YB-Trainer kehrt auf Allmend zurück

Nach Hauruck-Abgang: Seoanes spezielles Spiel gegen den FCL

Seit dieser Saison steht Gerardo Seoane (vorne, zweiter von links) in Diensten des BSC Young Boys.

(Bild: Facebook)

Ein Sturm der Entrüstung brauste durch die fussballbegeisterte Innerschweiz, als Gerardo Seoane (39) am 1. Juni nach einer fulminanten Rückrunde mit dem FCL seinen Wechsel zu Meister YB verkündete. Am Sonntag tritt der junge Cheftrainer mit den nach drei Spielen verlustpunkt- und gegentorlosen Bernern erstmals in Luzern an.

Er verhält sich klug und reif. Wie es in ihm drin aussieht, wenn er im Rechteck vor seiner Trainerbank in der Swissporarena (Sonntag, 16 Uhr) stehen wird, kehrt er nicht nach draussen. Weil er wohl antizipiert, dass gerade er, der vielversprechende und verlorene Trainer-Ziehsohn des FC Luzern, mit Emotionalität nach wie vor kein Verständnis für seine Position und Karriereplanung erwirken kann. Deshalb sagt Gerardo Seoane, den bloss alle «Gerry» rufen, bloss: «Ich bin in den letzten elf Jahren für den FCL tätig gewesen. Somit ist es normal, dass das Spiel vom Sonntag für mich speziell sein wird.»

Das kann man getrost so ausdrücken. Erst recht vor dem Hintergrund des ersten Juni-Wochenendes dieses Jahres, als Seoane per Whatsapp dem Klub, Spielern und Fans seinen Wechsel zu YB bekannt gab. Der hemdsärmlige FCL-Investor Bernard Alpstaeg polterte tags darauf im «Blick», dass Seoane sein Herz am Hintern, an der Hosentasche trage. Dort, wo das Portemonnaie stecke. Und die genauso leidenschaftlichen Fans verabschiedeten den aufstrebenden Trainer, der noch einen bis 2019 gültigen Vertrag mit dem FCL gehabt hätte, mit einem über seinem Hauseingang montierten Spruchband: «Gmüetlich ide Sonne, Gedanke bem Meister, zrog gods First Class, du Hu$o, chasch ders etz leiste.»

Starker Tobak. Es ist davon auszugehen, dass Seoane bei seiner Rückkehr nach Luzern sein Fett in irgendeiner Form wegkriegen wird. 

Das exemplarische Beispiel von Nsamé

Bleibt die Frage, ob der aktuelle YB-Trainer seinen Abschied aus Luzern im ureigenen Interesse nicht etwas feinfühliger hätte kommunizieren können. Seoane entgegnet: «Mir war es wichtig, Mannschaft, Staff und die engsten Mitarbeitenden aus erster Hand zu informieren, bevor die Mitteilung an die Medien verschickt wurde. Aber ich war im Ausland in den Ferien. Somit war es die beste Variante, per SMS zu informieren. Nach der Rückkehr aus den Ferien habe ich mich dann bei allen persönlich verabschiedet.»

Gerry Seoane gibt in dieser Saison beim Meister den Ton an. 

Gerry Seoane gibt in dieser Saison beim Meister den Ton an. 

(Bild: Facebook)

Bei YB hat er dort angefangen, wo er bei Luzern aufhörte. Mit erfolgreichem Fussball, der damit anfängt, die eigene Abwehrarbeit zu stabilisieren. Wahrlich kein revolutionärer Ansatz in der Taktiklehre, aber es reichte alleweil, um sich von seinem überforderten Vorgänger Markus Babbel klar und deutlich abzugrenzen. Mit dem Titelverteidiger ist Seoane bei drei Spielen, drei Siegen (gegen GC, Lugano und Zürich) und 8:0 Toren angelangt. Kein Wunder, dass er sich über diese Zwischenbilanz freut: «Aber es geht um die gesamte Balance.» Und erläutert, dass jeder bei der Verteidigungsarbeit mithelfen müsse und sich auch an den Offensivaktionen beteiligen solle.

«Wir wollen uns in erster Linie auf uns und unsere Leistung konzentrieren.»

Gerardo Seoane, YB-Trainer

Ein exemplarisches Beispiel für die Solidarität bei YB sei Jean-Pierre Nsamé im letzten Spiel gegen den FC Zürich gewesen. «Er wurde eingewechselt, rettete zuerst auf unserer Torlinie und schoss später noch einen Treffer.» Nur so nebenbei: Drei Tage vor seinem 25. Geburtstag hat der kamerunische Stürmer YB gegen den FCL zum 2:1 und damit zum Meistertitel geschossen. 

Seoane kennt praktisch jeden FCL-Spieler

Zumindest spielerisch muss sich Seoane ganz genau bewusst sein, was ihn in seinem zweiten Auswärtsspiel als YB-Trainer erwarten wird. Bis auf Goalie Mirko Salvi und den Mittelstürmer Blessing Eleke kennt er jeden Kaderspieler des FCL aus dem «Effeff», also auch deren Stärken und Schwächen. Und das mit einer Mannschaft, die den Luzernern ohnehin schon überlegen ist. Seoane mag diese Tatsache nicht grösser machen, als sie sich darstellt: «Ich würde das nicht überbewerten. Wir wollen uns ohnehin in erster Linie auf uns und unsere Leistung konzentrieren.»

Eine gefühlte Ewigkeit ist's her: Die FCL-Spieler feiern ihren Coach Seaone nach der Qualifikation für die Europa-League-Quali.

Eine gefühlte Ewigkeit ist’s her: Die FCL-Spieler feiern ihren Coach Seaone nach der Qualifikation für die Europa-League-Quali.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Einem Aussenstehenden mag es vielleicht sogar lustig erscheinen, dass Seoane in der Schweizer Trainerhierarchie in diesen Wochen und Monaten höher eingeschätzt wird als FCL-Trainer René Weiler (44), der gestern mit seinen Mannen in der griechischen Hafenstadt Piräus eine 0:4-Niederlage in der dritten Runde der Qualifikation zur Europa League erlitten hat. Dabei hat Seoane als Teamverantwortlicher noch keinen Verein ausserhalb der Schweiz – ganz im Gegensatz zu Weiler – zum Erfolg geführt. Es macht geradezu den Anschein, als ob sich die zurzeit vielleicht spannendsten Trainer der Super League aus dem Weg gehen.

Weiler hat den Namen Seoane in den letzten Tagen und Wochen kaum je in den Mund genommen (zentralplus berichtete). Und Seoane antwortet auf die Frage, ob es irgendwelche Beziehungspunkte als Spieler und Trainer zu seinem FCL-Nachfolger Weiler gegeben habe, wie folgt: «Wir sind uns in der aktiven Karriere einige Male als Spieler gegenübergestanden. Und in der Fussballszene begegnet man sich immer wieder.»

Man mag sich auf Sonntag freuen.

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