Partei muss um dritten Nationalratssitz bangen

Nach Wahlschlappe drohen der Luzerner SVP weitere Verluste

SVP-Präsidentin Angela Lüthold spricht zu ihren Delegierten. Im Vordergrund die beiden Vizepräsidenten Oliver Imfeld und Lisa Zanolla.

(Bild: les)

Klima-Demonstranten, Medien, Adrian Borgula – die Luzerner SVP findet viele Schuldige für ihre Wahlniederlage. Doch damit überdeckt die Partei nur eigene Probleme. 

«Überschnorren» müsse man ihn halt, sagte letzte Woche ein SVP-Lokalpolitiker zu zentralplus. Gemeint hat er Nationalrat Franz Grüter und dessen Kandidatur für den Ständerat. Der IT-Unternehmer hatte sich mit dem Entscheid sehr lange Zeit gelassen. Diesen Mittwoch liess Grüter die Katze aus dem Sack: Er will ins Stöckli (zentralplus berichtete).

Das Herumgeeiere kommt nicht von ungefähr. Nicht nur die «NZZ», sondern viele Beobachter trauen Grüter durchaus zu, eine Gefahr für den CVP-Sitz und die Kandidatur von Andrea Gmür darzustellen. Ohne realistische Chance hätte sich ungeniert kandidieren lassen. Sollte es Grüter aber tatsächlich schaffen, müsste er sich beruflich noch stärker auf die Politik fokussieren. Offenbar will er das.

SVP muss um dritten Nationalratssitz bangen

Der Ausblick auf die nationalen Wahlen in Luzern versprach bis vor Kurzem wenig Spannung. Weil es im Nationalrat künftig nur noch neun Sitze für den Kanton Luzern gibt, wird die CVP eines ihrer Mandate verlieren, so die allgemeine Lesart. Und weil alle Bisherigen sowieso wieder antreten, dürfte auch kaum jemand Neues Chancen haben, einen Sitz zu erobern.

«Die Demonstrationen, angestachelt durch die Medien und die linken Lehrer haben gewirkt.»

Toni Graber, SVP-Kantonsrat

Mit den kantonalen Wahlen hat sich die Ausgangslage aber verändert. Plötzlich scheinen grössere Verschiebungen möglich. Und da muss die SVP aufpassen, dass sie ihren dritten Sitz, den sie vor vier Jahren den Grünliberalen abluchste, nicht wieder an die aufstrebende GLP verliert. «Selbst der grünste SVP-Mann wird abgestraft», titelte der «Tages-Anzeiger» kürzlich mit Blick auf Tesla-Fahrer Franz Grüter. Womöglich rettet er sich mit seiner Ständratskandidatur sein Mandat in Bern – Andrea Gmür ist mit ihren Wechselabsichten ins Stöckli mit derselben Thematik konfrontiert.

«Wer wählte Korintha Bärtsch?» 

Szenenwechsel: Vergangene Woche fand die Delegiertenversammlung der SVP Luzern im Gasthaus St. Mauritz in Schötz statt. zentralplus stattete der grossen Verliererin der kantonalen Wahlen einen Besuch ab.

«Wir wussten, dass wir verlieren werden. Aber dass es gleich so tätscht?!» 

Toni Graber machte aus seiner Enttäuschung über die Wahlschlappe keinen Hehl. Als Präsident der SVP Schötz hatte er an diesem Abend die Delegierten zu Gast. Paul Winiker wurde für den zweiten Wahlgang nominiert – grosses Thema waren aber die massiven Verluste der Volkspartei.

Exponenten der SVP schätzen die Lage der Partei ein. Von links: Toni Graber, Dieter Haller, Vroni Thalmann und Fredy Winiger.

Exponenten der SVP schätzen die Lage der Partei ein. Von links: Toni Graber, Dieter Haller, Vroni Thalmann und Fredy Winiger.

Toni Graber, geboren 1957, von Beruf Landwirt, ist seit 2008 Kantonsrat und ein leidenschaftlicher Komiker. Das Lachen ist ihm nicht vergangen. Er nahm fleissig Gratulationen für seine Wiederwahl entgegen. «Jetzt ist’s halt so», analysierte er das Wahlergebnis trocken. «Die Grünen haben gewonnen. Die Demonstrationen, angestachelt durch die Medien und die linken Lehrer, haben gewirkt», sagte er. In seiner Begrüssungsrede vor den Delegierten erwähnte er später, dass die Grüne Korintha Bärtsch in Schötz 250 Stimmen holte. «Ich weiss nicht, wer das war», sagt er schnippisch.

Umweltschutz ist auch auf dem Land ein Thema

Im Hinblick auf die nationalen Wahlen im Herbst wäre ein erneuter Rekordsommer schlecht für die SVP. Graber nickt ob dieser Feststellung. Und für ihn als Bauern? Sieht er sich täglich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert? «Heisse Sommer gab es immer wieder», sagt er. «Auch auf meinem Betrieb wird das Futter knapp.» Pessimistisch ist Frohnatur Graber aber nicht. «Das Wetter ist nie zwei Jahre hintereinander dasselbe», erinnert er an alte Bauernweisheiten. Vertieft will er auf die Klimadiskussion nicht eingehen – er schüttelt lieber weiter Hände. 

Präsidentin spielt Europa-Karte 

Anders Parteipräsidentin Angela Lüthold: «Greta wurde zur globalen Bewegung, das konnten wir nicht voraussehen.» Und sie geht sogleich zum Angriff über: «Es gibt Parteien, die mit viel Lärm und Klamauk eine Klimaverbesserung wünschen. Aber sie haben keine konkreten Vorschläge», sagt sie zu den Delegierten.

«Wir werden nicht kapitulieren.»

Angela Lüthold, SVP-Präsidentin

Umwelt und Heimat seien Themen der SVP. «Nahrungsmittel aus der Region ohne lange Anfahrtswege. Forstwirtschaft mit heimischem Holz.» Während sie Bespiele nennt, nicken die Zuhörer. Und sowieso: «SP und Grüne wollen ein EU-Rahmenabkommen. 10 Millionen Menschen in der Schweiz – das braucht Ressourcen», ruft sie. Sie gibt sich kämpferisch: «Wir werden nicht kapitulieren. Wichtig ist, dass wir jetzt zusammenhalten.»

Praktisch keine neuen Gesichter

Doch so einfach ist es nicht. Im Boxen gilt ein taumelnder Gegner als besonders gefährlich. Gilt das auf der politischen Ebene für die Sünneli-Partei? Aktuell ist wenig von einer Trotzreaktion zu spüren. Die Parteispitze schiebt die Schuld auf die Klima-Demonstranten oder die Medien. Dabei offenbart das schlechte Abschneiden durchaus Probleme. Etwa, dass die Fraktion in der neuen Legislatur lediglich ein einziges neues Gesicht enthält. Frisches Blut ist also Mangelware.

Immerhin eines unterscheidet die Luzerner SVP von ihren ebenfalls abgestraften Zürcher oder Basler Kollegen. Herrliberg hat in Luzern kein Köpferollen angeregt und ein Selbstzerfleischungsprozess innerhalb der Partei hat ebenfalls nicht eingesetzt. Die Verantwortlichen machen in aller Ruhe weiter.

Erfolg in ländlichen Gebieten

So zum Beispiel Wahlkampfleiter Fredy Winiger. Er hat für die Delegiertenversammlung extra eine Hauptprobe der Veteranenmusik abgesagt. «Nach dieser Niederlage muss ich hier sein», sagt er und wirft einen Blick auf das detaillierte Ergebnis seiner Partei. «Die riesige Stimmbeteiligung in der Stadt Luzern, die sowieso alle links-grün wählten, hat für das Ergebnis gesorgt.» Die Niederlagen in den Wahlkreisen Luzern-Land und Hochdorf hätten mit Rücktritten verdienter Kantonsräte zu tun.

Die SVP-Delegierten während ihrer Versammlung in Schötz.

Die SVP-Delegierten während ihrer Versammlung in Schötz.

Ein Fluch sei hingegen die tiefe Wahlbeteiligung. «Wir müssen besser mobilisieren», sagt Winiger. Im Entlebuch sei dies etwa dank Jungpartei gelungen. Auch wenn Winiger das erst merkt, nachdem die Entlebucher Delegierten heftig protestieren, als er auch bei ihnen eine Niederlage feststellen will.

Die ehemalige Kantonsratspräsidentin Vroni Thalmann aus Flühli glaubt, die Klimadiskussion habe im Entlebuch eine weniger grosse Rolle gespielt. «Wir sind von Natur aus grün», sagt sie zu zentralplus über ihren Wahlkreis. Sie spricht von innovativen KMUs und ökologischen Bauern. 

SVP-Rezepte verfangen in der Agglo nicht

Und in Stadt und Agglo? Der städtische Parteipräsident Dieter Haller sieht am Rande der Veranstaltung nicht sonderlich rosigen Zeiten entgegen. Er nennt die neuen Siedlungen in Luzern Süd als Beispiel. «Es werden gar keine Parkplätze bewilligt. Dort fährt kaum einer Auto – dafür alle Velo», sagt er. «Solche Zuzüger für unsere Partei zu gewinnen, wird extrem schwierig.» Auch wer sozialem Wohnungsbau zugeneigt sei, würde kaum die SVP wählen, stellt er fest.

Die Verkehrs- und Siedlungspolitik der Stadt Luzern spiele linksgrün eindeutig in die Karten, so Haller. Er verbindet seinen Unmut mit direkter Kritik an Stadtrat Adrian Borgula (Grüne). 

Bewegt sich die Partei?

Oberste Priorität für die SVP hat aktuell der zweite Wahlgang zu den Regierungsratswahlen am 19. Mai. Es gilt, den Sitz von Paul Winiker zu verteidigen. Hier darf die Partei zuversichtlich sein. Und mit der Kandidatur von Franz Grüter fungiert zumindest eine breit anerkannte Persönlichkeit als Zugpferd für die Wahlen im Herbst. 

Interessanter dürfte die weitere Aufarbeitung der Wahlschlappe sein. Der herbe Rückschlag könnte nach anhaltenden Erfolgen in den letzten Jahren ein Wendepunkt in der noch jungen Geschichte der Partei bedeuten. Gerade die Voten von ländlichen Vertretern lassen durchaus den Schluss zu, dass man dem Thema Klima bisher zu wenig Beachtung schenkte.

 

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2 Kommentare
  • Profilfoto von lulu
    lulu, 11.04.2019, 20:07 Uhr

    Ein Quartier ohne Auto? Jemand, der wie ich auf den Busfahrten fast jeden Tag zwei Mal im Stau unterwegs ist, findet es weniger schrecklich als die offenbar «naturnahe» SVP …..

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  • Profilfoto von Matthias Lussi
    Matthias Lussi, 11.04.2019, 11:27 Uhr

    «Die Demonstrationen, angestachelt durch die Medien und die linken Lehrer, haben gewirkt.” Analog zu dieser Aussage: Die SVP ist ferngesteuert aus Herrliberg, alle marschieren, wenn Blocher es will, alle stehen still, wenn Blocher es will. Die millionenschwere Propaganda der letzten Jahre (Europa! Ausländer! Asylanten! Sozialhilfebezüger! Invalide! Kriminelle! Linke und Nette!) hat ihre Wirkung nicht verfehlt …

    Junge Menschen sind in der Lage selbst zu denken und zu entscheiden. SVP-Politiker hoffentlich auch. Übrigens: Lehrer und Lehrerinnen wählen auch bürgerliche Politiker und Politikerinnen.

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