Jahrelanger Streit zwischen Gemeinde und Besitzer

Neue Hoffnung: Emmer Rainmühle steht vor Rettung

Blick aus dem Fenster der oberen Mühle auf die Ruine der komplett zusammengefallenen Scheune, die nicht mehr aufgebaut wird.

(Bild: Susanna Stalder)

Die malerisch und versteckt liegende Rainmühle bei Emmenbrücke gilt als Kulturdenkmal. Doch selten verirrt sich jemand dorthin. Gemeinde und Besitzer schoben sich über Jahrzehnte gegenseitig den schwarzen Peter zu, während die Mühle immer weiter zerfiel. Eine Stiftung soll den früheren Treffpunkt für Kultur-Insider und Politiker nun retten.

Eingebettet zwischen Maisfeld, Wald und steil abfallenden Felswänden liegen die Gebäude der Rainmühle, ein Ort, wo sonst Eremiten hausen. «Die älteste Mühle der Zentralschweiz wird 1486 erstmals aktenkundig», sagt Heinz A. Meier, seit 1985 deren Besitzer, ein wenig sei sie wie sein Kind, so wichtig. Ein Kind, dem seit 30 Jahren weder die Gemeinde Emmen noch der Denkmalschutz geholfen haben, es zu hegen und zu pflegen. Im Stich gelassen habe man ihn.

Die Mühle steht seit 2007 unter Denkmalschutz, wie der Besitzer dies wünschte, erklärt Benno Vogler von dieser Behörde: «Die Rainmühle ist ein Kulturdenkmal von erheblichem wissenschaftlichem, künstlerischem, historischem und heimatkundlichem Interesse, das besonders schutzwürdig ist.» Trotzdem fehlt sie auf dem Industriespaziergang der Gemeinde Emmen, den der Heimatschutz initiierte – trotzdem zerfielen einzelne Teile komplett oder teilweise. Wie kam es so weit?

Ein Gärtchen so wild wie die Gedanken des Mühlebesitzers.

Ein Gärtchen so wild wie die Gedanken des Mühlenbesitzers.

(Bild: Susanna Stalder)

Widersprüche auf beiden Seiten

Niemand scheint die Bedeutung der Mühle zu bestreiten, selbst der Emmer Gemeinderat nicht. Nichtsdestotrotz lag man sich jahrelang in den Haaren, unterdessen vergammelte die Mühle immer mehr. Seit mehr als 20 Jahren hätten Gespräche mit Herrn Meier stattgefunden, rechtfertigt sich Gemeindepräsident Rolf Born. Meier sei während drei Jahren mit 15’000 Franken für das Mühlemuseum unterstützt worden, dieser Beitrag sei aber wegen fehlender Transparenz eingestellt worden. Die Gemeinde habe konkretere Nutzungsbedingungen sowie einen Businessplan gefordert, was schliesslich zu bösem Blut führte. Ein Konsens habe bisher nicht gefunden werden können, erklärt der Gemeindepräsident Rolf Born. «Zurzeit finden keine Verhandlungen statt.»

Wichtiges Emmer Zeitzeugnis

Die Rainmühle stellt den vollständigsten erhaltenen Mühlenbetrieb aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg im Kanton Luzern dar. Dazu gehören primär die Krafterzeugungs- und Kraftübertragungsanlagen, die Verarbeitungsanlagen sowie die Rohstoff-, Zwischen- und Endproduktelager. Die Mühlenanlage ist ein wichtiges Zeugnis einer gemischt landwirtschaftlich-gewerblichen, ländlichen Variante der vorindustriellen Produktionsweise und des sozialen Systems des «ganzen Hauses», welches Produktion und Wohnen unter einem Dach vereint. Gleichzeitig umfasst und dokumentiert die Rainmühle auch den Übergang ins Industriezeitalter und die Bedeutung der Müllerei als protoindustrieller Vorläufer der Mechanisierung und Rationalisierung.

Um eine breit abgestützte finanzielle Unterstützung zu ermöglichen, argumentiert man dort, sei es zwingend, eine Stiftung ins Leben zu rufen: «Die Schutzwürdigkeit der Rainmühle ist für den Gemeinderat unbestritten.» Bevor diese jedoch nicht offiziell unter Denkmalschutz stehe, bestehe kein Handlungsbedarf. Was dies zu bedeuten hat? Die Mühle ist seit 2007 im kantonalen Denkmalregister eingetragen. Später relativierte der Gemeinderat, es handle sich um derzeit ausgeführte Sanierungsmassnahmen, ein Baugesuch sei noch nicht eingereicht worden.

Mühle dem Zerfall überlassen

Seit Mitte der 80er-Jahre stehen die Bührer Mühlemaschinen, die aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammen, still. Nach und nach eroberte die Natur die Gebäude teilweise zurück, die Feuchtigkeit setzte insbesondere der unteren Mühle zu, der Hausschwamm breitete sich aus. Manchmal sei es schwierig gewesen, meint Meier ausweichend auf die Frage, warum nichts getan worden sei, um dies zu vermeiden: «Nun habe ich seit kurzer Zeit einen Partner, dem ich den Betrieb zur Hälfte verkaufte, Josef Wicki, alt Gemeinderat von Littau.» Deshalb herrscht seit Kurzem unten am Flusstobel Betriebsamkeit: Das Dach des unter Schutz gestellten Wäschehauses wird erneuert, das komplett eingestürzte Gebälk und das Dach des Getreidespeichers rekonstruiert, weitere Arbeiten stehen an.

Heinz A Meier zeigt Fotos seiner Urahnen: links, Siegfried Meier, Erschaffer des «Guggerzytli» Lieds, oben die Helfensteins.

Heinz A. Meier zeigt Fotos seiner Urahnen: links, Siegfried Meier, Erschaffer des «Guggerzytli»-Lieds, oben die Helfensteins.

(Bild: Susanna Stalder)

Quer denkender Zeitgenosse

Meier studierte an der ETH Architektur, war ein geistiger Vagabund, wirkte hier, wirkte dort, unterrichtete hier, unterrichtete dort, nahm an Wettbewerben teil, ohne Entwürfe schlussendlich abzugeben. Zur 700-Jahre-Feier der Eidgenossenschaft veranstaltete er ganzheitliche Events, die Rainmühle war anschliessend einige Zeit ein Ort für Kultur-Insider. Er habe viele bekannte Persönlichkeiten bewirtet, beispielsweise die verstorbene Megger Ständerätin Helen Leumann, sie habe seinen politischen Frust besänftigt. Er betont kämpferisch: «Wir brauchen parteiunabhängige Politiker.»

Gescheiterte Vision

«Ich dachte immer schon voraus, so kam es, dass ich die Domains vieler Gemeinden kaufte, als die Behörden noch im internetfreien Schlummer lagen.» Jede Ortschaft hätte ein digitales Magazin aufbauen können. Statt Google und Gmail besässe man heutzutage eine ortsspezifische elektronische Adresse. Auf der gleichen Domain hätten Vereine, Kirchen, Schulen und Behörden Platz gefunden, ein digitales Telefonbuch. Aber die Emmer Gemeinderäte seien mit Anwälten angaloppiert gekommen und hätten diese Vision zerstört. Seitens der Gemeinde blieb diese Aussage unkommentiert: «Es ist zu lange her.»

Licht und Schatten im Rotbachtobel: der komplett zerfallene Getreidespeicher wird rekonstruiert.

Licht und Schatten im Rotbachtobel: Der komplett zerfallene Getreidespeicher wird rekonstruiert.

Rastlosigkeit beenden

Das Gespräch mit Meier ist ein schlangenförmiger Fluss: «Übrigens, die Ersten, die Maschinen besassen, waren die Müller, nicht die Viscose!» Oder: Irgendeiner sagte «verdichten» und alle plappern es nach. Als bräuchte Luzern Hochhäuser als «Landmarken», als reichten Pilatus, Rigi und See nicht, um von oben zu erkennen, wo die Stadt liege. Das möge ja in einer Wüste Sinn machen, hier aber gehörten Hochhäuser an die Peripherie und nicht auf den Pilatusplatz.

«Irgendwann bist du müde vom Kämpfen», sagt der kreuz und quer denkende Zeitgenosse. «Vielleicht wäre eine Stiftung wirklich die beste Lösung für die Rainmühle.» Sagt es, als wäre es auf seinem Mist gewachsen und nicht vor Jahren von der Gemeinde gefordert worden. Etwas anders ausgedrückt: Der Rainmühle dient es nicht, wenn polemisiert, polarisiert und politisch Seil gezogen wird. Vielmehr geht es um die Erhaltung eines schützenswerten Zeitzeichens, nicht um persönliche Empfindlichkeiten. Oder wie Benno Vogler es diplomatisch formulierte: Nun seien die Geschicke der Rainmühle hoffentlich für die Zukunft vielversprechend aufgegleist. 

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