Mehr Gewaltdelikte auf offener Strasse

Nach dem Lockdown wurde die Stimmung in Luzern aggressiv

«Stay home» war das Motto des Corona-Jahres 2020 – trotzdem kam es im öffentlichen Raum zu mehr Gewaltdelikten. (Bild: Stadt Luzern)

In Luzern sind im Jahr 2020 mehr Gewaltdelikte begangen worden als im Vorjahr – vier davon endeten tödlich. Anders als erwartet stellte die Luzerner Polizei die Zunahme der Gewalt auf offener Strasse fest ­– und nicht im häuslichen Bereich.

Die Zahlen sind beängstigend. «Bei den schweren Gewalttaten ist eine Zunahme von 50 Prozent festzustellen. Dazu gehören Tötungsdelikte, schwere Körperverletzungen, Vergewaltigungen und schwerer Raub», sagt Jürg Wobmann, Chef der Luzerner Kriminalpolizei. Schnell und sachlich rattert er an diesem Donnerstagmorgen die Zahlen der Jahresstatistik runter. Es bleibt kaum Zeit, sie auf sich wirken zu lassen.

«Unter dem Schweizer Durchschnitt», heisst es weiter. Und: «Die Aufklärungsquote ist mit 97,7 Prozent sehr hoch.» Das ist sicher eine beeindruckende Leistung. Aber was die Taten für Familien der Todesopfer von Gewalttaten im letzten Jahr bedeuteten, lässt sich nur erahnen.

Vier Menschen starben durch Gewalt

Vier vollendete und sieben versuchte Tötungsdelikte gab es 2020 in Luzern. Ein Taxifahrer wurde während des Lockdowns mit einem Messer tödlich verletzt (zentralplus berichtete). Kurz darauf wurde in Emmen eine Frau erstochen – mutmasslich von ihrem Mann (zentralplus berichtete).

«Die Opfer stehen unter grossem familiären und finanziellen Druck.»

Kripo-Chef Jürg Wobmann über häusliche Gewalt

Im Mai wurde eine Frau verhaftet, die unter Verdacht stand, ihre Mutter in Meierskappel erschlagen zu haben (zentralplus berichtete). Und in Emmenbrücke kam es zu einem tödlichen Messerangriff auf eine Frau – wohl durch deren Sohn (zentralplus berichtete).

Vermehrt lebensgefährliche Angriffe auf offener Strasse

Die versuchten Tötungsdelikte wurden alle im öffentlichen Raum begangen. «Wir haben das inzwischen analysiert», sagt Wobmann. «Während des Lockdowns kam es nicht zu einem Anstieg der Gewaltdelikte, aber danach wurde die Stimmung aggressiv.»

Es gab diverse Vorfälle mit Messern im Sommer 2020. «Wir haben darauf mit stärkerer Präsenz an den Hotspots im öffentlichen Raum reagiert und gezielt auf Waffen kontrolliert. Seither hat sich die Lage stabilisiert», so Wobmann.

Häusliche Gewalt: Polizei vermutet hohe Dunkelziffer

Was die häusliche Gewalt angeht, so wurde von Expertinnen befürchtet, dass diese im Lockdown zunehmen könnte. Tatsächlich registrierte beispielsweise das Frauenhaus Luzern einen deutlichen Anstieg von Telefonanfragen (zentralplus berichtete).

Die Luzerner Polizei rückte im Corona-Jahr 463-mal wegen Meldungen von häuslicher Gewalt aus, im Vorjahr waren es 420-mal. «Die Zahl bewegt sich also im langjährigen Mittel», meint Wobmann. Grund für eine Entwarnung ist das aus seiner Sicht aber nicht.

«Unabhängig von jeder Statistik ist das tragisch und absolut inakzeptabel.»

Sicherheitsdirektor Paul Winiker über Tötungsdelikte im häuslichen Bereich

«Die Dunkelziffer ist sicher hoch. Die Opfer stehen unter grossem familiären und finanziellen Druck. Wir stellen oft fest, dass es länger dauert, bis der Leidendruck so gross ist, dass sich die Betroffenen melden», so Wobmann.

Die Corona-Massnahmen schränken zudem auch die Freiräume der Opfer ein und machen es schwieriger, sich mit anderen auszutauschen. «Das ist sicher ein erschwerendes Element.»

Sicherheitsdirektor Paul Winiker weist darauf hin, dass die Opferberatungsstelle letztes Jahr etwa 15 Prozent mehr Anfragen hatte im letzten Jahr. «Wir haben also weitere Indikatoren, die auf eine hohe Dunkelziffer hinweisen», meint er. «Zudem haben sich zwei Tötungsdelikte im engsten häuslichen Bereich ereignet. Unabhängig von jeder Statistik ist das tragisch und absolut inakzeptabel.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von D.K.
    D.K., 25.03.2021, 18:09 Uhr

    Das ist erst die Spitze des Eisberges …

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