Was das Ende der Spange Nord bedeutet

Neuer Zankapfel ist die geplante Reussbrücke

So wie auf dieser offiziellen Visualisierung könnte die neue Brücke zwischen Reussbühl und dem Autobahnanschluss Lochhof aussehen. (Bild: zvg/Visualisierung Swiss Interactive AG, Aarau)

Überraschender Entscheid: Der Kanton verzichtet nach massiven Protesten aus der Stadt grösstenteils auf den Autobahnzubringer Spange Nord. Nur der Anschluss Lochhof und eine neue Brücke über die Reuss sollen gebaut werden. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zum weiteren Vorgehen.

Das Reizwort Spange Nord ist vom Tisch – es bleiben eine neue Reussportbrücke und der Autobahnanschluss Lochhof. Endlich herrscht Klarheit darüber, welche Variante des Autobahnzubringers der Kanton Luzern weiterverfolgt (zentralplus berichtete).

Die jetzige Lösung ist eine totale Abkehr vom bisherigen Projekt, was die zahlreichen Gegner in den betroffenen Quartieren im Maihof und Friedberg freuen dürfte: Es gibt keine Tunnels und keine vierspurige Schneise durch die Innenstadt.

«Die Variante kostet am wenigsten und weist ganz klar das beste Nutzen-/Kosten-Verhältnis auf.»

Michel Simon, externer Berater

Die Nervosität an der Pressekonferenz war spürbar, das Interesse gross, weshalb sich auch Politiker und Betroffene unter die Journalisten gesellten. Der zuständige Regierungsrat Fabian Peter (FDP) sagte gleich zu Beginn: «Das ist nach dreieinhalb Monaten im Amt meine brisanteste Medienkonferenz.»

Wie kam der Verzicht auf die Spange Nord zustande? Und wie geht es weiter? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Argumente führten zum Entscheid?

Michel Simon, Koordinator der externen Überprüfung von der Zürcher Firma S-ce Consulting, sagt es so: «Die Variante kostet am wenigsten und weist ganz klar das beste Nutzen-/Kosten-Verhältnis auf.» Im Vergleich zum bisherigen Projekt, das je nach Ausbau rund 200 Millionen Franken gekostet hätte, rechnet der Kanton für die Brücke über die Reuss mit lediglich rund 40 Millionen Franken.

Den Autobahnanschluss von rund 14 Millionen Franken würde der Bund übernehmen. Selbst ein Verzicht auf sämtliche Massnahmen (also auch die Brücke) – dafür Ausbauten etwa am Kreuzstutz und Kasernenplatz – hätten weniger Wirkung und würden rund das Doppelte kosten.

Demonstrationszug gegen die Spange Nord durch die Luzerner Altstadt. (Bild: sah)

Letztlich ist es das jetzige Ergebnis einer rein fachlichen Abklärung, aber sicher auch eine Reaktion auf den massiven Widerstand aus der Stadtbevölkerung, die immer wieder auf die Strasse ging gegen die Spange. «Auch auf dem Land ist es unüberhörbar, dass das Projekt in der Stadt keine Freunde hat», sagt Peter. Auch wenn der politische Entscheid zur jetzigen Variante erst noch folgt (siehe unten).

Das jetzt resultierende «Spängchen» ist das Ergebnis einer externen Überprüfung von verschiedenen Varianten: von einem gänzlichen Verzicht bis zu einer Maximalvariante mit einem langen Tunnel zwischen Haldenstrasse und Schlossberg sowie weiter bis zum Autobahnanschluss ist alles überprüft – und nun verworfen – worden.

Bringt die Minimal-Variante überhaupt etwas?

Die Fachleute betonen den Nutzen: Vor allem für den Nord-Süd-Verkehr – also auf der Achse zwischen Kriens und Fluhmühle in Reussbühl. Mit dem Autobahn-Anschluss Lochhof gibt es von der Autobahn eine direkte Anbindung an das Kantonsstrassen-Netz Richtung Westen und umgekehrt. Auf der Brücke wird mit rund 24'000 täglichen Fahrten gerechnet.

«Es gibt kein Neubau-Projekt, das niemanden tangiert.»

Fabian Peter, Regierungsrat

Das bringt vor allem eine Verkehrsentlastung für den Bereich Kreutzstutz und das Quartier Basel-Bernstrasse, weil der Verkehr auf die Autobahn verlagert wird. Simon Michel spricht von einer «massiven Entlastung» um rund 55 Prozent. Auch die Velofahrer erhalten mit der Brücke eine neue Verbindung über die Reuss.

Aber klar ist auch: Das Maihof-Quartier wird zwar verschont von einer breiteren Strasse und Mehrverkehr, dafür entfällt eine bessere Erschliessung des Kantonsspitals. Auch die Seebrücke wird mit der jetzigen Minimal-Variante nicht vom Verkehr entlastet. Und auch zusätzliche Bus-Spuren sind keine vorgesehen.

Was heisst das für die betroffenen Quartiere?

Bau und Betrieb der Brücke sind für die angrenzenden Bewohner ein grosser Einschnitt. «Es gibt kein Neubau-Projekt, das niemanden tangiert. Wir müssen immer mit Widerstand rechnen», sagt Fabian Peter. Neben der Umgebung bedeute der Bau der breiten Brücke eine zusätzliche Beanspruchung des Ufers und des Gewässer-Bereichs.

Unschön ist, dass das Reussbühl-Quartier ohnehin schon unter viel Verkehr leidet. Der Lärm werde sich auf das Naherholungsgebiet auswirken, gibt Michel Simon zu, aber man werde der neuen Brücke (auch architektonisch) grosse Bedeutung beimessen. Auch auf der Achse Reussbühl–Emmen wird es eine Zunahme von Verkehr geben.

Ist neben der Brücke nichts geplant?

Es gibt ein zweites, davon unabhängiges Projekt mit Massnahmen zugunsten der Verkehrssicherheit. Im Knoten Schlossberg, auf der Friedentalstrasse und im Bereich Rosenberg führt es ohne neue Massnahmen zu Engpässen und Schwachstellen für den ÖV und Veloverkehr.

Unabhängig von einem Spange-Nord-Projekt seien hier Verbesserungen nötig. Der Kanton rechnet mit Kosten von rund 45 Millionen Franken. «Wir planen in diesem Bereich intensiv mit der Stadt Luzern zusammen», verspricht Fabian Peter.

Was sagen die Spange-Nord-Gegner?

Auf linksgrüner Seite begrüsst man zwar den Verzicht auf die Verkehrsachse durchs Maihof-Quartier – mit einem grossen Aber.

Die Grünen finden die Brücke nicht akzeptabel. «Mit der alleinigen Realisierung der Fluhmühlebrücke kommt die Bernstrasse nebst dem Halbanschluss Kasernenplatz zu einem weiteren Autobahnanschluss. Damit würde die Lebensqualität des schon heute unterprivilegierten Quartiers stark verschlechtert», heisst es in einer Reaktion. Zudem befürchten die Grünen, dass trotzdem viele Autofahrer den Weg via Friedental Richtung Ebikon suchen würden. Die Partei misstraut dem Kanton und wartet mit einer eigenen – etwas pompöseren – Visualisierung auf:

Visualisierung der Grünen Partei zur geplanten neuen Reussbrücke. (Bild: zvg)

Auch die städtische SP, die kürzlich sogar eine Volksinitiative gegen das Strassen-Projekt eingereicht hatte, stellte sich bisher auf den Standpunkt, dass es keine quartierverträgliche Spange Nord gebe. Das bleibt so: «Da die vorliegende Best-Variante nach wie vor untauglich und nicht stadtverträglich ist, wird sich die SP aber weiterhin gegen den Bau einer Autobahnzufahrtsbrücke in das Fluhmühlequartier wehren.» Neben der Belastung für das Babel-Quartier befürchtet die SP starke Eingriffe in die Umwelt und in das ökologische System der Reuss.

Die Grünliberalen begrüssen den Verzicht, fordern aber mehr flankierende Massnahmen und bringen einmal mehr das Metro-Projekt ins Spiel, das aber momentan politisch keine Chance hat. Kantonsrat András Özvegyi: «Das Resultat der Zweckmässigkeitsbeurteilung ist sicher erfreulich. Die Bestvariante ist nahe bei der Nullvariante.»

Öffentlicher Anlass

Die Vernehmlassung startet im November und dauert bis Ende März 2020. Am 19. November findet um 20.15 Uhr eine öffentliche Informationsveranstaltung im Marianischen Saal (Bahnhofstrasse 18) statt. Alle Unterlagen gibt's online.

Und die Befürworter?

Trotzdem könnte die jetzige Variante Chancen haben im bürgerlichen Kantonsrat. Die CVP Kanton Luzern begrüsst die geforderte vertiefte Abklärung von neuen Lösungsmöglichkeiten – und verspricht eine Prüfung der Lösung. «Grundsätzlich wird der Verzicht auf die Spange Nord begrüsst. Allerdings müssen die fehlenden durchgehenden Buslinien schon heute kritisch beurteilt werden.» Positiv würdigt die CVP die deutliche Entlastung von Baselstrasse, Kreuzstutz und Seetalplatz.

Die FDP begrüsst die gefundene Lösung, die eine seriöse Prüfung verdiene. Die Partei von Regierungsrat Fabian Peter kritisiert die Diskussionsverweigerung der Linken, welche die Vorschläge «ohne seriöse Prüfung bereits verwerfen».

«Der nun gestartete partizipative Prozess ist richtig und bietet die Chance, die betroffenen Gebiete einzubeziehen», so FDP-Kantonsrat und Mobilitätspolitiker Othmar Amrein.

Die beiden grössten Wirtschaftsverbände der Stadt Luzern schliesslich – CVL und WVL – hoffen jetzt auf die ergebnisoffene Diskussion über Chancen und Risiken, «um die Blockaden in Mobilitätsfragen zu Gunsten konkreter Lösungen überwinden».

Wie geht es weiter?

Fabian Peter appelliert vor den Medien: «Alle haben jetzt fünf Monate Zeit, sich ein Bild zu machen.» Bis dann würden keine weiteren Entscheidungen gefällt, dafür gibt es verschiedene öffentliche Anlässe (siehe Box). Fabian Peter rechnet mit Widerstand: «Es ist mir völlig bewusst, dass es Unzufriedene gibt, denen die jetzige Lösung zu weit geht.» Trotzdem sei sein Wunsch, dass man die Ergebnisse in Ruhe reflektiere und keine voreiligen Schlüsses ziehe.

Der Regierungsrat unterstützt die Empfehlung aus dem Fachgremium nach einem Verzicht der Spange Nord. Fabian Peter sagt aber: «Es sind noch keine Entscheide gefallen.»

Erst im Herbst 2020 kommt ein Planungsbericht dazu das erste Mal in den Kantonsrat, dann wird man sehen, ob es politisch eine Chance hat. So oder so kommt es zu einer Volksabstimmung, weil der Kredit die Schwelle von 25 Millionen Franken übersteigt.

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