Luzern: Stadt rügt Demoveranstalter

Nach Zugriff auf Demo – schlechte Bilanz für die Polizei

Ein grosses Polizeiaufgebot begleitet die Demonstration vom 2. Mai 2015 (Bild: Herbert Fischer/lu-wahlen.ch).

Vier Personen wurden an einer linken Demo vom 2. Mai 2015 verhaftet. Jetzt zeigt sich: Nur einem Teilnehmer konnte die Justiz Gesetzesverstösse nachweisen. Sind der Polizei Fehler unterlaufen?

Eigentlich verlief die Demo vom 2. Mai 2015 in der Stadt Luzern friedlich. Gegen 600 Personen demonstrierten im Rahmen eines «antikapitalistischen Tanzes» in der Innenstadt. Die Veranstalter der von der Stadt bewilligten Demo stammen aus dem Umfeld der linken Gruppierungen Lagota und dem Bündnis «Eine andere Welt ist möglich».

Nach einer Rede auf dem Bahnhofplatz liefen die Demonstranten über die Seebrücke Richtung Pavillon, wo Konzerte geplant waren. Nach dem Verlassen der Seebrücke griffen mehrere Polizisten vier Personen aus dem Umzug heraus. Dies unter Einsatz von Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken. Begründung: Die Personen seien vermummt gewesen und hätten Pyro-Feuerwerk abgebrannt – beides ist verboten. Und dass Vermummte Pyros abgebrannt hatten, belegen Foto- und Filmaufnahmen.

«Es reicht! Eine andere Welt ist möglich» war das Motto der Demonstration von Anfang Mai (Bild: zVg).

«Es reicht! Eine andere Welt ist möglich» war das Motto der Demonstration von Anfang Mai (Bild: zVg).

Verwechslung bei Zugriff der Polizei

Eine der vier Verhaftungen stellte sich aber schnell als Fehlgriff heraus. Bei der Festgenommenen handelte es sich um eine Frau, die sich als Demo-Sanitäterin engagiert hatte. Gegen sie wurde denn auch keine Anklage erhoben. Jedoch erhob die Frau anschliessend heftige Vorwürfe an die Adresse der Polizei. Ihr sei Vermummungsmaterial untergejubelt worden (zentralplus berichtete). «Es handelt sich um den Vorhalt einer Teilnehmerin, welcher nicht nachvollzogen werden kann», wehrte sich damals die Luzerner Polizei.

Zwei der Verhafteten wurden später durch einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen «Hinderung einer Amtshandlung» und «Gewalt und Drohung gegen Beamte» verurteilt. Dies teilt heute Montag die Organisation Anti-Rep Luzern mit, die sich gegen staatliche Repression engagiert. Welche Personen bei Anti-Rep aktiv sind, geht freilich weder aus deren Mitteilung hervor noch werden sie auf der Webseite genannt.

Hier gehts zu einem Tele 1-Beitrag über die Demo:

Zwei Angeklagte sind freigesprochen

Die beiden Personen, bei welchen nach der Verhaftung vom 2. Mai auch noch ein DNA-Abstrich gemacht wurde, fochten das Urteil an und liessen den Fall vom Bezirksgericht prüfen. Dieses kam laut Anti-Rep zum Schluss, dass sich die Beschuldigten nichts hatten zuschulden kommen lassen, und sprach sie frei.

«Wir waren von diesem unnötigen und völlig übermotivierten Angriff total überrascht und schockiert.»

Veranstalter der Demonstration

Im Fall der angeblichen «Hinderung einer Amtshandlung» verlangte die Staatsanwaltschaft vom Bezirksgericht zwar noch eine Urteilsbegründung. Doch das hat offenbar nichts an der Sache geändert: Die beiden Personen sind nun rechtskräftig freigesprochen.

Luzerner muss 1280 Franken zahlen

Die Luzerner Staatsanwaltschaft bestätigt diesen Sachverhalt auf Anfrage von zentralplus. Anders als Anti-Rep beantwortet sie zudem auch die Frage, was mit der vierten verhafteten Person geschehen ist. Bei dieser handelt es sich demnach um einen 25-jährigen Luzerner. Er wurde wegen Vermummung sowie Besitzes von verbotenem Feuerwerk sowie von Marihuana rechtskräftig verurteilt. Und zwar zu einer Busse von 750 Franken und amtlichen Kosten von 530 Franken. Diese insgesamt 1280 Franken muss der Mann definitiv zahlen. Bedingt ausgesprochen wurde hingegen eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 130 Franken.

Harsche Kritik an Polizei

Anti-Rep freut sich zwar über die Freisprechung von drei der vier am 2. Mai verhafteten Demonstranten. Sie ärgert sich jedoch über das in ihren Augen unnötige Eingreifen der Polizei. «Die OrganisatorInnen, viele Teilnehmende des Umzugs, wozu auch viele Kinder und ältere Personen gehörten sowie das Anti-Rep Luzern, waren und sind von diesem unnötigen und völlig übermotivierten Angriff total überrascht und schockiert, und verurteilen diesen aufs Schärfste.» Der Angriff habe gezeigt, dass die Luzerner Polizei die direkte Konfrontation suche und auch vor Gewalt gegen Unbeteiligte nicht Halt mache.

Begleitet von einem Demo-Fahrzeug marschieren die Teilnehmer die vorgeschriebene Route ab (Bild: Herbert Fischer/lu-wahlen.ch).

Begleitet von einem Demo-Fahrzeug marschieren die Teilnehmer die vorgeschriebene Route ab (Bild: Herbert Fischer/lu-wahlen.ch).

Adrian Muheim vom Bündnis «Eine andere Welt ist möglich» äusserte zudem nach der Verhaftung der vier Personen den Verdacht, dass das harte Eingreifen der Polizei eine Racheaktion gewesen sein könnte. Denn bereits am 22. April demonstrierten linke Aktivisten in Luzern – allerdings ohne Bewilligung. Muheim erinnerte zudem daran, dass bereits an früheren Demos Feuerwerkskörper gezündet worden seien. Die Polizei sei jedoch nie eingeschritten.

Sind Fehler passiert?

Nun konnten also dreien von vier am 2. Mai 2015 verhafteten Personen keine Gesetzesverstösse nachgewiesen werden. Da stellt sich unweigerlich die Frage, ob der Polizei beim Zugriff Fehler unterlaufen sind. Doch diese äusserst sich dazu nicht, wie Sprecher Urs Wigger mitteilt: «Da uns die begründeten Urteile des Bezirksgerichtes nicht vorliegen, können wir zu dieser Frage keine Stellung nehmen.» Diese Antwort dürfte die Demo-Organisatoren kaum befriedigen.

«Es ist bei einem solchen Einsatz niemals das Ziel der Polizei, Teilnehmende einzuschüchtern.»

Urs Wigger, Luzerner Polizei

Wigger nimmt jedoch zum Vorwurf Stellung, die Polizei habe bei dem Einsatz völlig überbordet. «Es ist bei einem solchen Einsatz niemals das Ziel der Polizei, Teilnehmende einzuschüchtern und unnötig die Konfrontation zu suchen. Somit können wir die Aussagen der Anti-Rep nicht nachvollziehen.»

Stadt verwarnt Organisatoren

Nach der Demo wurden Forderungen laut, die Veranstalter seien hart zu sanktionieren. Doch dies ist nicht geschehen, sagt Stefan Geisseler auf Anfrage von zentralplus. Geisseler ist stellvertretender Leiter der Dienststelle Stadtraum und Veranstaltungen. «Wir haben mit den Kundgebungs-Veranstaltern ein konstruktives Gespräch geführt.» Die von der Stadt gemachten Auflagen seien grossmehrheitlich eingehalten worden.

«Die Organisatoren hätten möglicherweise aktiver eingreifen können, als sich die Personen vermummt haben.»

Stefan Geisseler, Stadt Luzern

«Dass sich trotzdem ein paar Personen vermummt haben und Pyros abgebrannt haben, ist zwar bedauerlich. Dafür können wir die Veranstalter aber nicht haftbar machen. Jedoch haben wir eine mündliche Verwarnung augesprochen. Denn die Organisatoren hätten möglicherweise aktiver eingreifen können, als sich die Personen vermummt haben.» Negative Auswirkungen auf das nächste Kundgebungsgesuch wird der Vorfall laut Geisseler deshalb nicht automatisch haben. Zumal die Bundesverfassung die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäusserung explizit vorsehe. «Daraus ergibt sich ein bedingter Anspruch auf eine politische Kundgebung, weshalb jedes Gesuch als Einzelfall zu beurteilen ist.»

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