Mutter soll mit Kabel und einem Staubsaugerrohr auf ihren Buben eingeprügelt haben
Bei einer Operation stellen Ärzte am Kantonsspital Luzern fest, dass der Körper des neunjährigen Patienten mit Wunden übersät ist. Schnell gerät die Mutter in Verdacht, ihren Sohn misshandelt zu haben. Die Verteidigung hat eine ganz andere These.
Vor dem Kantonsgericht Luzern ist am Donnerstag ein Fall von grober Kindsmisshandlung verhandelt worden, wie er heutzutage glücklicherweise nur noch selten vorkommt. Die Staatsanwaltschaft wirft einer 33-jährigen Frau aus Somalia vor, sie habe ihren Sohn monatelang mit Schlägen misshandelt. Um ihn zu erziehen, habe sie ihn des Öfteren mit einem Kabel, einer Vorhangstange, einem Staubsaugerrohr auf den Rücken und einmal sogar mit einem zuvor erhitzten Rüstmesser auf die Hand geschlagen. Teilweise habe sich der Junge vor den Schlägen ausziehen müssen.
Ärzte des Luzerner Kantonsspitals hatten bei dem Buben am ganzen Körper diverse Verletzungen festgestellt, als er sich im April 2016 einer Kopfoperation unterziehen musste. Am Rücken, den Armen und den Beinen fanden sie sichelförmige Rissquetschwunden, Prellungen und Hämatome.
Die Mutter gab an, das sei beim Fussballspielen passiert. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie ist überzeugt, die Frau habe dem damals 9-Jährigen die Hände und Beine in vorgebeugter Position zusammengebunden, sodass er den Kopf zwischen die Beine stecken musste. In dieser Position habe sie auf seinen Rücken eingeprügelt.
«Hier in der Schweiz ist es unmöglich, so etwas mit seinem Kind zu machen.»
Beschuldigte
Ausserdem habe sie den Buben mehrfach an den Ohren gezogen und ihn auch einmal damit bestraft, dass er zwei Tage lang nichts zu essen bekommen habe. So hatte es der Junge in mehreren Befragungen gegenüber den Ermittlungsbehörden ausgesagt.
Mutter behauptet, das Kind sei gestört
Angesichts der ungeheuerlichen Vorwürfe würde man vielleicht erwarten, dass die Beschuldigte auch in der Verhandlung ein hitziges Temperament zeigt. Doch die Frau, welche die Taten begangen haben soll, macht an diesem Vormittag im Kantonsgericht Luzern einen ungemein ruhigen Eindruck. Sie trägt einen Al-Amira, ein muslimisches Kopftuch. Die Fragen werden für sie übersetzt, auch wenn sie die meisten auch so zu verstehen scheint. Sie beteuert immer und immer wieder: «Ich habe meinen Sohn nie geschlagen.»
Sie zeichnet das Bild eines schwer gestörten und schwierigen Kindes. Der Bub sei psychisch nicht gesund. Als sie 2008 in die Schweiz kam, liess sie ihn zunächst in Somalia zurück. Sie habe sich hier erst eine Existenz aufbauen müssen, erklärt sie. Ihr Sohn lebte teilweise auf der Strasse. Erst 2015 schaffte sie es, ihn zu sich zu holen. Und da habe er diese Verletzungen bereits gehabt, behauptet die Frau.
«Hier in der Schweiz ist es unmöglich, so etwas mit seinem Kind zu machen», sagt sie. «Wie hätte er denn zur Schule gehen können, wenn er zwei Tage nichts zu essen bekommen hätte?» Sie könne es sich nicht erklären, warum er solche Lügen erzähle. Vielleicht weil er sich von ihr im Stich gelassen fühlte?
Erst vor ein paar Wochen habe er ihr gesagt: «Bis jetzt wollte ich dich nur bestrafen – aber jetzt will ich dich töten.» Der Junge lebt derzeit in einem Heim. Da würden nun endlich auch die Behörden seinen «schwierigen Charakter» mitbekommen, sagt die Mutter. Er sage oft die Unwahrheit. Er sei auch schuld daran, dass sein Stiefvater sie inzwischen verlassen habe. Mutter und Sohn haben einander zuletzt in den Herbstferien gesehen.
Unbekannte sollen den Jungen auf den Spielplatz verprügelt haben
Die Verteidigerin bläst ins gleiche Horn. Der Bub sei hyperaktiv und aggressiv und es sei ausserdem nicht auszuschliessen, dass er «zur Selbstverletzung neige». Der Grund für den Spitalaufenthalt sei damals gewesen, dass er seinen Kopf derart heftig an die Wand geschlagen habe, dass er operiert werden musste. Auch habe er sich in der Schule einmal mit einem Pizzamesser geschnitten.
Ihre Mandantin habe jahrelang um deren Sohn und dessen Bruder gekämpft. Sie habe die beiden nicht in die Schweiz geholt, um sie zu misshandeln. Die sichelförmigen Verletzungen würden von einem Übergriff auf dem Spielplatz stammen. Zwei unbekannte Männer hätten seine Hände mit einem Kopfhörerkabel festgebunden. Dann habe einer ihn in den Bauch und der andere mit dem Kabel auf den Rücken geschlagen. Das sei zwei Wochen vor der Operation gewesen und erkläre die Verletzungen.
«Es ist nicht denkbar, dass die Beschuldigte, hätte jemand anders ihren Sohn derart misshandelt, tatenlos zugeschaut hätte.»
Staatsanwalt
Die Kinder seien auch oft von älteren Schülern verprügelt worden. Es sei nicht bewiesen, dass die Mutter die Täterin gewesen sei. Dagegen würden die Aussagen des Ehemannes der Frau sowie des Bruders und der Cousine des Opfers sprechen. Sie alle hatten ausgesagt, dass die Frau eine liebevolle Mutter sei. Und auch die Lehrpersonen hätten sie für ihren verantwortungsvollen Umgang mit dem Jungen gelobt, auch wenn dieser in der Schule immer wieder Ärger gemacht habe. Die Frau sei freizusprechen.
Wenn es so war: Warum hat keiner die Polizei gerufen?
Die Staatsanwaltschaft hatte für diese Version der Geschichte wenig übrig. Die Behauptung, das Kind sei auf dem Spielplatz von zwei Männern attackiert worden, stehe im Widerspruch zu den Angaben des Opfers. So könne es nicht gewesen sein. «Es ist nicht denkbar, dass die Beschuldigte, hätte jemand anders ihren Sohn derart misshandelt, tatenlos zugeschaut hätte», so der Staatsanwalt. «Sie hielt es ja offenkundig nicht mal für notwendig, wegen der zahlreichen Verletzungen einen Arzt aufzusuchen oder deswegen bei der Polizei vorstellig zu werden.»
Viel eher sei davon auszugehen, dass die Beschuldigte zu roher Gewalt griff, wenn sie dem Knaben nicht mehr mit Worten beikam. Besonders weil er aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen Somalia und der Schweiz gewisse Anpassungsschwierigkeiten hatte und es daher in der Schule wiederholt zu Konflikten kam. Den Aussagen der Familienmitglieder könne man keinen Glauben schenken, weil sich diese in einem Loyalitätskonflikt befänden.
Die Staatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Bezirksgerichts Hochdorf zu bestätigen und die Sozialhilfeempfängerin wegen einfacher Körperverletzung und Verletzung der Fürsorgepflicht zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Franken zu verurteilen. Diese müsste die Frau bezahlen, wenn sie innerhalb von zwei Jahren rückfällig würde. Das Urteil steht noch aus.
Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.
alice .Schärer-Gurini, 14.12.2019, 14:29 Uhr Auch ich wurde misshandelt und erst mit 9 Jahren beim 4. Spitalaufenthalt erlöst! Dass es das heute noch gibt ist schrecklich! Es gibt zu wenige Tel. Nummer die man gross aufführt, zum Beispiel 1111 dann können Kinder schon selber anrufen und Hilfe holen. Man sollte mehr tun gegen Schläger-Eltern. Bitte es ist bald das Jahr 2020. Es war bei uns 1950 es ist nur beschämend!
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter