Mann wegen Drohungen vor Bezirksgericht Luzern

Nach 24 Jahren verliess sie ihn wortlos – da rastete er aus

Das Bezirksgericht Kriens: Auch hier finden dringliche Verhandlungen weiterhin statt. (Bild: zvg)

Drei Whatsapp-Nachrichten waren es, die einen 54-jährigen Mann diese Woche vor das Bezirksgericht Luzern gebracht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Ex-Frau bedroht zu haben. Hört man seine Version der Geschichte, so ist er das eigentliche Opfer.

Es war ein Sonntagmorgen im Herbst 2017, als ein Luzerner ahnungslos die Tür öffnete und acht Zügelmänner ohne Vorwarnung anfingen, die Sachen seiner Frau zu packen. Der Mann hoffte zunächst wohl auf einen Irrtum.

Als er realisierte, was gerade tatsächlich geschah, war seine langjährige Partnerin ausgezogen. Ohne ihm vorher etwas zu sagen, hatte sie sich eine eigene Wohnung gesucht – nach 24 gemeinsamen Jahren. Er konnte es einfach nicht begreifen. Er fiel in ein tiefes Loch. Und beging in der Folge einen schwerwiegenden Fehler.

Einblick in eine Welt der Vorwürfe und Enttäuschungen

Der Fall ist ein Lehrstück dafür, was in einer Beziehung falsch laufen kann. Als der Mann an diesem Mittwochnachmittag im Gerichtssaal von seiner Ex-Frau zu erzählen beginnt, bekommt der Zuhörer Einblick in eine Welt der Vorwürfe, der Enttäuschungen und der psychischen Gewalt.

Die beiden hatten 1994 geheiratet, fünf Jahre später wurde die gemeinsame Tochter geboren. Doch das Versprechen, lebenslang zusammenzubleiben, hielt nicht.

Die Ehe wurde 2007 geschieden.

Ein paar Jahre später fand das Paar wieder zusammen. Doch die Beziehung blieb fragil. Immer mal wieder zog die Frau aus. Manchmal für Tage. Manchmal für Wochen. So würde es auch dieses Mal sein, dachte der Mann, als die Männer 2017 die Zügelkisten packten.

Erst nach Monaten wurde dem Mann klar, dass sie es ernst meint

Doch er irrte sich. Liebesbriefe, die er an sie schrieb, blieben unbeantwortet. Monatelang. Irgendwann versuchte er es per Whatsapp. Sie schrieb zurück. Ihr Ton war kalt und distanziert. Da wurde dem Mann klar, dass sie es ernst meinte. Und er sah rot.

Er haute in die Tasten. Die Rechtschreibfehler zeugen von der Aufregung, in der er sich befunden haben muss. «Ich weiss wer muss Angst haben in Zukunft auf seine schöne Gesicht, aber nicht von mir. Hihihi, bis die Papiere bei mir sind und ich endlich sauber bin von dir», schrieb er.

Und weiter: «Du kannst schreiben jetzt was du willst du bekommst jetzt einmal eine Strafe die dir wirklich zusteht. Aber erst wenn du nicht mehr erwartest.»

Die dritte Nachricht lautete: «Ich nehme nur dein Gesicht. Und das tut dir weh, weil Schönheit bedeutet dir alles.»

Er jagte der Frau Angst ein

Die Frau ging zur Polizei und erstattete Anzeige. Sie fühle sich von ihrem Ex-Mann bedroht, gab sie an. Die Frau sei in Angst und Schrecken versetzt worden, schreibt die Staatsanwaltschaft denn auch in dem Strafbefehl, der durch die Einsprache des Beschuldigten nun zur Anklageschrift geworden ist.

An dem Tag, als er die Nachrichten geschrieben habe, habe er gerade erfahren, dass seine Ex eine neue Beziehung habe, erzählt der Mann vor Gericht. Er habe mir ihr darüber sprechen wollen, sie aber habe nur davon geredet, dass sie das Haus verkaufen wolle, das er ihr zwei Jahre zuvor zur Hälfte übertragen hatte.

«Ich hatte 2015 rund um die Uhr gearbeitet, um das Haus eigenhändig zu renovieren. Da ist so viel Herzblut drin», erzählt er. Sie als Mitbesitzerin eintragen zu lassen, das sei der grösste Fehler seines Lebens gewesen. «Ich wollte sie absichern im Alter. Und zwei Jahre später habe ich die Quittung dafür bekommen.»

Psychischer Zusammenbruch = Schuldunfähigkeit?

Aus seinen Worten wird spürbar, wie sehr die Trennung ihn verletzt hat und ihn die ganze Sache heute noch mitnimmt. Während der Befragung bricht er kurzzeitig in Tränen aus.

Kurz vor der Tat hatte er einen völligen Zusammenbruch gehabt. Er wurde krankgeschrieben, begab sich in psychiatrische Behandlung und musste Medikamente nehmen.

Für seinen Verteidiger ist deshalb klar: Der Mann befand sich in einer absoluten Ausnahmesituation. In einem Zustand, in dem er gar nicht mehr schuldfähig gewesen sei – er müsse deshalb freigesprochen werden.

Es geht nicht um Geld, es geht um Anerkennung

Die Staatsanwaltschaft hingegen fordert eine bedingte Geldstrafe von 50 Tagessätzen à je 110 Franken. Zudem soll der Beschuldigte eine Busse von 1’300 Franken bezahlen.

«Ja, es geht hier eigentlich nur um eine bedingte Geldstrafe», sagt der Mann dazu. «Aber für mich geht es um viel mehr.» Vielleicht geht es um die Anerkennung der Verletzung, die er erlebt hat. Vielleicht darum, dass berücksichtigt wird, was ihn zu seiner Tat getrieben hat. Es bleibt im Dunkeln. Der Mann lässt den Satz unvollendet.

Man fragt sich während des Prozesses unwillkürlich, was zwischen zwei Menschen vorfallen muss, dass sie sich nach über zwanzig gemeinsamen Jahren gegenseitig solche Verletzungen zufügen. Und man wünscht sich, dass sich die beiden auf eine andere Weise hätten trennen können.

Warten auf das Urteil

Aber ein Gerichtssaal ist nicht der Ort, um eine Beziehung zu kitten. Es geht einzig und allein um die Frage, ob eine Straftat vorliegt oder nicht. Und ob der Mann trotz seiner angeschlagenen psychischen Verfassung anders hätte reagieren können.

Die Antwort darauf zu finden, ist nun die Aufgabe des zuständigen Einzelrichters. Auf das Urteil werden die Betroffenen aber noch etwas warten müssen. Anders als in anderen Kantonen – etwa in Bern –, werden die Entscheide in Luzern meistens nicht direkt im Anschluss an die Verhandlung verkündet, sondern den Betroffenen schriftlich mitgeteilt. So auch hier.

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