkeiten in der Belegung der Pflegeplätze, Herausforderungen komplexer werdender Pflegesituationen in kleinen Einheiten sowie eine nicht mehr zeitgemässe Infrastruktur machen nun die Schliessung der beiden kleineren Pflegewohnungen «Studhalden» und «Imfang» bereits per Ende dieses Jahres notwendig, so Viva Luzern. Die zwei neueren Pflegewohnungen «Tribschen» sollen dagegen über 2020 hinaus bis zur Eröffnung des auf dem ewl-Stammareal vorgesehenen neuen Pflege- und Quartierzentrums von Viva Luzern weitergeführt werden.

Konzept sei nicht mehr zeitgemäss

Aus Gründen der sich verändernden Bedürfnisse älterer Menschen mit Betreuungs- und Pflege- bedarf wie aus qualitativen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen beschloss der Verwaltungsrat der Viva Luzern AG anlässlich seiner Strategieretraite im Sommer 2015, die bestehenden vier Pflegewohnungen nicht wie ursprünglich geplant auszubauen, sondern mittelfristig schrittweise zu schliessen. Stattdessen sollte ein neues Wohn- und Pflegekonzept entwickelt werden, das den zukünftigen Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen besser gerecht wird. Heute, bald drei Jahre später, bestätigt sich dieser Entscheid.

Die Pflegewohnungen sind in den 90er-Jahren aus dem Gedanken entstanden, eine persönliche und familiäre Atmosphäre für Menschen mit tiefem bis mittlerem Pflegebedarf zu schaffen. Teil des Konzepts war, dass die Bewohnerinnen und Bewohner nach Möglichkeit bei den Alltagsverrichtungen mithelfen und selbstständig Kontakte im Quartier knüpfen können. Dieses Konzept entspricht heute jedoch nicht mehr der Realität.

19 Betroffene kommen in anderen Betagtenzentren unter

Der Trend, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu leben und den Heimeintritt hinauszuzögern führt dazu, dass die in der Regel bereits beim Heimeintritt stark pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr in der Lage sind, vom Konzept der Pflegewohnungen in ursprünglich angedachter Weise zu profitieren, argumentiert die Viva Luzern. Im Gegenzug würden die grösseren Pflegeheime heute eine bedarfsgerechtere Infrastruktur und eine bedeutend wohnlichere Atmosphäre als noch vor 20 Jahren anbieten. Für die 19 von der Schliessung betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner sei sichergestellt, dass sie in anderen Betagtenzentren von Viva Luzern einen ihnen entsprechenden Pflegeplatz angeboten erhalten.

Wer weiterhin in einer Pflegewohnung leben möchte, kann bei freien Plätzen in eine der beiden Pflegewohnungen «Tribschen» wechseln. Die insgesamt 24 durch Beate Waidelich geführten Pflegeplätze werden neu unter der Verantwortung des Viva Luzern Wesemlin mit Doris Fankhauser Vogel als Betriebsleiterin über das Jahr 2020 hinaus weitergeführt. 

36, meist in einem Teilzeitpensum beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sind von den betriebsbedingten Kündigungen betroffen. Sie sollen ein Stellenangebot für eine ihren Qualifikationen entsprechende Stelle im Unternehmen erhalten oder sollen professionell so begleitet werden, dass ihnen in möglichst jedem Fall eine berufliche Anschlusslösung geboten werden könne, so Viva Luzern.

Gewerkschaft fordert Sozialplan

Der wirtschaftlich begründete Entscheid des Verwaltungsrates stösst bei der Gewerkschaft VPOD (Verband des Personals öffentlicher Dienste) auf heftige Kritik. Grund: Die Schliessung habe weitreichende Folgen für die Bewohnenden und das Personal. Zwar stellt Viva für die betroffenen Bewohnenden eine Anschlussmöglichkeit in Aussicht. Doch vielen Angestellten wird mit diesem Entscheid der Boden unter den Füssen weggezogen. Die Gewerkschaft VPOD fordert daher einen weitreichenden Sozialplan und entlastende Sofortmassnahmen.

«Die Schliessung für manche Betroffene kommt einem Vertrauensbruch gleich.»

Martin Wyss, Gewerkschaftssekretär VPOD

In den vergangenen Jahren sei seitens der Betriebsleitung immer wieder von Investitionen und einer Neuausrichtung der Pflegewohnungen gesprochen worden. Die Information, dass die Standorte «Studhalden» und «Imfang» geschlossen werden, sei daher für viele, oft langjährige Mitarbeitende aus dem Nichts gekommen. Ob in den verbleibenden gut sieben Monaten allen Betroffenen innerhalb der Viva eine neue und angemessene Stelle angeboten werden kann, wird von der Gewerkschaft VPOD bezweifelt.

«Zwar herrscht in den Heimen ein Fachkräftemangel. Doch das Zeitfenster ist wohl zu eng, um allen eine akzeptable Stelle anzubieten», befürchtet Martin Wyss, Gewerkschaftssekretär des Verbands des Personals öffentlicher Dienste VPOD. «Ausserdem kommt die Schliessung für manche Betroffene einem Vertrauensbruch gleich. Es ist zu befürchten, dass für einen erheblichen Teil der 36 betroffenen Mitarbeitenden die Kündigung droht», befürchtet Wyss.

VPOD spricht sich mit Personal ab

Die Gewerkschaft VPOD wird sich in den kommenden Tagen mit dem Personal absprechen und flankierende Massnahmen für die betriebsbedingt entlassenen Personen fordern. «Da der Grund für die Kündigung nicht in der Arbeitsleistung oder dem Einsatz der Mitarbeitenden, sondern einzig und allein in betriebswirtschaftlichen Berechnungen liegt, muss sich die Viva AG an den draus entstehenden Folgen auch finanziell beteiligen», fordert Wyss.

«Die Viva AG gehört zu hundert Prozent der Stadt Luzern und hat daher als Arbeitgeberin eine besondere soziale Verantwortung.»

Martin Wyss

Doch wird sich die Gewerkschaft VPOD nicht nur für einen anständigen und fairen Sozialplan einsetzen, sondern auch mit den Betroffenen gemeinsam Sofortmassnahmen fordern. Denn für das Personal sind die kommenden Monate äusserst schwierig zu meistern. Sie sind gefordert weiterhin höchste Pflegequalität zu leisten obwohl sie wissen, dass der Betrieb ihre Leistungen nicht länger will. «Die Ängste und den Ärger der Bewohnenden professionell aufzufangen ist gerade in den Pflegewohnungen, wo ein extrem enges Vertrauensverhältnis zwischen Pflegenden und Bewohnenden besteht, emotional und psychisch äusserst schwierig zu bewältigen. Hier braucht es umgehend Hilfestellungen und Entlastungen», fordert Wyss.  

Bereits in den kommenden Tagen werden sich die Sozialpartner zu Verhandlungen treffen. «Die Viva AG gehört zu hundert Prozent der Stadt Luzern und hat daher als Arbeitgeberin eine besondere soziale Verantwortung. Der VPOD erwartet, dass der Betriebsleitung diese Verantwortung bewusst ist und dass weitreichende flankierende Massnahmen zur Abfederung der Folgen vereinbart werden können», sagt Wyss.

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