Massiv mehr Cyberkriminalität im Kanton Zug

Neuer Kommandant fordert: «Die Polizei braucht mehr Mittel»

Thomas Armbruster, Kommandant der Zuger Polizei.

(Bild: zvg)

Eigentlich hat er viel weniger Polizisten als andere Kommandanten. Doch Thomas Armbruster, der seit Kurzem die Zuger Polizei leitet, muss sich im Kanton Zug mit komplexen Wirtschaftsfällen und mehr Cyberkriminalität herumschlagen. Im Interview erzählt er, dass Drogengelder neuerdings über Cryptowährungen verschoben werden. Und wie er trotz allem die Sicherheit von Zug gewährleisten will.

Vor 17 Jahren wurde in Zug die Stadtpolizei mit der Kantonspolizei zusammengelegt, nun will Thomas Armbruster (51), der neue Kommandant der Zuger Polizei, die ganze Organisation und die Abläufe analysieren und überdenken. «Nach so langer Zeit tut dies not», sagt der 51-jährige Rechtsanwalt und langjährige Leiter der Zuger Kriminalpolizei.

«Ich will keine Verwaltungspolizei, sondern eine Sicherheitspolizei», sagt er im Hinblick auf die bürokratischen Aufgaben, mit denen sich seine Leute befassen. Natürlich will Armbruster seine eigenen Ideen und Beobachtungen in die Polizeiarbeit einbringen. Daneben muss er auch mit wenig Personal auskommen, das Überzeit leisten muss – und mit immer komplexeren technischen Anforderungen bei der Ermittlungsarbeit.

Auf seinen Job als Kommandant hat sich Armbruster mit einer mehrtägigen Bergwanderung vorbereitet, bei der er draussen biwakierte. Grund genug für zentralplus, nachzufragen, wo der Schuh drückt, was geplant ist – und warum er überhaupt Polizist geworden ist.

zentralplus: Was wollten Sie als Kind werden?

Thomas Armbruster: Schon damals war Polizist zu werden ein Thema für mich. Was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass ein Onkel von mir bei der Kriminalpolizei arbeitete und mich das immer faszinierte.

zentralplus: Sie waren nach dem Studium erst Staatsanwalt. Viele Ihrer ehemaligen Kollegen schlugen die Richterlaufbahn ein. Warum sind Sie Polizist geworden?

Armbruster: Im Rahmen eines Praktikums habe ich einmal auf dem Gericht gearbeitet. Doch ich wollte als Jurist immer gestalten und nicht nur beurteilen. Deshalb entschied ich mich auch, zur Staatsanwaltschaft zu gehen. Ich habe längere Zeit in diesem Bereich gearbeitet, aber dann gemerkt, dass mir etwas fehlt. Als Staatsanwalt für Wirtschaftsdelikte hat man mit viel Papier und Daten zu tun. Ich wollte mehr mit Menschen zu tun haben und Mitarbeiter führen und eine Abteilung managen. Ich mag es, Einsätze zu leiten und aktiv für Sicherheit zu sorgen. Das liegt wohl auch an meinem militärischen Hintergrund.

zentralplus: Als langjähriger Kripo-Chef in Zug hatten sie mit scheusslichen Verbrechen und menschlichen Tragödien zu tun. Ein Problem?

Armbruster: Natürlich gibt es Einsätze, die auch mir nahegehen. Aber man muss sich gut abgrenzen können, sonst kann man die Arbeit bei der Polizei nicht verrichten. Es ist dennoch eine stete Herausforderung, der wir mit verschiedenen Hilfestellungen begegnen – beispielsweise mit einem konsequenten Debriefing nach belastenden Einsätzen. Das hat auch mir immer gutgetan.

«Im Crypto Valley Zug tummeln sich nicht nur weisse Schafe – es gibt auch ein paar schwarze.»

zentralplus: Erinnern Sie sich an ein spezielles Ereignis, das Sie belastet hat?

Armbruster: Vor einigen Jahren starb in der Fasnachtszeit ein junger Mann auf dem Nachhauseweg, nachdem er überfahren worden war. Der Unfallfahrer konnte nicht ermittelt werden. Das ist mir sehr zu Herzen gegangen und hat mich lange beschäftigt. Es war eine menschliche Tragödie und ich hätte mir eine Aufklärung sehr gewünscht.

zentralplus: Bedeutet die Tätigkeit als Polizeikommandant, dass Sie nun weiter von menschlichen Abgründen entfernt sind als bei der Kripo? Und sind Sie froh darüber?

Armbruster: Ich hoffe nicht, dass ich weiter von den Menschen weg bin als vorher, sondern im Gegenteil: Ich möchte ihnen näher kommen. Ich mache auch immer noch Pikett und tausche mich oft mit den Polizisten aus, die im Kontakt mit der Bevölkerung stehen. Man muss wissen, was die Mitarbeitenden und die Bürger beschäftigt, wenn man für eine gute Sicherheitslage sorgen will.

Das ist Thomas Armbruster

Er ist 51 Jahre alt und verheiratet, hat drei Kinder, lebt in Cham und hält sich in der Freizeit am liebsten draussen auf. Sein Werdegang: Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich wurde Thomas Armbruster 2001 Rechtsanwalt und erlangte 2009 die Doktorwürde. Er arbeitete zehn Jahre für die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, davon sechs Jahre als Staatsanwalt für Wirtschaftsdelikte. Fast 12 Jahre lang leitete er die Zuger Kriminalpolizei, bevor er per Anfang Jahr Karl Walker als Polizeikommandant ablöste. Armbruster ist Generalstabsoffizier im Rang eines Oberstleutnants und kommandierte bis 2017 verschiedene Bataillone der Schweizer Armee.

zentralplus: Zug ist sehr international, aber es ist auch sehr klein. Was bedeutet dies fürs Polizeikorps?

Armbruster: Eine gute Sicherheitslage ist enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort. Das höre ich immer wieder von Firmen, die sich hier ansiedeln wollen. Die Internationalität bringt gewisse Herausforderungen mit sich, die wir unter anderem mit guter Vernetzung bewältigen wollen. Das gilt auch für verschiedene Formen von digitaler Kriminalität an sich.

zentralplus: Ist denn Cyberkriminalität ein so grosses Thema?

Armbruster: 2017 hatten wir doppelt so viele Anzeigen wegen Cyberdelikten wie noch im Vorjahr. Wir bemerken seit Längerem Fälle von Sextortion, Spoofing, Social Engineering und Phishing. Auf Deutsch: Erpessung, Nötigung und Betrug über digitale Kanäle, um Geld zu erhalten. In Gefahr sind vertrauliche Informationen wie Passwörter, Kreditkartendaten oder Benutzernamen.

zentralplus: Was tun Sie dagegen?

Armbruster: Der Schutz gegen Cyberkriminalität beginnt bei jedem persönlich. Die Polizei kann nur sensibilisieren und warnen. Deswegen legen wir grossen Wert auf Prävention und informieren nicht nur Schulkinder, sondern speziell auch ältere Menschen. Auf der anderen Seite investieren wir stark in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden.

zentralplus: Beschäftigen Sie auch Spezialisten?

Armbruster: Ja, wir haben auch spezialisierte Cyberermittler. Diese müssen IT-Fachwissen und kriminalistischen Spürsinn kombinieren, um einen Deliktsvorgang nachvollziehen zu können. Allgemein gestalten sich Ermittlungen im Cyberbereich anspruchsvoll und weisen oft eine internationale Komponente auf. In Zug ist das Thema Blockchain und Kryptowährungen sehr präsent und die Zuger Polizei muss auch in diesem Bereich Ermittlungskompetenz vorweisen. Bekanntlich hat das Crypto Valley in Zug sein Zentrum und im Tal tummeln sich nicht nur weisse Schafe – es gibt auch ein paar schwarze. Wir sind stetig daran, uns in dieser Thematik weiterzubilden, um mit dem rasanten Fortschritt der Technik Schritt zu halten.

zentralplus: Wollen Sie ein Kompetenzzentrum für Cyberkriminalität einrichten?

Armbruster: Für Cyberkriminalität allein nicht, dafür ist unser Korps zu klein. Doch das Fachwissen unserer Spezialisten gerade im Bereich Blockchain und Kryptowährungen wollen wir auch anderen Kantonen zur Verfügung stellen. In einem verwandten Bereich betreiben wir ein Kompetenzzentrum: bei der IT-Forensik. Hier geht es um Datenauswertungen, was bei komplexen Fällen von Wirtschaftskriminalität hilfreich ist. Die IT-Forensik übernimmt die Sicherung, Aufbereitung und Auswertung von elektronischen Daten auch für die Kantone Schwyz, Uri, Ob- und Nidwalden.

zentralplus: Sie hatten die gute Vernetzung angesprochen …

Armbruster: Genau. Es gibt Fälle von Cyberkriminalität, wo eine immer gleiche Tätergruppe an verschiedenen Orten mit der gleichen Vorgehensweise Verbrechen begeht. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass verschiedene Polizeikorps der Schweiz das Gleiche ermitteln – hier muss man eng zusammenarbeiten und die Ermittlungen gut koordinieren.

zentralplus: Das ist wohl auch für die organisierte Kriminalität von Vorteil. Gibt es die im Kanton Zug?

Armbruster: Wir treffen immer wieder auf Strukturen von kriminellen Organisationen. Zum einen ist Cyberkriminalität eine Form von organisierter Kriminalität, auch wenn sie meist nicht lokal operiert. Dann gibt es organisierte Kriminalität im Rahmen von «normalen Wirtschaftsdelikten», im Rahmen von illegalem Wettspiel und von Betäubungsmitteldelikten. Im Unterschied zu anderen Kantonen haben wir derzeit beim Menschenhandel kein Problem. Aber Wirtschaftskriminelle und Drogenhändler binden viele Ressourcen.

«Telefonüberwachungen verhindern, dass Zug durch die organisierte Kriminalität unterwandert wird.»

zentralplus: Woran liegt das?

Armbruster: Die Ermittlungen sind komplex, es ist immer mehr Spezialwissen nötig. Ein Beispiel: Dass Drogengelder über Cryptowährungen verschoben werden, ist vor einigen Jahren noch nicht vorgekommen, aber die technologische Entwicklung macht vor den Grenzen des Kantons Zug nicht Halt. Auch die Kosten für Telefonüberwachungen sind stark angestiegen.

zentralplus: Warum sind diese Telefonüberwachungen denn so wichtig?

Armbruster: Erst mal: Es ist keineswegs so, dass wir Tausende von Telefonen abhören. Die Überwachung findet gezielt und in engen gesetzlichen Grenzen statt. Aber für uns als Polizei sind Telefonüberwachungen wichtig, wenn wir verhindern wollen, dass Zug durch die organisierte Kriminalität unterwandert wird.

zentralplus: Wenn vieles anspruchsvoller und komplizierter wird, stellt sich die Frage: Hat die Zuger Polizei genügend Leute?

Armbruster: Der Personalabbau von 12 Stellen im Rahmen des Sparprogramms – den wir über natürliche Fluktuationen bewältigen konnten – war für uns ein spürbarer Einschnitt. In Zukunft muss die Polizei wieder mehr Mittel erhalten. Der Kanton Zug wächst immer weiter. Die Bevölkerung, die Firmen, Fahrzeuge und Pendler werden immer zahlreicher. Die Polizei muss Schritt halten können, um die Sicherheit garantieren zu können.

zentralplus: Sie verfügen über 274 Vollzeitstellen. Insgesamt arbeiten 324 Frauen und Männer für die Zuger Polizei. 250 sind ausgebildete Polizisten, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, dazu kommen 16 Sicherheitsassistenten. Wie viele brauchen Sie?

Armbruster: Konkret möchten wir eine Polizeidichte erreichen, die im Durchschnitt der Schweizer Kantone liegt. Im Moment liegen wir drunter. Im Kanton Zug kommen auf einen Polizisten 533 Einwohner, im landesweiten Schnitt  steht ein Polizist pro 455 Einwohner bereit.

zentralplus: Die Zuger Polizei beginnt am 1. Februar über die sozialen Medien zu kommunizieren und auf Facebook, Twitter und Instagram zu posten. Warum erst jetzt?

Armbruster: Es ist wahr, dass grössere Polizeikorps dies schon länger tun. Wir sind jedoch ein mittleres Korps und im Bereich der Kommunikation verfügen wir lediglich über 275 Stellenprozente. Aber die Kommunkation hat an Bedeutung gewonnen und sich stark verändert. Mit der Einführung der sozialen Medien reagieren wir nun darauf. Für eine grosse Mehrheit der Leute reicht es nicht mehr, bei Grossereignissen eine Telefon-Hotline einzurichten. Die informieren sich schneller – und anders.  

zentralplus: Was lässt sich durch Twitter erreichen?

Armbruster: Wir glauben, dass wir bei Grossereignissen die Leute noch schneller informieren und auch ein wenig steuern können. Unter anderem die Stadtpolizei Zürich hat mit dem Einsatz von Twitter und andern Social-Media-Kanälen gute Erfahrungen beim Crowd Management gemacht – etwa bei der Streetparade oder dem Ed-Sheeran-Konzert im Letzigrund-Stadion. Für uns steht als Grossereignis vor allem das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) vom kommenden August im Vordergrund.

zentralplus: Was planen Sie am ESAF?

Armbruster: Die Sicherheit, Ruhe und Ordnung im öffentlichen Raum zu gewährleisten und zigtausend Besuchern auf engem Raum ein schönes und ungetrübtes Erlebnis zu ermöglichen. Das ist eine enorme Herausforderung für uns. Nicht nur, weil das Fest drei Tage lang dauert und gesamthaft mit 300’000 Besuchern gerechnet wird. Sondern auch weil viele Ehrengäste kommen, die allenfalls Personenschutz brauchen. Und sich die Aktivitäten im Rahmen des ESAF nicht nur im Zuger Herti-Quartier abspielen. Es ist ja ein Festumzug im Stadtzentrum geplant und an verschiedenen Orten sollen Konzerte stattfinden. Damit wir während des ESAF über genügend personelle Mittel verfügen, haben wir schon im März des vergangenen Jahres für das ganze Korps eine Ferien-, Ruhetags- und Kompensationssperre ausgesprochen.

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