Neuer Hof für 5 Millionen Franken geplant

Nach Entrüstung über «Tierfabrik»: Der Hünenberger Bauer rechtfertigt sich

Landwirt Martin Schuler auf seinem Hof in Hünenberg.

(Bild: giw)

Der Hünenberger Bauer Martin Schuler stösst mit seinen Plänen, einen einzigen Stall für bis zu 1’000 Rindviecher zu bauen, fast alle vor den Kopf: Anwohner, Tierschützer, aber auch den Landschaftsschutz. Nun wehrt sich der Landwirt. Sein geplanter Betrieb sei nicht nur tierfreundlich, sondern auch ökologisch. Sicher ist auch: Es geht um viel Geld.

Wer den Hünenberger Grossbauernhof von Martin Schuler besucht, wird vom aufgeweckten Rufen der Kälber begrüsst. Entlang der Zufahrtsstrasse im Ortsteil Drälikon reihen sich die Jungtiere aneinander. Jedes hat eine kleine Box und einen mit Stroh untersetzten Aussenbereich für sich.

Am Ende der Einfahrt herrscht rege Betriebsamkeit, Hofmitarbeiter versorgen Kühe im Laufstall, waschen Trinkflaschen für die Kälber aus, Mitarbeiter füllen Milch ab, im kleinen Garten vor dem Bauernhaus spielen Kinder. Mittendrin steht Martin Schuler. Gerade überprüft er die Laborwerte seiner neuesten Milchlieferung, die per SMS eingetroffen sind. «Das sieht alles gut aus.» Wären in der täglichen Milchlieferung zu viele Keime oder der Gefrierpunkt zu hoch, sinkt die Vergütung.

Ein Landwirt, der auf Fortschritt setzt

Wie sein Vater, der unter den kritischen Augen seiner Berufsgenossen als einer der ersten Bauern in der Schweiz in den 80er-Jahren den Laufstall einführte, ist auch der junge Landwirt offen für neue Technologien und Ideen. Ein Beispiel ist die Aufzucht mithilfe der Kälberboxen. «Weil die Jungtiere nicht miteinander in Kontakt kommen, werden Krankheiten weniger einfach übertragen», erklärt Schuler.

«Die Landwirtschaft verändert sich stetig» – und Schuler will mit der Zeit gehen. Mit seinem geplanten Grossstall hat er jedoch Widerstand provoziert – Hunderte von Tieren in einer einzigen Halle zu halten, das wird scharf kritisiert (zentralplus berichtete). Als «Tierfabrik» wird das Vorhaben von Kritikern auch bezeichnet.

Fünf Millionen Franken kostet die neue Stallung

Sein Projekt forciert Schuler, weil die Existenz seines Betriebes in heutiger Form gefährdet ist. Gleich neben dem Ort, wo seine Familie seit den 40er-Jahren wirtschaftet, wird Trinkwasser gesammelt. Weil die Gewässerschutzverordnung verschärft wurde, muss Schuler alle fünf Jahre seinen gesamten Hof inklusive den Rindviechern räumen und untersuchen lassen, ob das Grundwasser durch seine Bewirtschaftung kontaminiert wird. «Die Situation ist nicht tragbar», sagt Schuler.

Deshalb muss er die heutigen Stallungen aufgeben und Land aus dem Besitz der Familie neben dem ursprünglichen Gehöft erschliessen. Es handelt sich dabei um Weideland und landwirtschaftliche Gebäude, die abgerissen werden. Darauf entsteht eine einzige grosse Halle, statt wie bisher verschiedene kleinere Laufställe. Zusätzlich entsteht eine eigene Molkerei, neue gedeckte Hofdüngerlager und ein neues Futterlager.

Fünf Millionen Franken kostet der neue Grossstall und die zusätzliche Infrastruktur. Um dies finanzieren zu können und um Geldgeber finden zu können, muss Schuler die Effizienz des Betriebes steigern. Dafür muss Schuler mehr Milch produzieren. Denn Subventionen erhält er nicht für die Anzahl Kühe, sondern dafür, wie viel Fläche sein Betrieb hat. Und die Betriebsfläche von rund 35 Hektaren verändert sich nicht.

50 Prozent mehr Tiere auf gleicher Betriebsfläche

Heute leben auf dem Betrieb insgesamt 300 Milchkühe und 200 Jungtiere, diese verteilen sich zusätzlich zum Hof in Drälikon auf Satellitenbetriebe. Zum Vergleich: Im Durchschnitt hält ein Schweizer Milchbetrieb 25 Kühe auf 26 Hektaren Land. Diese hohe Dichte gegenüber einem herkömmlichen Betrieb ist nur möglich, weil Schuler Heu und Gas aus 16 Höfen in der nahen Umgebung einkauft und nicht wie in anderen Betrieben selbst anbaut. Die entstehende Gülle aus seinem Betrieb wird wiederum an benachbarte Höfe als Dünger verteilt.

In der neuen Grossstallung wären es rund 50 Prozent mehr Tiere, 400 bis 450 Milchkühe plus Jungvieh würden dort untergebracht. Deutlich weniger als sein bislang schärfster Kritiker, Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, in einem Schreiben behauptete. Das hänge damit zusammen, dass bei der Umweltverträglichkeitsprüfung mit den Mindestmassen, also der grösstmöglichen Zahl an Tieren gerechnet wird. «Wir erachten diese als nicht genügend, vor allem in unserer geplanten Aufstallungsform. Über Tausend Tiere sind und waren nie das Ziel», sagt Schuler.

Tiere erhalten mehr Platz

Dennoch stellt sich die Frage, ob hier nicht Tiere zusammengepfercht werden. Doch Martin Schuler widerspricht: «Die oberste Maxime ist das Tierwohl», sagt Schuler. Die Kühe erhalten im neuen Stall eine Liegefläche von zehn Quadratmetern, deutlich mehr als die heutige Tierschutznorm von 4,5 Quadratmetern vorgibt. Anders als im Laufstall gibt es keine Gitter, die Kühe können sich frei bewegen und sich hinsetzen, wo es ihnen gerade passt. Hinzu kommen fünf Quadratmeter Aussenfläche und Fressbereich pro Tier.

Wenn man die bestehenden Ställe mit den Bauplänen vergleicht, wird klar, wie viel grösser die neue Stallung gegenüber den bisherigen kleineren Laufställen ist. Schuler ärgert sich denn auch über das Vorpreschen der Stiftung – inzwischen hatte er mit Rodewald jedoch eine Aussprache. «Das Gespräch ist positiv verlaufen», sagt der Landwirt. Raimund Rodewald betont jedoch auf Anfrage, dass er das Projekt weiterhin für «eindeutig nicht bewilligungsfähig» halte. Die Hürden seien enorm hoch – dem Problem müsste sich laut Rodewald der Zuger Regierungsrat annehmen. «Bereits heute hat Martin Schuler eindeutig zu viele Tiere auf seinem Hof.»

Für Kritik sorgt auch, dass die vielen zusätzlichen Tiere laut Rodewald auch mehr Gülle produzieren und dadurch die Böden der Partnerbetriebe übermässig stark belastet würden. Doch auch hier hat Schuler eine Antwort. Denn zum Einsatz komme ein spezieller Untergrund. Die Kühe bewegen sich auf einer Kompostfläche angereichert mit Holzspänen, die Kot und Urin der Tiere trenne.

Hierdurch entsteht deutlich weniger Methan und Ammoniak als in einem konventionellen Laufstall. Der Gülleanfall reduziert sich um bis zu 60 Prozent. Schuler hält fest: «Mit dem neuen Grossstall werden die Böden nicht stärker belastet.» Er lässt den Vorwurf der Stiftung Landschaftsschutz nicht gelten.

Doch es sind noch einige Hürden zu nehmen. Erst die Umweltverträglichkeitsprüfung und dann die Abstimmung über die Umzonung in eine landwirtschaftliche Spezialzone. «Bis wir bauen, könnte es noch Jahre dauern.» Neben der Skepsis gegenüber so vielen Tieren in einem Stall ist auch aus der nahen Umgebung mit Widerstand zu rechnen. Die flache Ebene würde in Zukunft dominiert von einem Gebilde, das einem enormen Gewächshaus gleicht.

Grösse macht Stall energieeffizient

Die optisch wenig ansprechende weisse Folie kommt zum Einsatz, weil dadurch viel Licht eindringe, was wichtig für die Tiergesundheit sei. Das ist ein Knackpunkt für seine Pläne – denn am Hang geniessen die Hünenberger die Aussicht auf die grüne Landschaft. «Ich muss daher bei den Anwohnern und der Gemeinde Überzeugungsarbeit leisten», erklärt Schuler. Schuler wird auch von seinen Berufskollegen kritisch beäugt, die Meinungen sind geteilt: «50 Prozent der Bauern finden es ein interessantes Projekt, 50 Prozent lehnen mein Vorhaben ab.»

Die Grösse des Stalls hat wichtige Vorteile: Denn das Schrägdach sorgt laut Schuler für einen nützlichen thermischen Effekt: Die Hitze, welche die Tiere produzieren, entweicht durch Öffnungen in der Decke, während kalte Luft von unten in die Halle strömt – eine Zwangsbelüftung wird dadurch obsolet. Das Resultat: eine energieeffiziente Stallbewirtschaftung.

Bis es so weit ist, kann es aber noch dauern. Der Zeitpunkt der Abstimmung steht weiterhin offen – Schuler rechnet damit, dass es noch bis 2020 dauert, bis die Hünenberger Stellung nehmen können. Und was passiert, wenn er dann verliert? «Ich habe noch keine Alternative zur Hand», sagt Schuler. Nicht nur für den eigenen Betrieb würde dies eine ungewisse Zukunft bedeuten, sondern auch für die 16 Futterlieferanten.

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