Untersuchung eingeleitet

Nazi-Raubkunst im Kunstmuseum Luzern?

Dieses Werk ist garantiert keine NS-Raubkunst: Heinz Stahlhut, Sammlungskonservator des Kunstmuseums Luzern, vor dem «weissen Vorhang» von Franz Fedier von 1959. (Bild: azi)

Das Kunstmuseum Luzern will sicher sein, dass sich unter den Beständen keine nationalsozialistische Raubkunst befindet, und leitet eine entsprechende Untersuchung ein. Das sei eine Selbstverständlichkeit, meint Sammlungskonservator Heinz Stahlhut. Dennoch verzichten die anderen Luzerner Museen darauf.

Nachdem der Bund den Museen zwei Millionen Franken zur Untersuchung ihrer Bestände zugesichert hat (siehe Box), lassen nun mehrere Schweizer Institutionen untersuchen, ob in ihren Beständen nationalsozialistische Raubkunst zu finden ist. So auch das Kunstmuseum Luzern, wie Sammlungskonservator Heinz Stahlhut bestätigt. «Wir möchten sicherstellen, dass sich in unseren Sammlungen keine Kunst befindet, die widerrechtlich in den Verkauf gelangte und von unseren Vorgängern erworben wurde, wenn auch im Unwissen über diesen Status», so Stahlhut.

«Das Kunstmuseum Luzern sieht es als eine Frage von Recht und Gerechtigkeit an, diese Forschung zu betreiben.»
Heinz Stahlhut, Sammlungskonservator am Kunstmuseum Luzern

Doch besteht tatsächlich ein Verdacht, dass sich in den Beständen des Luzerner Kunstmuseums Nazi-Raubkunst versteckt? Nein, meint Stahlhut. Die Motivation für die eingeleitete Untersuchung bestehe vielmehr darin, dass man sicherstellen wollte, dass sich tatsächlich keine widerrechtlich erworbenen Kunstwerke im Besitz des Museums befinden. «Eine Auseinandersetzung über Fragen der Restitution berechtigter Ansprüche ist für das Kunstmuseum Luzern eine Selbstverständlichkeit», meint der Sammlungskonservator.

Bund stellt zwei Millionen Franken zur Verfügung

Nachdem der Bundesrat vor ein paar Monaten zwei Millionen Franken für die sogenannte Provenienzforschung bereitgestellt hat, lassen nun mehrere Schweizer Museen ihre Bestände genauer auf nationalsozialistische Raubkunst untersuchen. Die finanzielle Unterstützung des Bundes ist auf fünf Jahre angelegt und erfolgt auf Antrag interessierter Institutionen. In Luzern leitet lediglich das Kunstmuseum Luzern eine entsprechende Untersuchung ein.

Will heissen: Das Kunstmuseum Luzern zeigt sich bereit, allfällige Raubkunst ihren rechtmässigen Besitzern zurückzugeben, sollten diese darauf bestehen. «Dazu sind wir aufgrund des Washingtoner Abkommens auch verpflichtet», erklärt Stahlhut.

Einvernehmliche Lösungen sind das Ziel

Durch die Provenienzforschung, also die Untersuchung der Kunstwerke auf ihre Herkunft, lassen sich im besten Fall die Rechtsnachfolger der damaligen Besitzer der Kunstwerke ausfindig machen. Sollte sich tatsächlich Nazi-Raubkunst in den Museumsbeständen befinden, würde man versuchen, mit diesen «zu einer einvernehmlichen Einigung über das weitere Schicksal der betreffenden Werke zu kommen», wie Stahlhut weiter erklärt.

Die Provenienzforschung ist heute ein wichtiger Bereich der Museumsarbeit, der von den Institutionen ohne Unterstützung von aussen allerdings nur schwer geleistet werden kann. Daher sei man sehr froh um die Bundesgelder für die Untersuchungen, betont Stahlhut. «Das Kunstmuseum Luzern sieht es als eine Frage von Recht und Gerechtigkeit an, diese Forschung zu betreiben und Lösungen zu finden, wenn berechtigte Ansprüche geltend gemacht werden können.»

Andere Luzerner Museen winken ab

Nicht um die Bundesgelder bemühen wird man sich hingegen beim Historischen Museum Luzern. «Von der Sammlung her kommen wenn überhaupt nur ganz wenige angekaufte Objekte infrage», wie Museumsdirektor Christoph Lichtin erklärt. Daher könne man die Recherche selbst durchführen und finanzieren.

«Es befinden sich keine fragwürdigen Stücke in meiner Sammlung.»
Angela Rosengart 

Auch das Museum Sammlung Rosengart zieht nicht in Erwägung, seine Sammlung überprüfen zu lassen. «Es befinden sich keine fragwürdigen Stücke darunter», so die 83-Jährige Kunstsammlerin Angela Rosengart.

Über 600’000 Kunstwerke geraubt

Wie kommt man als Museum oder Sammler überhaupt in den Besitz von nationalsozialistischer Raubkunst? «Man war in den 1930er-Jahren und den folgenden Jahrzehnten offensichtlich weniger sensibilisiert gegenüber dem Problem von Raubkunst und Fluchtgut», erklärt Heinz Stahlhut. «Später hat man die Rolle von Kunsthändlern, die beispielsweise diese oder entartete Kunst verkauft haben, anders beurteilt als heute.»

Die Zahl der zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten in Europa gestohlenen Kunstwerke wird insgesamt auf 600’000 Kunstwerke geschätzt. Noch immer wurden unzählige Werke daraus noch nicht den rechtmässigen Eigentümern zurückgegeben. Sie befinden sich weltweit verstreut in öffentlichen und privaten Sammlungen und sollen durch die Provenienzforschung identifiziert werden. Eine Übersicht über vermisste und wiedergefundene Raubkunst finden Sie hier.

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