Mischkonsum führte zum Tod von vier Jugendlichen

Trotz Drogentoten: An den Gymnasien im Kanton Luzern fehlen Beratungsangebote

Vergangenes Jahr starben mindestens vier Jugendliche in Luzern an den Folgen von Mischkonsum. (Symbolbild: Adobe Stock)

Vier Luzerner Jugendliche sind in den letzten Jahren gestorben, weil sie Drogen und Medikamente genommen und die Gefahr eines Mischkonsums unterschätzt hatten. Die grüne Kantonsrätin Rahel Estermann will von der Regierung wissen, wie sie solche Fälle künftig verhindern will. Handlungsbedarf sieht sie vor allem in den Gymnasien.

Ein 20-jähriger Luzerner ging an einem Frühlingsabend ins Bett. Er stand Tags darauf nicht mehr auf. Er starb, weil er unterschiedliche Substanzen eingenommen hatte.

Vier tragische Todesfälle von Luzerner Jugendlichen wurden letztes Jahr durch Medien – darunter zentralplus – bekannt gemacht. Sie starben, weil sie Drogen und Medikamente genommen hatten (zentralplus berichtete). Bereits 2019 hatte die Luzerner Polizei einen Drogenring aufgedeckt, in den rund 50 junge Erwachsene involviert waren (zentralplus berichtete).

Das stimmt die grüne Kantonsrätin Rahel Estermann nachdenklich. Sie reichte bei der Luzerner Regierung eine Anfrage ein. Unter anderem wollte sie wissen, inwiefern der neuartige Mischkonsum im kantonalen Programm aufgenommen wird – und ob der Kanton eine breite Informationskampagne plant.

Nun liegt die Antwort der Regierung vor. Die Problematik des Mischkonsums unter Jugendlichen ist dem Kanton bekannt und sei «tendenziell als zunehmend zu betrachten». Vermehrt haben besorgte Eltern über problematisches Suchtverhalten ihrer Kinder berichtet und die Polizei um Rat gefragt.

Gefährlicher Mischkonsum: Keine spezifischen Angebote entwickelt

Dir geht’s nicht gut? Oder du machst dir Sorgen um jemanden? Hier findest du Hilfe!

Wähle die Nummer 143 der «Dargebotenen Hand», wenn du dich nicht wohlfühlst, du Suizidgedanken oder anderen Kummer hast. Kostenlos und rund um die Uhr wird dir auch über die Nummer 147 (Pro Juventute) geholfen.

Eltern finden beim Elternnotruf über die Nummer 0848 35 45 55 kostenlos und anonym Unterstützung.

Wer seine Drogen auf gefährliche Substanzen testen lassen will oder ein Beratungsgespräch sucht, kann an jedem zweiten Montag das DILU – Drogeninformation Luzern aufsuchen. Kostenlos und anonym.

Wie gefährlich Mischkonsum mit Medikamenten und Alkohol ist, zeigt ein Faktenblatt von Infodrog – der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht.

In Luzern unterstützt die Beratungsstelle «Akzent Prävention und Suchttherapie» im Auftrag des Kantons Fachpersonen in ihren jeweiligen Institutionen wie Lehrerinnen mit Projektangeboten, Informationen und Schulungen. Spezifische Angebote wurden wegen des zunehmenden Mischkonsums jedoch keine entwickelt. Dies, «da die Problematik des Mischkonsums ein neues Phänomen ist und bis anhin wenig Hintergrundwissen dazu bekannt ist».

Hoffnung setzt die Regierung in eine geplante nationale Studie. Diese soll Klarheit bringen, warum Jugendliche solche Drogen und Medikamente nehmen und mischen, und was Konsumarten und allfälliges Risikobewusstsein und Risikominderungsstrategien anbelangt. Die Studie des Instituts für Sucht und Gesundheitsforschung soll noch in diesem Jahr starten.

Gerade während Corona könnte das Suchtverhalten problematischer werden

Kantonsrätin Rahel Estermann ist mit der Antwort der Regierung nicht vollumfänglich zufrieden – sie wird die Diskussion im Rat verlangen. «Ich hätte mir konkretere Auskunft über die Massnahmen und ein klareres Bekenntnis der Regierung gewünscht, dass sie die Problematik auf dem Radar hat», sagt sie gegenüber zentralplus. «Zumal wir seit gut einem Jahr durch die tragischen Ereignisse wissen, dass es auch in Luzern Jugendliche gibt, die vor einem Mischkonsum oder Medikamentenmissbrauch nicht zurückschrecken.»

«Wir müssen davon ausgehen, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen sich durch die Corona-Einschränkungen verschlechtert. Möglicherweise flüchten sie sich in vermehrten Drogen- und Medikamentenkonsum.»

Rahel Estermann, Grüne Kantonsrätin

Ein Phänomen, das sich zu Zeiten von Corona zuspitzen könnte, befürchtet Estermann. Gerade, weil die aktuellen Corona-Einschränkungen die Jugendlichen hart treffen. Das beobachten auch Psychiatrien und Beratungsstellen in Luzern (zentralplus berichtete).

«Wir müssen davon ausgehen, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen sich durch die Corona-Einschränkungen verschlechtert. Möglicherweise flüchten sie sich in vermehrten Drogen- und Medikamentenkonsum», so Estermann. Auch eine Beratungsstelle im Rontal beobachtet, dass seit Corona vermehrt Jugendliche ihren Rat aufsuchen, weil sie Drogen und Medikamente wie etwa das Beruhigungsmittel Xanax zu sich nehmen. Beängstigend ist, dass die Zielgruppe – ab 12 Jahre – immer jünger wird (zentralplus berichtete).

Das macht der Kanton für die Prävention

Untätig bleibt der Kanton aber nicht. Nach den vier Todesfällen diskutierte man im August 2020 die aktuelle Situation im kantonalen Koordinationsgremium Sucht. Dabei bildete sich eine Untergruppe, welche nun dran sei, «weitere Massnahmen» zu prüfen. Wie diese aussehen könnten, bleibt offen. Unter anderem habe sich bereits eine «intensivere Zusammenarbeit» zwischen Akzent und der Luzerner Polizei, Dienst Prävention entwickelt.

Das Thema soll mehr in die Öffentlichkeit gelangen. Die erwähnte Untergruppe fasst ins Auge, das «Forum für Suchtfragen» in diesem Jahr zum Thema Mischkonsum durchzuführen. Genauso eine Sensibilisierungskampagne im Rahmen der jährlich stattfindenden kantonalen Alkoholpräventionskampagne.

Der neuartige Drogenmissbrauch wird jedoch nicht explizit im kantonalen Programm zur psychischen Gesundheit aufgenommen, führt die Regierung aus. Der Fokus liege in der Förderung der psychischen Gesundheit, um das Thema in Schulen zu stärken und die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Wieder betont die Regierung, dass im Kanton Akzent die Thematik des Drogenmissbrauchs thematisiert.

Hotspot Gymnasien kommt nicht von ungefähr

Macht der Kanton Luzern genügend in Sachen Prävention? Die ergriffenen Massnahmen in der Primarschule seien mit den beiden Schuldiensten Schulsozialarbeit und Schulpsychologischem Dienst sicher angemessen, so Estermann. Handlungsbedarf sieht sie aber eine Stufe höher: «In den Gymnasien gibt es eine Lücke: Es fehlt ein niederschwelliges Angebot, an das sich Jugendliche wenden können.»

Dies, weil die Regierung in ihrer Antwort schreibt, dass als erste Anlaufstelle Klassenlehrpersonen und die sogenannte interne Schulberatung dient – welche wiederum aus Lehrpersonen zusammengestellt ist. «Ein 14-jähriger Teenager, der mit der aktuellen Situation zu kämpfen und allenfalls ein Suchtproblem hat, vertraut sich wohl kaum einer Lehrperson derselben Schule an», so Estermann. Bei externen Personen sei die Hemmschwelle viel tiefer, sich zu melden.

Die Co-Fraktionspräsidentin der Grünen findet, dass man das Problem gerade in Oberstufen aktiver anpacken müsste: «Es ist vermutlich kein Zufall, dass der Drogenkonsum und Medikamentenmissbrauch gerade an Luzerner Oberstufen und in Gymnasien zutage getreten ist.» Denn Hotspot des Luzerner Drogenrings war «die grösste Luzerner Kantonsschule».

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