Gibt es bald ein Rudel?

So ist die Wolf-Sichtung in Nottwil einzuordnen

David Gerke ist der Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz (GWS). Er ordnet die Sichtung des Wolfs in Nottwil ein. (Bild: GWS)

Ein Wolf ist Mitte September bei Nottwil in eine Fotofalle getappt. Diese Bilder geben jetzt, wo sie veröffentlicht sind, zu reden. Es ist die erste zweifelsfreie Wolf-Sichtung im Gebiet des Sempachersees. Gibt es nun ein Rudel? Und wie ist die Sichtung einzuschätzen? zentralplus fragt einen Experten.

Vögel, Füchse oder auch Marder – die Tiere, welche eine Wildkamera in der Regel einfängt, sind nicht allzu spektakulär. Eine Fotofalle hat Mitte September allerdings ein Tier abgelichtet, welches Emotionen auslöst. Zum ersten Mal konnte dank der Bilder im Gebiet des Sempachersees zweifelsfrei ein Wolf gesichtet werden.

Die Kamera hat eine Privatperson im Gebiet Oberarig aufgestellt. Laut der «Luzerner Zeitung» interessiert sich diese Person schlicht dafür, welche Tiere beim kleinen Bach unterwegs sind. Auf seinen ersten Bildern seien auch die üblichen verdächtigen Tiere zu sehen gewesen. Nach Marder, Katze und Co wird es aber grösser. «Und dann kam der grosse Treffer, das war schon speziell», sagt der Mann gegenüber der Zeitung.

Wildhüter kann Tier zweifelsfrei als «Wolf» identifizieren

Die Bilder vom Nottwiler Wolf habe der Mann dann dem Jagdverein Nottwil gezeigt. Der Verein hat die Bilder an die kantonale Dienststelle Landwirtschaft und Wald gesendet. Und der kantonale Wildhüter Daniel Schmid ist sich sicher, das Video zeige «eindeutig» einen Wolf. Solch eine Sichtung ist in dieser Region einzigartig. «Es gab zwar schon Meldungen aus anderen Gebieten, etwa aus Grossdietwil, in der Region Sempachersee ist das aber die erste zweifelsfreie Sichtung», sagt Schmid im Medienbericht.

«Der Wolf von Nottwil ist nicht der erste im Mittelland, auch wenn Wolf-Sichtungen hier noch nicht zur Normalität gehören.»

David Gerke, Gruppe Wolf Schweiz (GWS)

Da die Wolfspopulation in den letzten Jahren zugenommen hat, geht der Wildhüter davon aus, dass es wohl nicht die letzte Sichtung gewesen sein könnte. «Wenn es mit der Population so weitergeht wie in den vergangenen Jahren, kann es das immer wieder geben.»

In der Region Zentralschweiz haben ab und zu auch Privatpersonen das Glück, einen Wolf live zu sehen. So schilderte uns Anfang des Jahres die Zugerin Svenja ihre Sichtung in der Gemeinde Unterägeri (zentralplus berichtete).

So ordnet der Experte die Wolf-Sichtung von Nottwil ein

Es war im September also eindeutig ein Wolf unterwegs. Wie ist diese erste Sichtung im Sempachersee-Gebiet einzuordnen? zentralplus holt sich die Antwort von einem Experten. David Gerke ist Geschäftsführer bei der «Gruppe Wolf Schweiz» (GWS). Er sagt, dass in der Schweiz immer mit einer Sichtung von Wölfen gerechnet werden muss, auch im Mittelland. «Wann sie wo auftauchen, kann aber nicht vorhergesagt werden.»

«Die Chance, dass sich im Kanton Luzern ein Wolfsrudel bildet, ist gross.»

David Gerke, Gruppe Wolf Schweiz (GWS)

Ein echter Pionier sei das aktuelle Tier nicht. Denn: «Der Wolf von Nottwil ist nicht der erste im Mittelland, auch wenn Wolf-Sichtungen hier noch nicht zur Normalität gehören. Weil es im Mittelland keine frei weidenden Schaf- und Ziegenherden gibt, ist das Konfliktpotenzial sogar geringer als in den Alpen.»

Männliche Tiere legen grosse Distanzen zurück

Der gesichtete Nottwiler Wolf war wohl bereits wenige Stunden später nicht mehr in der Nähe. Die Männchen sind nämlich echte Wanderfreaks. Gerke liefert eindrückliche Zahlen: «Freilanduntersuchungen in den Westalpen, aber auch in Skandinavien, zeigen, dass Jungwölfe, die mit der Erreichung der Geschlechtsreife ihr Rudel verlassen müssen, durchschnittlich zwischen 50 und 100 Kilometer weit abwandern.» Das ist allerdings noch nichts. Denn: «Einzelne Individuen können sogar 500 Kilometer und mehr abwandern!»

Der Umkreis zeigt, wie weit ein durchschnittlicher Wolf innerhalb eines Tages gehen kann. Die «Rekordwölfe» kommen mit einer 500 Kilometer Strecke dann locker von Nottwil nach Nürnberg in einem Tag.

Ein einzelner Wolf kann innerhalb eines Tages weit wandern. Dieser Umkreis zeigt, wie weit es durchschnittlich gehen kann. (Bild: CalcMaps)

Im Gegensatz zu einzelnen Tieren bleibt ein Rudel stationärer. «Wolfsrudel sind territorial und verlassen ihr Revier nicht. Ein Rudelrevier ist etwa 250 Quadratkilometer gross», sagt Gerke.

Künftig könnte es auch bei Nottwil ein Rudel geben

«Die Chance, dass sich im Kanton Luzern ein Wolfsrudel bildet, ist gross», sagt der Experte. Die Schweiz hat von der Natur her ein grosses Potenzial für das Tier. «In der Schweiz sind insbesondere die Alpen, die Voralpen und der Jura sehr gut für den Wolf geeignet. Im Kanton Luzern sind das Entlebuch sowie das Napf- und das Pilatusgebiet für den Wolf sehr attraktiv», sagt Gerke.

Die Population hat in der Schweiz in den letzten Jahren zugenommen. Und der Experte sagt, dass die Anzahl Wölfe sich noch steigern wird. «Da noch viele Lebensräume frei und die Wildbestände als Nahrung des Wolfes sehr hoch sind, geht die Ausbreitung zurzeit noch schnell voran. Im Moment leben in der Schweiz etwa 20 Wolfsrudel.»

Unendlich wird sich der Wolf aber nicht vermehren. Die Natur reguliert dies selbst. «Das Wachstum wird abnehmen und sogar aufhören, wenn der Wolf die geeigneten Gebiete besiedelt hat», sagt David Gerke.

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