Nach Knatsch um Bundesgelder

Netzcourage: So sehen Jolanda Spiess-Hegglins Social Media-Regeln aus

Jolanda Spiess-Hegglin hat beim eidgenössischen Gleichstellungsbüro ein Social-Media-Konzept eingereicht. (Bild: zvg)

Netzcourage hat in den letzten acht Monaten fast 70 Menschen unterstützt, die im Netz angefeindet oder bedroht wurden. Nun zieht der Verein ein erstes Fazit – und stellt das Social-Media-Konzept vor, welches der Bund gefordert hatte.

Die Zugerin Jolanda Spiess-Hegglin ist in der Schweiz die bekannteste Aktivistin gegen Hass im Netz. Im Juli haben ihr mehrere Medien vorgeworfen, selber Hatespeech zu betreiben. Dies im Zusammenhang mit einem bedenklichen und aus dem Zusammenhang gerissenen Tweet über die Journalistin Michèle Binswanger, den die Geschäftsführerin gelikt hatte (zentralplus berichtete).

Das eidgenössische Gleichstellungsbüro hatte daraufhin gefordert, dass der Verein Netzcourage ein Kommunikationskonzept für Social Media vorlegt. Es sei problematisch, dass in der öffentlichen Wahrnehmung keine klare Trennung zwischen Jolanda Spiess-Hegglin als Privatperson und als Geschäftsführerin von Netzcourage erfolge, hiess es.

In «hochdiskursiven, emotionalen» Situationen heissts: Rückzug!

Die Accounts der ehemaligen Zuger Politikerin sind seit längerem als «privat» gekennzeichnet. Und nun liegt auch das geforderte Social-Media-Konzept des Vereins vor. Die neu definierten Regeln verbieten das Posten, Liken und Teilen von Inhalten, die «diffamierend, pornografisch, urheberrechtlich geschützt, belästigend, verleumderisch sind» – oder die ein «feindliches Arbeitsumfeld schaffen». Anders gesagt: Hassrede jeglicher Art.

Weiter heisst es in dem Code of Conduct, den Spiess-Hegglin als Geschäftsführerin selbst verfasst hat: «Wenn Mitarbeitende bei der Nutzung von Social Media in eine hochdiskursive, emotionale Situation geraten, sollen sie sich aus dem entsprechenden Chat, der Diskussion etc. zurückziehen und den Rat der Vereinsführung einholen.»

Verein soll unabhängig von der Gründerin funktionieren

Jolanda Spiess-Hegglin steht «voll und ganz» hinter der Haltung, die das Social-Media-Konzept vermittelt. Das Regelwerk sei denn auch nicht neu, sagt sie im Gespräch mit zentralplus. Der Code of Conduct bestehe bereits seit Ende des letzten Jahres und sei nun auf Wunsch des eidgenössischen Büros für Gleichstellung (EBG) aktualisiert und eingereicht worden.

Spiess-Hegglin hatte gegenüber zentralplus bereits im Juli versichert, dass im Zuge der Professionalisierung von Netzcourage eine bessere Trennung zwischen ihr und dem Verein geplant sei. «Ich habe den Verein aufgebaut und ich will, dass er funktioniert. Aber ich will nicht für immer sein Gesicht bleiben», sagte sie. Netzcourage solle unabhängig von ihr als Privatperson funktionieren.

Ob sich der Sturm um die Bundesgelder, mit denen der Verein unterstützt wird, nun legt? SVP-Nationalrat Andreas Glarner hatte im Zusammenhang mit Netzcourage im Juni einen Vorstoss eingereicht. Er warf Jolanda Spiess-Hegglin darin explizit vor, selber «Hate Speech» zu betreiben. Der Bundesrat schrieb in seiner Vorstoss-Antwort, dass die Fachstelle für Rassismusbekämpfung zwei Projekte von Netzcourage unterstützt. Der grösste Teil des Geldes fliesst in die #NetzAmbulanz. Dabei handelt es sich um Projekt gegen Cyber-Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Kontext häuslicher Gewalt. Der Bund unterstützt dieses mit 192'000 Franken.

67 Personen unterstützt: Meist gehts um Beschimpfungen

Die Netzambulanz ist gut angelaufen, wie aus einem Zwischenbericht des Vereins hervorgeht. «Seit Projektbeginn beobachten wir einen klaren Anstieg der Ambulanzanfragen», heisst es darin. Im Zeitraum zwischen März und September 2021 hat Netzcourage 67 Personen unterstützt.

76 Prozent der Personen, die bei der Netzambulanz Hilfe gesucht haben, sind weiblich. Konkret waren 51 Frauen oder Mädchen betroffen. Knapp die Hälfte der Angriffe sind aus Sicht von Netzcourage strafrechtlich relevant. Zumeist ging es dabei um Beschimpfungen oder Drohungen.

Zahl der Mitgliedschaften hat sich verdoppelt

Was auffällt: Nur in einem Bruchteil dieser Fälle stellen die Betroffenen eine Strafanzeige. Konkret: In 11 von 56 Fällen. «Da die Hürden für ein Strafverfahren sehr gross sind, können wir in vielen Fällen trotz strafrechtlicher Relevanz keinen Strafantrag stellen», heisst es dazu im Zwischenbericht. Dank der Erfahrung der Beraterinnen würden aussichtslose Fälle oder solche mit geringen Chancen erkennen. «Wir können den Opfern eine Einschätzung geben und sie, sofern sie das wollen, auf ein Strafverfahren gut vorbereiten.»

Der Verein ist aus seiner Sicht «auf einem guten Weg», wie er in einer Medienmitteilung schreibt. Der Professionalisierungsprozess sei in vollem Gange und die Zahl der Mitgliedschaften habe sich in den letzten drei Monaten verdoppelt. «#NetzCourage trifft mit ihrem schweizweit einmaligen Angebot für Opfer von Digitaler Gewalt der Nerv der Zeit», heisst es in der Mitteilung.

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